Gesetzestext
(1) Bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 ist, ist die Kündigung auch ohne die in § 626 bezeichnete Voraussetzung zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer Art zu leisten hat, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen.
(2) 1Der Verpflichtete darf nur in der Art kündigen, dass sich der Dienstberechtigte die Dienste anderweit beschaffen kann, es sei denn, dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. 2Kündigt er ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er dem Dienstberechtigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Rn 1
§ 627 erweitert das Recht zur fristlosen Kündigung in besonderen Vertrauensverhältnissen. Die Regelung gilt nicht für Arbeitsverhältnisse oder dauernde Dienstverhältnisse mit festen Bezügen (bei gewisser wirtschaftlicher Erheblichkeit und persönlicher Bindung für den Dienstverpflichteten, BGH NJW 11, 3575), daher nicht: bei einer Dienstpflicht von einem Jahr, wenn die Fortsetzung des Dienstverhältnisses objektiv möglich erscheint (BAG NZA 06, 1094; BGHZ 90, 280, 282), bei ständigen oder langfristigen Aufgaben, bei denen die Vertragspartner von der Möglichkeit und Zweckmäßigkeit einer Verlängerung ausgegangen sind (BGHZ 175, 102), oder wenn der Dienstverpflichtete von vornherein mit festgelegten Bezügen, die der Höhe nach nicht schwanken sollen, rechnen konnte (BAG NZA 06, 1094 [BAG 12.07.2006 - 5 AZR 277/06]). Dienste höherer Art setzen ihrer Art nach ein überdurchschnittliches Maß an Fachkenntnis, Kunstfertigkeit oder wissenschaftlicher Bildung, eine hohe geistige Phantasie oder Flexibilität voraus (BGH NJW-RR 19, 1459 [BGH 02.05.2019 - IX ZR 11/18]), und verleihen damit eine herausgehobene Stellung, zB bei freien Berufen wie (Zahn-; Betriebs-)Arzt (BGH NZA 15, 490 [BGH 13.11.2014 - III ZR 101/14]), Rechtsanwalt (BGH NJW 20, 2538; 02, 2775 [BGH 04.07.2002 - IX ZR 153/01]), Steuerberater bzw -bevollmächtigter (BGH NJW 19, 1459 [BGH 07.03.2019 - IX ZR 143/18]; 10, 1520), ferner Inkassobeauftragter (BGH NJW-RR 04, 989), oder Dienstleistungen, die den persönlichen Lebensbereich betreffen, wie Partnerschaftsvermittlung (BGH NJW 10, 150), ambulante Pflegedienstleistungen (BGHZ 190, 80) oder Internatsvertrag (BGH NJW 85, 2585; anders Einzelunterricht in einer Sprachschule (Ddorf BeckRS 22, 20525; Privatschulvertrag Köln NJW 20, 1976; BGHZ 175, 102). Die Dienste müssen von besonderem Vertrauen (BGH NJW-RR 04, 989) in die Sachkompetenz und in natürliche (KG NJW-RR 03, 1062 [KG Berlin 10.03.2003 - 12 U 106/01]) oder juristische Personen (BGH NJW 10, 150 [BGH 08.10.2009 - III ZR 93/09]; Celle NZBau 04, 684 [OLG Celle 11.07.2002 - 14 U 225/01]) getragen sein (BGH NJW 11, 3575 [BGH 22.09.2011 - III ZR 95/11]).
Rn 2
Beide Parteien haben das Recht zur jederzeitigen fristlosen Kündigung, auch wenn der Vertrag auch Dienste nicht höherer Art umfasst (BGH NJW-RR 19, 1459 [BGH 02.05.2019 - IX ZR 11/18]). Der Dienstverpflichtete darf idR nicht zur Unzeit kündigen (II 1), sonst bleibt die Kündigung zwar wirksam, verpflichtet aber zum Schadensersatz (II 2; BGH NJW 02, 2775 [BGH 04.07.2002 - IX ZR 153/01]) bis zur Höhe des negativen Interesses (ErfK/Müller-Glöge § 627 Rz 8). Für den wichtigen Grund genügt ein rechtfertigender Grund, es muss keine Unzumutbarkeit vorliegen.
Rn 3
Das Kündigungsrecht ist abdingbar, idR jedoch nur durch Individualvertrag (BGH NJW 10, 1520; WM 05, 1667). Eine feste Vertragslaufzeit ist noch keine wirksame Abbedingung (BGH NJW-RR 91, 440).
Rn 4
Die Darlegungs- und Beweislast für I trägt der Kündigende. Fordert der Dienstberechtigte Schadensersatz gem II 2, muss er die Tatsachen für die ›Unzeit‹, der Dienstverpflichtete die für den ›wichtigen Grund‹ beweisen.