Rn 10
§ 641 II geht von gestuften Vertragsverhältnissen (›Leistungskette‹) aus, in denen der Besteller (Hauptunternehmer) seinem Auftraggeber (Bauherr) Werkleistungen schuldet, die er aufgrund selbstständiger Vertragsbeziehungen zum (Sub-)Unternehmer zumindest teilweise von diesem erbringen lässt. Die Regelungen zur Durchgriffsfälligkeit sollen der widersprüchlichen Vertragspraxis vieler Hauptunternehmer und Bauträger begegnen, die ihnen von ihrem Auftraggeber (Bauherr) voll bezahlten Werkleistungen ihrer Subunternehmer nicht abzunehmen, um die Vergütung an den Subunternehmer (noch) nicht zahlen zu müssen. Dieser Zweck der Vorschrift wurde in der Praxis schon deshalb nicht verwirklicht, weil der Subunternehmer zumeist keine Kenntnis davon hat, welche Zahlungen der Hauptunternehmer von seinem Auftraggeber für welche Subunternehmergewerke erhalten hat. Weil er dazu im Prozess allerdings schlüssig vorzutragen hat, blieb ihm im Ernstfall nichts anderes übrig, als seinen Vertragspartner auf Auskunft zu verklagen, womit der Sinn des § 641 II (rascher Geldfluss) verfehlt war. Durch die Neufassung des § 641 II hat sich die Lage für den Subunternehmer verbessert. Er kann sich zur Begründung der Fälligkeit gem § 641 II 1 Nr 2 nunmehr auf die Abnahme seiner Werkleistungen durch den Auftraggeber im Verhältnis zum Hauptunternehmer berufen, der sich zudem gem § 641 II 1 Nr 3 nach dem ergebnislosen Ablauf einer angemessenen Auskunftsfrist entgegenhalten lassen muss, dass der Werklohnanspruch des Subunternehmers trotz in beiden Vertragsverhältnissen fehlender Abnahme fällig geworden ist. Im Einzelnen gilt:
Rn 11
Nach § 641 II 1 Nr 1 wird der Vergütungsanspruch des Subunternehmers für die von ihm fertiggestellten Leistungen fällig, wenn der Hauptunternehmer gerade für diese Leistungen seinen Werklohn ganz oder teilweise von seinem Auftraggeber erhalten hat (Kniffka ZfBR 00, 227, 231). Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Besteller voll bezahlt ist; bei Teilzahlungen des Dritten wird die Vergütung des Subunternehmers hingegen nur mit einem Betrag fällig, der seinem Anteil an den vom Dritten bezahlten Werkleistungen entspricht (BeckOKBGB/Voit § 641 Rz 19; NK-BGB/Herdy/Raab § 641 Rz 22). Nach der Begründung des Regierungsentwurfs (BTDrs 14/1246, 7) war es der eindeutige Wille des Gesetzgebers, dass auch Abschlagszahlungen des Dritten die Fälligkeit der Vergütung des Subunternehmers auslösen können (Kniffka ZfBR 00, 227, 231; aA Peters NZBau 00, 169, 172). Das ist wenig befriedigend, weil dann der Subunternehmer in den Genuss der Fälligkeit seines Werklohnspruches kommt, wohingegen der Unternehmer befürchten muss, seinerseits die empfangene Abschlagszahlung abrechnen und ggf zurückzahlen zu müssen. Sofern der Besteller an den Dritten Sicherheit wegen möglicher Mängel des Werks geleistet hat, besteht eine Durchgriffsfälligkeit nur, wenn auch der Unternehmer dem Besteller Sicherheit in entsprechender Höhe leistet (II 2, ›soweit‹), die allerdings bei verständiger Handhabung der gesetzlichen Regelung betragsmäßig nur dem Anteil der Subunternehmerleistungen am Gesamtgewerk entsprechen muss (AnwK/Herdy/Raab § 641 Rz 31; BeckOKBGB/Voit § 641 Rz 29).
Rn 12
§ 641 II 1 Nr 2 betrifft den Fall, dass der Bauherr die Leistungen des Hauptunternehmers abgenommen hat, wohingegen die Abnahme der Werkleistungen des unbezahlt gebliebenen Subunternehmers aussteht. Auch für diese Fälle stellt das Gesetz den Vergütungsanspruch des Subunternehmers fällig, ohne dass es hierfür einer Abnahme durch den Hauptunternehmer bedarf. Der praktische Nutzen dieser Regelung ist allerdings ebenfalls eher gering. Hat der Subunternehmer vertragsgerecht gearbeitet, kann er die Abnahme seiner Werkleistungen gem § 640 I 3 erzwingen; wird sie vom Hauptunternehmer (zu Unrecht) verweigert, so wird sein Vergütungsanspruch ohnehin ohne Abnahme fällig (s Rn 8). Waren die Werkleistungen des Subunternehmers hingegen mangelhaft, so ist der Hauptunternehmer ungeachtet der ihm ggü erklärten Abnahme des Bauherrn nicht gehindert, dem Subunternehmer Sachmängelrechte entgegenzuhalten und insbes ein Leistungsverweigerungsrecht aus §§ 320, 641 III geltend zu machen (s Rn 14).
Rn 13
Schließl eröffnet die Regelung in § 641 II 1 Nr 3 dem Subunternehmer die Möglichkeit, dem Hauptunternehmer eine angemessene Frist zu setzen, in der dieser Auskunft über die nach § 641 II 1 Nr 1 u 2 maßgeblichen Umstände (Zahlungen, Abnahme) erteilen muss. Das ist theoretisch mit den soeben bereits dargestellten Einschränkungen ein relativ scharfes Schwert, weil der Vergütungsanspruch des Subunternehmers sofort nach ergebnislosem Ablauf der Frist in voller Höhe und unabhängig von der konkreten Abnahmesituation fällig wird. In der Praxis wird der Subunternehmer allerdings oft an (in der Sache) unbefriedigenden Auskünften scheitern, deren Richtigkeit er weder im Verfahren nach § 641 II noch sonst zeitnah überprüfen kann. Erweisen sie sich tatsächlich als falsch, bleiben nur Schadensersatzansprüche aus § 280 (eb...