Rn 1
§§ 644, 645 betreffen die Gefahrtragung und damit die Frage, welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn die geschuldete Werkleistung nicht erbracht werden kann oder nachträglich beeinträchtigt wird, ohne dass eine der Vertragsparteien die hierfür maßgeblichen Umstände zu vertreten hat (Staud/Peters § 644 Rz 1). Sie regeln unmittelbar nur die Vergütungsgefahr (Grüneberg/Retzlaff §§ 644/645 Rz 1; AnwK/Raab § 644 Rz 6), die freilich nur dann auf den Besteller übergehen kann, wenn er – nach allg Regeln – auch die Leistungsgefahr trägt und der Unternehmer nicht mehr iRd Erfüllung zur Herstellung des vertragsgerechten Werkes gegen Zahlung der vertraglichen Vergütung verpflichtet ist (so zutr: AnwK/Raab § 644 Rz 2). Der Regelungsgehalt der §§ 644, 645 erhellt sich in seinen Einzelheiten nur durch eine Gegenüberstellung mit den Bestimmungen des allg Schuldrechts zur Verteilung der Leistungs- und Vergütungsgefahr.
Rn 2
Der Unternehmer bleibt nach allg Regeln grds zur Leistung verpflichtet, bis der geschuldete Werkerfolg bewirkt ist – § 362 I. Er trägt also die Leistungsgefahr. Anders im Ausgangspunkt nur, wenn die Leistung gem § 275 I unmöglich wird oder vom Unternehmer gem § 275 II, III verweigert werden kann. Darüber hinaus wird er nach Abnahme von der Leistungsverpflichtung gem § 635 III frei, wenn er die Nacherfüllung wegen unverhältnismäßigen Aufwandes verweigern darf. IÜ darf der Besteller ihn nach ergebnislosem Ablauf einer angemessenen Nacherfüllungsfrist durch Geltendmachung der sich aus § 634 ergebenden Mängelrechte von weiteren Bemühungen um eine vertragsgerechte Herstellung der Werkleistungen ausschließen (s § 634 Rn 3 ff).
Rn 3
Die Vergütungsgefahr trägt der vorleistungspflichtige Unternehmer grds bis zur Abnahme – § 644 I 1. Das gilt gem § 326 I 1 vorbehaltlich der Ausnahmetatbestände in § 326 II 1 (überwiegendes Verschulden des Bestellers und Annahmeverzug) auch dann, wenn er zuvor gem § 275 I–III von der Leistungsverpflichtung frei wird. Demggü behält der Unternehmer den Anspruch auf die Gegenleistung, wenn er gem § 275 I–III die nach Abnahme geschuldete Nacherfüllung nicht zu erbringen braucht – § 326 I 2. Hat der Besteller vor der Abnahme die Verschlechterung oder den Untergang des Werkes zu vertreten, kann der Unternehmer uU Schadensersatz gem § 280 I beanspruchen (Celle BauR 10, 1234); evtl werthaltige Teilleistungen muss der Besteller bezahlen (Grüneberg/Retzlaff §§ 644, 645 Rz 4). In dieses Regelungsgefüge greift § 645 zu Gunsten des Unternehmers ein.