Gesetzestext
(1) 1Statt zurückzutreten, kann der Besteller die Vergütung durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer mindern. 2Der Ausschlussgrund des § 323 Abs. 5 Satz 2 findet keine Anwendung.
(2) Sind auf der Seite des Bestellers oder auf der Seite des Unternehmers mehrere beteiligt, so kann die Minderung nur von allen oder gegen alle erklärt werden.
(3) 1Bei der Minderung ist die Vergütung in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert des Werkes in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. 2Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.
(4) 1Hat der Besteller mehr als die geminderte Vergütung gezahlt, so ist der Mehrbetrag vom Unternehmer zu erstatten. 2§ 346 Abs. 1 und § 347 Abs. 1 finden entsprechende Anwendung.
A. Allgemeines.
Rn 1
§ 638 wurde durch die Schuldrechtsmodernisierung neu gefasst. Die Minderung ist jetzt Gestaltungsrecht, dessen Ausübung unmittelbar zu einer Herabsetzung der Vergütung um den nach § 638 III zu ermittelnden Minderungsbetrag führt. Insoweit sind nunmehr gem § 638 III 2 ausdrücklich Schätzungen erlaubt und ggf geboten. Neu ist auch der zeitliche Bezugspunkt für die Berechnung der Minderung: Maßgebend ist nicht mehr die Abnahme, sondern in Übereinstimmung mit § 441 III der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (s Rn 5). Allg zum Anwendungsbereich des Sachmängelhaftungsrechts § 633 Rn 2 ff; für das Verhältnis der Sachmängelrechte zum allg Leistungsstörungsrecht s § 633 Rn 4 ff, zum Verhältnis der Mängelrechte untereinander § 634 Rn 2 ff.
B. Voraussetzungen/Minderungserklärung.
Rn 2
Weil der Besteller gem § 638 I 1 mindern darf ›statt zurückzutreten‹, müssen auch für die Minderung die tatbestandlichen Voraussetzungen des Rücktritts erfüllt sein (iE hierzu § 634 Rn 9). Allerdings greift gem § 638 I 2 der Ausschlussgrund des § 323 V 2 nicht. Dem Besteller steht also auch bei unerheblichen Mängeln ein Minderungsrecht zu. Die Ausübung des Gestaltungsrechts erfolgt durch eine empfangsbedürftige einseitige Willenserklärung des Bestellers ggü dem Unternehmer (§ 638 I 1 – HP/Voit § 638 Rz 2; Staud/Peters/Jacoby § 634 Rz 111), die rechtsgestaltend wirkt und deshalb unwiderruflich und bedingungsfeindlich ist (Grüneberg/Retzlaff § 638 Rz 3; differenzierend: HP/Voit § 638 Rz 2). Die taugliche Minderungserklärung setzt voraus, dass die zu ihrer Begründung herangezogenen Mängel ihren Erscheinungsformen nach (s § 634 Rn 7, 27 – Symptomrspr) konkret bezeichnet sind. Nur auf diese Mängel beschränkt sich das Minderungsbegehren, dessen Umfang sich überdies aus der Erklärung ergeben muss (Grüneberg/Retzlaff § 638 Rz 3; aA – jedenfalls keine Bezifferung erforderlich: AnwK/Raab § 638 Rz 10). Bei Personenmehrheit auf Besteller- oder Unternehmerseite kann die Minderungserklärung nur einheitlich abgegeben werden (§ 638 II; zum Sonderfall bei Wohnungseigentümern s § 634 Rn 24). Dies setzt zwar keine ›gleichzeitige‹ Abgabe voraus, jedoch tritt die Wirksamkeit erst mit Abgabe der letzten der erforderlichen Erklärungen ein (MüKo/Busche § 638 Rz 6).
C. Berechnung der Minderung (Abs 3).
Rn 3
§ 638 III gibt vor, wie die Minderung zu berechnen ist: Die geminderte Vergütung muss in demselben Verhältnis zum vollen Werklohn stehen, in dem der Wert der mangelhaften Leistung zum Wert der vertragsgerechten (mangelfreien) Werkleistung steht. Maßgeblich ist der (objektive) Verkehrswert, der nicht notwendig der vereinbarten Vergütung und damit den subjektiven Wertvorstellungen der Vertragsparteien entspricht (Staud/Peters/Jacoby § 634 Rz 113; MüKo/Busche § 638 Rz 10). Hat eine mangelhafte Architektenleistung zu einem Mangel am Bauwerk geführt, ist deshalb bspw bei der Berechnung der Minderung der Wert des mangelhaften Architektenwerks (nicht des Bauwerks) im Verhältnis zum mangelfreien heranzuziehen (BGH NJW 72, 821 [BGH 24.02.1972 - VII ZR 177/70]). Entgegen einer bisher weit verbreiteten Handhabung (vgl hierzu Nachw in der 13. Aufl) können hierfür fiktive Mängelbeseitigungskosten regelmäßig nicht als Maßstab herangezogen werden (BGH NJW 18, 1463 [BGH 22.02.2018 - VII ZR 46/17] unter Aufgabe früherer Rspr).
Rn 4
Stattdessen ist der Minderungsbetrag gem § 638 III 2 anderweitig zu schätzen. Hierfür kommt beispielsweise eine Schadensbemessung anhand der Vergütungsanteile in Betracht, die auf die mangelhafte Leistung entfallen (vgl zB BGHZ 153, 279, 284 für die Ausführung mit minderwertigem Material). Ergeben sich die Vergütungsanteile nicht aus dem Vertrag, sind sie zu schätzen (vgl zum Reisevertragsrecht BGH NJW 18, 789 [BGH 21.11.2017 - X ZR 111/16]; zu optischen Fehlern zB Ddorf, NJW-RR 1994, 341; zu möglichen Schätzmethoden ferner Messerschmidt/Voit/Moufang/Koos, § 638 BGB Rz 24; jurisPK/Genius § 638 Rz 18 aE, 20; Staud/Peters § 634 Rz 113–115). Eine standardisierte Schätzungsmethode ist das sog Zielbaumverfahren nach Aurnhammer (Aurnhammer BauR 83, 97; zust: Pauly BauR 02, 1321, 1323f). Bei völlig unbrauchbarer Werkleistung mindert sich der Werklohn ggf auf null (BGHZ 42, 232). IÜ ist bei der Bestimmung der geminderten Vergütung ein evtl Mitverschulden de...