Prof. Dr. Oliver Fehrenbacher
Gesetzestext
1Der Beauftragte ist berechtigt, von den Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde. 2Der Beauftragte hat vor der Abweichung dem Auftraggeber Anzeige zu machen und dessen Entschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist.
A. Regelungsgehalt.
Rn 1
§ 665 enthält den Grundsatz der Bindung des Beauftragten an Weisungen des Auftraggebers. Der Beauftragte darf Weisungen aber nicht blind befolgen. Er muss die Weisungen vielmehr im Hinblick auf die konkrete Sachlage bei der Ausführung des Auftrags prüfen (hM ›denkender Gehorsam‹ MüKo/Schäfer § 665 Rz 3; Grüneberg/Grüneberg § 665 Rz 1). Maßstab ist das sich aus den Umständen ergebende Interesse des Auftraggebers bei Kenntnis der Sachlage. Vor einer Abweichung wird vom Beauftragten grds eine Anzeige an den Auftraggeber und das Abwarten einer Reaktion verlangt. Das gilt nicht, wenn mit dem Aufschub der Ausführung Gefahren verbunden sind (§ 665 2). Eine Verpflichtung zur Erteilung von Weisungen enthält die Vorschrift nicht (BGHZ 131, 347). Die entspr Anwendung der Vorschrift ist in §§ 27 III, 675, 713, 2218 I angeordnet. §§ 101, 103 KAGB schließen die Ansprüche nicht aus (BGH AG 22, 618).
B. Weisung.
Rn 2
Unter einer Weisung (gesetzlich nicht definiert) ist eine einseitige Anordnung des Auftraggebers an den Beauftragten zu verstehen, welche die Ausführung des Auftrags konkretisiert (Art und Weise). Sie ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung und kann auch nach Vertragsschluss abgegeben werden. Abzugrenzen ist die Weisung von der bloßen Empfehlung, die zwar die Pflicht zur Beachtung, aber keine Bindung des Beauftragten auslöst (häufig bei besonderer Sachkunde, zB qualifizierte Berater). Weisungen sind unterschriebene Belastungsbelege des Kreditkarteninhabers (BGHZ 152, 75) und die Einreichung eines Schecks zum Inkasso (BGHZ 118, 171; 150, 269). Das Risiko einer gefälschten Weisung trägt der Auftraggeber, wenn er einen zurechenbaren Rechtsschein hinsichtlich der Echtheit der Weisung gesetzt hat und der Beauftragte gutgläubig ist (BGH NJW 01, 2968 [BGH 17.07.2001 - XI ZR 325/00]), anderenfalls liegt das Fälschungsrisiko beim Beauftragten.
Rn 3
Der Beauftragte ist grds an die Weisung gebunden (BGHZ 98, 24; 103, 143). Weisungen sind auslegungsfähig (§ 133); Grenzen (Umstände, Art der Tätigkeit, § 242) sind zu beachten (vgl Staud/Martinek/Omlor § 665 Rz 11 f; kein Anspruch auf Unterlassung einer Garantiezahlung, Stuttg WM 13, 883). Das Überschreiten der Grenzen führt ebenso wie die Unwirksamkeit der Weisung zur Unbeachtlichkeit. Ist der Beauftragte zur Umsetzung einer wirksamen Weisung nicht gewillt, bleibt ihm nur die Kündigung des Auftrags (§ 671 I). Bei zweifelhaften oder unverständlichen Weisungen sowie bei Lücken muss der Beauftragte Rücksprache halten.
Rn 4
Der Auftraggeber ist an eine wirksame Weisung erst gebunden, wenn sie vollständig ausgeführt ist (BGH NJW 91, 2210). Vor diesem Zeitpunkt ist ein Widerruf (Willenserklärung) jederzeit möglich (BGHZ 103, 143). Die bis zum Widerruf bereits ausgelösten Rechtsfolgen bleiben unberührt (§§ 667, 670).
Rn 5
Die Bindung des Beauftragten an die Weisung besteht unabhängig davon, ob er sie für zweckmäßig oder interessengerecht hält. Bei besonderer Sachkunde kann sich eine Hinweispflicht ergeben (BGH VersR 84, 658). Weicht die Sachlage von den erkennbaren Vorstellungen des Auftraggebers ab, trifft den Beauftragten eine Anzeigepflicht. Nach Ablauf einer Frist ohne Reaktion des Auftraggebers ist der Beauftragte zur Abweichung von der Weisung, orientiert an den Interessen des Auftraggebers (vermuteter Wille), berechtigt. Die Angemessenheit der Wartefrist hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (ähnl § 147 II). Drohende Gefahr kann die Frist, aber auch die Anzeige entbehrlich machen (RGZ 114, 375), wenn mit einer Billigung durch den Auftraggeber zu rechnen ist (BGH VersR 77, 421). Die Pflicht zur nachträglichen Unterrichtung des Auftraggebers folgt aus § 666.
C. Haftung.
Rn 6
Die weisungswidrige Ausführung des Auftrags führt nicht zur Erfüllung (hM BGH NJW 71, 558 [BGH 10.12.1970 - II ZR 132/68]). Ansprüche aus §§ 666, 667, 670 werden bei weisungswidriger Ausführung nicht begründet. Ausnahmsweise kann eine geringfügige Abweichung für die Erfüllungswirkung unbeachtlich sein (BGH WM 80, 587). Der Auftraggeber kann die weisungswidrige Handlung nachträglich als Erfüllung annehmen (BGH VersR 68, 792). Dadurch entstehen auch die Folgeansprüche (BGH WM 76, 904).
Rn 7
Der Beauftragte ist dem Auftraggeber bei Verschulden zum Ersatz des kausalen Schadens verpflichtet (§§ 280 I, 249 ff). Als relevante Pflichtverletzung kommen auch die unterlassene Anzeige und ein Verstoß gegen die Wartepflicht in Betracht (RGZ 114, 375; MüKo/Schäfer § 665 Rz 27). Für die Fälle der Unmöglichkeit der Ausführung und des Verzugs gelten die allgemeinen Regeln. Der Auftraggeber hat die Erteilung der Weisung und den Inhalt zu beweisen, der Beauftragte die we...