Rn 3
Auch nach Ablauf der Nacherfüllungsfrist kann der Besteller auf der zweiten Stufe der Mängelhaftung grds frei wählen, ob er den Unternehmer auf Mängelbeseitigung (Nacherfüllung) in Anspruch nehmen oder andere Mängelrechte (Selbstvornahme mit Vorschuss und Aufwendungsersatz, Minderung, Rücktritt, Schadensersatz) geltend machen will. Demggü hat der Unternehmer nach ergebnislosem Fristablauf sein Nachbesserungsrecht (iE hierzu: § 635 Rn 4 ff) verloren und er kann die einmal versäumte Nachbesserung nicht mehr gegen den Willen des Bestellers erzwingen (BGH BauR 03, 693, 694; BauR 04, 501. Gleiches gilt, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert und der Besteller unter Abstandnahme vom Nacherfüllungsverlangen eines der Sekundärmängelrechte geltend macht (BGH NJW 00, 2997 [BGH 20.04.2000 - VII ZR 164/99]). IÜ muss sich der Besteller innerhalb angemessener Frist entscheiden, welches Mängelrecht er ausüben will, wenn der Unternehmer taugliche Nachbesserung anbietet (§ 242, vgl BGH NJW 02, 669 [BGH 18.10.2001 - I ZR 91/99]).
Rn 4
Die auf Herbeiführung des ursprünglichen Leistungserfolges gerichteten Mängelrechte auf Nacherfüllung und Selbstvornahme mit Vorschuss und Aufwendungsersatz erlöschen, wenn der Besteller seine mangelbedingten Gestaltungsrechte (Rücktritt, Minderung) ausübt. Verlangt er (berechtigt: vgl BGH MDR 20, 1500 [BGH 14.10.2020 - VIII ZR 318/19]) Schadensersatz statt der Leistung gem §§ 634 Nr 4, 280, 281, erlischt der Nacherfüllungsanspruch gem § 281 IV; wird kleiner Schadensersatz begehrt, hindert das jedoch nicht, zur Selbstvornahme mit Vorschuss- und Aufwendungsersatzanspruch zurückzukehren (BGH NJW 18, 1463 [BGH 22.02.2018 - VII ZR 46/17]). Begehrt er hingegen gem §§ 634 Nr 4, 280 I Schadensersatz für Mangelfolgeschäden an anderen Rechtsgütern, die nicht von der Nachbesserungspflicht umfasst sind (zur Abgrenzung zwischen § 280 und § 281 vgl näher Rn 15 f), so kann er daneben weiterhin alle Mängelrechte aus § 634 verfolgen. Das gilt erst recht für die Geltendmachung von solchen Schäden, die nicht ursächlich auf einen Werkmangel zurückzuführen sind. Insoweit finden die §§ 633 ff keine Anwendung und es gilt § 280 unmittelbar. Verlangt der Besteller die Erstattung von Selbstvornahmekosten (§§ 634 Nr 2, 637 I), so ist er dadurch nicht gehindert, weitergehenden Schadensersatz wegen evtl Mangelfolgeschäden zu beanspruchen. Demgegenüber sind Rücktritt und Minderung in einem solchen Fall ausgeschlossen, weil der rechtliche Grund hierfür durch die Beseitigung des Mangels entfallen ist.
Rn 5
Rücktritt und Minderung schließen einander aus (vgl BGH NJW 18, 2863 [BGH 09.05.2018 - VIII ZR 26/17]). Aus § 325 folgt hingegen, dass der Besteller auch nach erklärtem Rücktritt noch zum Schadensersatz statt der (ganzen) Leistung gem §§ 634 Nr 4, 280, 281 übergehen kann; erst recht steht ihm ein Schadensersatzanspruch gem §§ 634 Nr 4, 280 für sonstige Schäden zu. Indes: Durch den Rücktritt wird der Vertrag insgesamt in ein Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis umgestaltet (vgl §§ 346 ff), so dass die wechselseitigen Erfüllungsansprüche entfallen. Damit ist es dogmatisch nur schwer in Einklang zu bringen, dass der Besteller gleichwohl ›kleinen Schadensersatz‹ verlangen können soll, was den Fortbestand der wechselseitigen vertraglichen Leistungspflichten gerade voraussetzt (dagegen deshalb mit Recht: HP/Voit § 634 Rz 26; Kleine/Scholl NJW 06, 3462, 3464 mwN; ebenfalls krit: Kniffka/Jurgeleit/Krause-Allenstein § 636 Rz 1; aA: Grüneberg/Retzlaff § 634 Rz 13, 15; vgl auch: Derleder NJW 03, 998, 1000).
Rn 6
Eine wirksame wegen eines Mangels erklärte Minderung hat unmittelbare Gestaltungswirkung. Sie schließt einen Anspruch auf Schadensersatz statt der ganzen Leistung (großer Schadensersatz) wegen desselben Mangels aus (grundl BGH NJW 18, 2863 [BGH 09.05.2018 - VIII ZR 26/17] [zum Kaufrecht] mit Darstellung des Meinungsstands) Bei Letzterem erlöschen nämlich alle wechselseitigen Erfüllungsansprüche (§ 281 IV) und das Vertragsverhältnis wird insgesamt in ein Abrechnungsverhältnis umgewandelt (§ 281 V). Die sich so ergebenen Rechtsfolgen widersprechen denen der Minderung, die die vertragliche Leistungsbeziehung zwischen den Parteien nicht entfallen lässt und nur in dem Umfang zum Erlöschen der Leistungsverpflichtungen führt, in dem sie mangelbezogen geltend gemacht wird. Demgegenüber kann der Besteller kleinen Schadensersatz beanspruchen, soweit dieser den bereits durch die Minderung abgedeckten Schaden übersteigt (BGH NJW 17, 1607 = BauR 17, 1024; noch weitergehend wegen des Erklärungswerts der Minderung für Unanwendbarkeit des § 325: HP/Voit § 634 Rz 26; ähnl: Kniffka/Jurgeleit/Krause-Allenstein § 638 Rz 3).