Gesetzestext
(1) 1Beide Vertragsparteien können den Vertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. 2Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann.
(2) Eine Teilkündigung ist möglich; sie muss sich auf einen abgrenzbaren Teil des geschuldeten Werks beziehen.
(3) § 314 Absatz 2 und 3 gilt entsprechend.
(4) 1Nach der Kündigung kann jede Vertragspartei von der anderen verlangen, dass sie an einer gemeinsamen Feststellung des Leistungsstandes mitwirkt. 2Verweigert eine Vertragspartei die Mitwirkung oder bleibt sie einem vereinbarten oder einem von der anderen Vertragspartei innerhalb einer angemessenen Frist bestimmten Termin zur Leistungsstandfeststellung fern, trifft sie die Beweislast für den Leistungsstand zum Zeitpunkt der Kündigung. 3Dies gilt nicht, wenn die Vertragspartei infolge eines Umstands fernbleibt, den sie nicht zu vertreten hat und den sie der anderen Vertragspartei unverzüglich mitgeteilt hat.
(5) Kündigt eine Vertragspartei aus wichtigem Grund, ist der Unternehmer nur berechtigt, die Vergütung zu verlangen, die auf den bis zur Kündigung erbrachten Teil des Werks entfällt.
(6) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.
A. Überblick.
Rn 1
Mit der Vorschrift des § 648a führt der Gesetzgeber die Kündigung des Werkvertrages aus wichtigem Grund ein, die er der für Dauerschuldverhältnisse geltenden Bestimmung des § 314 nachgebildet hat. Deshalb nimmt III ausdrücklich auf § 314 II und III Bezug, womit klargestellt ist, dass für die Kündigung des Werkvertrages aus wichtigem Grund die gesetzlichen Wertungen des Rücktrittsrechts gelten (§ 323) gelten, wenn der Kündigungsrund in der Verletzung einer vertraglichen Leistungspflicht besteht. IV implementiert einen wechselseitigen Anspruch der Vertragsparteien auf eine gemeinsame Feststellung des Leistungsstandes bei Wirksamwerden der Kündigung; formal knüpft die Regelung an die Zustandsfeststellung gem § 650g an, die allerdings nur für Bauverträge gilt. V stellt klar, dass der Besteller nur die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen vergüten muss. Wenn der zur Kündigung berechtigende Umstand zugleich einen schuldhaften Pflichtverstoß der gekündigten Partei darstellt, ist es der kündigenden Partei trotz der Kündigung gem VI unbenommen, nach allgemeinen Grundsätzen Schadensersatz zu beanspruchen.
B. Allgemeines/Historie.
Rn 2
Das Werkvertragsrecht kannte bis zur Reformierung des Bauvertragsrechts am 1.1.18 keinen Kündigungstatbestand ›aus wichtigem Grund‹. Es verwies den Besteller für die einseitige Beendigung des Vertrages vielmehr in erster Linie auf den Rücktritt (§§ 634 Nr 3, 323, 324), dessen Anwendungsbereich mit der Einführung des neuen Schuldrechts erheblich ausgeweitet worden war. Damit war dem Besteller freilich oft nicht geholfen, weil er insb bei umfangreichen Bauleistungen regelmäßig kein Interesse an einer Rückabwicklung der bereits empfangenen Leistungen hat (vgl § 634 Rn 9 ff). In der Sache ging es deshalb unter dem bis zum 31.12.17 geltenden Recht darum, ihm bei Pflichtverstößen des Unternehmers auch nach damaliger Rechtslage die Möglichkeit zu eröffnen, den Vertrag für die Zukunft beenden zu können, ohne nach § 648 2 auch nicht erbrachte Leistungen vergüten zu müssen. Deshalb war in Rspr und Lit seit jeher anerkannt, dass der Besteller den Werkvertrag aus wichtigem Grund kündigen kann, wenn der Unternehmer durch ein den Vertragszweck gefährdendes Verhalten die vertragliche Vertrauensgrundlage zum Besteller derart erschüttert, dass diesem eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (zum alten Recht: BGH NJW 03, 3474; BGHZ 31, 224, 229; BGH NJW 93, 1972; Hamm BauR 07, 1247 – ungeeignete Betonrezeptur). Daran hatte sich durch die Einführung des neuen Schuldrechts im Jahr 02 nichts geändert. Lediglich über die dogmatische Herleitung des Kündigungsrechts bestand Streit (ausf hierzu: Voit BauR 02, 1776). Nach zutr Auffassung war die Kündigung aus wichtigem Grund ergebnisbezogen aus einer teleologischen Reduktion des § 648 2 abzuleiten, wonach der Unternehmer hinsichtlich seines Werklohns für nicht erbrachte Leistungen auf den allg vertragsrechtlichen Grundsatz ›keine Leistung – keine Bezahlung‹ zurückgeworfen war, wenn dem Besteller aus vom Unternehmer zu verantwortenden Gründen die Fortsetzung des Vertrages nicht zugemutet werden konnte (ebenso: Voit BauR 02, 1776, 1786; NK-BGB/Raab, 3. Aufl. § 649 Rz 27; Erman/Schwenker § 649 Rz 11; vgl auch: BGH NJW 99, 3554 [BGH 24.06.1999 - VII ZR 196/98]; aA: Staud/Peters/Jacoby § 649 Rz 54 ff; Grüneberg/Retzlaff § 649 Rz 10; Sienz BauR 02, 181, 194; MüKo/Busche, 6. Aufl., § 649 Rz 31 – Analogie zu § 314; Boldt NZBau 02, 655, 657 – Teilrücktritt nach § 324).
Rn 3
Damit war auch die Grundlage für eine konsistente Beurteilung der Fälle geschaffen, in...