Rn 9
Insbes bei kleinteiligen Werkverträgen mit Baubezug und erst recht im Zusammenhang mit Leistungen von Architekten und Ingenieuren findet eine ausdrückliche Abnahme regelmäßig nicht statt. Dann stellt sich – oft erst im Prozess – die Frage, ob der Besteller die Werkleistungen wenigstens konkludent durch schlüssiges Verhalten abgenommen hat. Das ist der Fall, wenn der Unternehmer aus dem Verhalten des Bestellers nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§§ 133, 157) auf die Billigung der Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäß schließen darf (BGH NJW 74, 95; zuletzt für die Entgegennahme von Bauunterlagen vom Arch: BGH BauR 2014, 1023). Weil es sich dabei um eine rechtsgeschäftliche Abnahme handelt, muss die Abnahmereife hierfür grds nicht vorliegen, wenngleich sich bei nicht fertig gestellten Werkleistungen oder bei Vorhandensein erkennbarer schwerwiegender Mängel regelmäßig kein rechtsgeschäftlicher Abnahmewillen des Bestellers wird feststellen lassen (BGH NJW-RR 04, 782 – Funktionsmängel; BauR 95, 91; Hamm BauR 93, 604). Gleiches gilt iE, wenn die Leistung noch nicht vollständig erbracht wurde (BGH BauR 11, 876) oder nicht voll funktionsfähig ist (BGH MDR 14, 1131 – für Softwarevertrag). Kleinere, die Gebrauchsfähigkeit nicht beeinträchtigende Mängel und Restarbeiten von untergeordneter Bedeutung stehen einer schlüssigen Abnahme indes selbst dann nicht unbedingt entgegen, wenn sie gerügt worden sind (Hamm NJW-RR 95, 1233; Köln BauR 92, 514), ohne dass der Besteller damit erkennbar eine (endgültige) Verweigerung der Abnahme zum Ausdruck bringen wollte (dann kein Abnahmewille – BGH NJW-RR 96, 883 [BGH 25.04.1996 - X ZR 59/94]).
Rn 10
Eine konkludente Abnahme idS kann sich insbes aus der beanstandungslosen Ingebrauchnahme des fertigen Gewerkes ergeben (BGH BauR 04, 337, 339; NJW 85, 731; Kobl NJW-RR 94, 786; enger: KG IBR 07, 476), allerdings nicht bereits durch die erste Benutzungshandlung, sondern erst nach einer an den Umständen des Einzelfalles zu messenden, eine angemessene Prüfung der Werkleistungen ermöglichenden Nutzungsdauer (BGH NJW 92, 1078; NJW 85, 731, 732; BGH BauR 13, 2031 – zu Planungsleistungen des Architekten; Brandbg BauR 07, 1582 – Außenanlagen; Hamm NJW-RR 95, 783; OLG Ddorf BauR 94, 771 – jeweils für Bauleistungen; München NJW 91, 2158 – Software; Ddorf NJW 95, 782 – Kfz-Reparatur; BGH WM 92, 1579 – Gutachten). Eine schlüssige Abnahme durch Benutzung kommt kaum in Betracht, soweit und solange der Besteller faktisch zur Nutzung gezwungen ist (BGH BauR 94, 242, 244; NJW 79, 549; Hamm BauR 07, 1617). Bsp: Der Mieter muss in das neu errichtete Wohnhaus einzuziehen, weil er seine vorherige Mietwohnung gekündigt hat.
Rn 11
In der vorbehaltlosen Bezahlung des Werklohns kann eine konkludente Abnahmeerklärung liegen (BGH BauR 02, 108, 109; NJW-RR 94, 373; Hamm BauR 03, 106), ebenso in der Weiterveräußerung des fertigen Werks (BGH NJW-RR 96, 883), bzw in der Übergabe desselben an den Endabnehmer (BGH BauR 03, 1900, 1902) oder in der Freigabe einer vom Unternehmer bestellten Sicherheit (BGH NJW 63, 806). Keine schlüssige Abnahmehandlung stellt ohne das Hinzutreten besonderer Umstände hingegen die Bezahlung von Abschlagsrechnungen (Ingenstau/Korbion/Oppler Teil B, § 12 I Rz 12), die Kündigung des Vertrages (BGH BauR 03, 692) und die Erstellung eines gemeinsamen Aufmaßes dar (BGH NJW 74, 646).