Rn 4
Dogmatisch folgt aus der Vereinheitlichung des Leistungsstörungsrechts die Erkenntnis, dass die Herstellung eines mangelhaften Gewerkes als Unterfall der (teilweisen) Nichterfüllung des Vertrages zu behandeln ist. Das ändert freilich nichts daran, dass die im Werkvertragsrecht verbliebenen, vertragsspezifischen Vorschriften zum Mängelhaftungsrecht abschließende Sonderregelungen darstellen, die den allg Vorschriften vorgehen (BeckOKBGB/Voit § 634 Rz 27; NK-BGB/Raab, § 634 Rz 27; zum alten Recht: BGH NJW 99, 2046, 2047 [BGH 17.02.1999 - X ZR 8/96]). Die Verzahnung zwischen Werkvertragsrecht und allg Leistungsstörungsrecht bewerkstelligt § 634, der sowohl auf die dem Werkvertragsrecht inhärenten Mängelrechte der Nacherfüllung (§ 634 Nr 1 iVm § 635), der Selbstvornahme (§ 634 Nr 2 iVm § 637) und der Minderung (§ 634 Nr 3 iVm § 638), als auch auf die jetzt im allg Leistungsstörungsrecht verankerten Ansprüche auf Rücktritt (§ 323) und Schadensersatz (§§ 280–283) verweist (§ 634 Nr 3, 4), die wiederum in den zusätzlich in Bezug genommenen Vorschriften des Werkvertragsrechts (lediglich) modifiziert werden. Im Ergebnis lässt sich also festhalten, dass alle mangelbedingten Haftungsansprüche ihren gesetzlichen Anknüpfungspunkt im Werkvertragsrecht haben.
Rn 5
Allerdings stehen dem Besteller die werkvertraglichen Mängelhaftungsrechte grds erst ab Abnahme (auch fiktiv – § 640 II) zu (so ausdrücklich auch der BGH BauR 17, 875; BauR 17, 879; BauR 17, 1024). Denn bis zu diesem Zeitpunkt hat er gem § 633 I einen auf Verschaffung des versprochenen mangelfreien Werkes gerichteten Erfüllungsanspruch, der hinsichtlich evtl Leistungsstörungen den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts in §§ 280 ff und 323 (auch Verzug und Unmöglichkeit) unterliegt (BGH, aaO; NK-BGB/Raab § 634 Rz 30 f; Drossart BrBp 03, 356; abl Vorwerk BauR 03, 1, 8 ff). Folgerichtig beginnt gem § 634a II auch die Verjährung der Mängelansprüche erst mit der Abnahme.
Rn 6
Diese, sich aus der gesetzlichen Systematik ergebende zeitliche Zäsur zwischen allg Leistungsstörungsrecht und den Sachmängelhaftungsrechten ist indes wenig zufriedenstellend, weil dann derjenige Besteller, der die Abnahme zu Recht wegen vorhandener Mängel verweigert, kein Selbstvornahmerecht (§§ 634 Nr 2, 637) einschl des hieran geknüpften Kostenerstattungs- und Vorschussanspruches und kein Recht zur Minderung (§§ 634 Nr 3, 638) hat; er steht also ohne sachlichen Grund signifikant schlechter als der Besteller, der die mangelhafte Werkleistung abnimmt (beim VOB/B-Vertrag enthält § 4 VII VOB/B gerade für diese Fälle eine praxisgerechte Sonderregelung; vgl auch BGH BauR 16, 1771, 1773 – Sonderfall: Haftung des Bauträgers nach Treu und Glauben für Mängel des Gemeinschaftseigentums trotz fehlender Abnahme). Der BGH sieht das anders. Er verweist darauf, dass der Besteller dem Unternehmer, der seine fällige Leistung als fertig angeboten hat, eine Frist zur vertragsgerechten Erfüllung setzen und nach ergebnislosem Ablauf dieser Frist Schadensersatz statt der Leistung gem § 281 I beanspruchen könne. Darüber hinaus stünden ihm Ansprüche auf Schadensersatz neben der Leistung (§ 280 I) und wegen Verzögerung (§§ 280 II, 286) sowie das Rücktrittsrecht gem § 323 und das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund (§ 314; jetzt § 648a) zu. Dadurch sei der Besteller hinreichend geschützt, zumal ihm schon vor der Abnahme die Mängelrechte aus § 634 zustünden, wenn er nicht mehr die Erfüllung des Vertrages verlangen könne, weil das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen sei (zum Ganzen: BGH BauR 17, 875, 878; BauR 17, 879, 883; BauR 17, 1024, 1028f).
Rn 7
Damit sind die Probleme freilich nicht gelöst. Eine ganz andere Frage ist es nämlich, ob der Besteller Sachmängelhaftungsrechte auch schon vor dem Eintritt der Fälligkeit der Werkleistung verlangen kann. Insoweit lässt sich nur schwer begründen, dass er bei fortbestehendem Erfüllungsanspruch berechtigt sein soll, durch die vorzeitige Geltendmachung von Sachmängelhaftungsrechten oder, wie der BGH vorschlägt, nach der Bestimmung einer Frist zur Vertragserfüllung gem § 281 I 1 durch die Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung, in die allein den Entscheidungen des Unternehmers unterliegende Ausführung der Werkleistung einzugreifen. Vielmehr muss er grds den vertraglich vereinbarten oder den sich aus den Umständen ergebenden Fertigstellungstermin (§ 271) abwarten. Indes: Das Gesetz hält in § 323 IV eine Ausnahmeregelung bereit, wonach der Besteller bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit vom Vertrage zurücktreten kann, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden. Es erscheint angebracht, diesem Rechtsgedanken aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242) auch hinsichtlich der werkvertraglichen Mängelhaftungsrechte jedenfalls dann Geltung zu verschaffen, wenn schon vor dem vertraglichen Fertigstellungstermin feststeht, dass die Beseitigung tatsächlich bestehender Mängel auch bei Fortführung ...