Prof. Dr. Oliver Fehrenbacher
Gesetzestext
Wer ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, hat das Geschäft so zu führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert.
A. Einführung.
Rn 1
Die Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) begründet ein auftragsähnliches gesetzliches Schuldverhältnis. Grundlage der GoA ist eine Tätigkeit einer Person (Geschäftsführer) für eine andere (Geschäftsherr), die weder auf einem Auftrag noch einer sonstigen Berechtigung beruht (BGH NJW 09, 2590 [BGH 27.05.2009 - VIII ZR 302/07] Rz 18).
Rn 2
Willenserklärungen sind für das Entstehen des gesetzlichen Schuldverhältnisses nicht erforderlich, allerdings soll der natürliche Wille zur Geschäftsübernahme notwendig sein (Grüneberg/Retzlaff § 677 Rz 3: Abgrenzung von Gefälligkeiten; dazu auch BGH NJW 15, 2880 [BGH 23.07.2015 - III ZR 346/14] bei Gefälligkeitsfahrten zu Sportveranstaltungen; ferner zu Schönheitsreparaturen, BGH NJW 09, 2590 [BGH 27.05.2009 - VIII ZR 302/07] Rz 18). Teilweise werden insoweit die Regeln über Rechtsgeschäfte entspr herangezogen (vorzugswürdig zurückhaltend: MüKo/Schäfer § 677 Rz 16; dagegen Staud/Bergmann vor § 677 Rz 111; Erman/Dornis § 677 Rz 3). Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, muss auch im Bereich der gesetzlichen Schuldverhältnisse zwischen der Geschäftsführung ohne Auftrag und der (außerrechtlichen) Gefälligkeit ohne Auftrag unterschieden werden. Maßgeblich ist insoweit ebenfalls, wie sich dem objektiven Beobachter – nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls mit Rücksicht auf die Verkehrssitte – das Handeln des Leistenden darstellt. Gefälligkeiten des täglichen Lebens oder vergleichbare Vorgänge können insoweit regelmäßig den Tatbestand der GoA nicht erfüllen. Die GoA ist ein unvollkommen zweiseitiges Rechtsgeschäft. Die Pflichten des Geschäftsführers (§ 677) stehen in keinem Gegenseitigkeitsverhältnis zu den Pflichten des Geschäftsherrn (§§ 683, 684).
Rn 3
Die Regeln der GoA führen die auf Seiten des Geschäftsherrn und auf Seiten des Geschäftsführers bestehenden Interessen einem Ausgleich zu. Die Übernahme des Geschäfts durch den Geschäftsführer erfolgt ohne Erbitten (zB Hilfeleisten in Notfällen, Zahlung fremder Schulden, Übernahme von Sicherheiten ohne Vereinbarung, Reparatur fremder Sachen). Der Geschäftsherr wird vor der ungewollten Übernahme seiner Geschäfte und dem damit verbundenen Eindringen in seine Sphäre durch einen Schadensersatzanspruch und Privilegierungen beim Ersatz von Aufwendungen geschützt (§§ 678, 684, 687 II). Andererseits werden den Interessen des Geschäftsführers bei der Übernahme des Geschäfts aus anerkennenswerten, altruistischen Motiven (›wirtschaftliche Vertretung‹, Loyal GoA 11 S 39 ff) bspw durch einen Aufwendungsersatzanspruch (§§ 670, 683) und Privilegien bei der Haftung für Schäden (§ 680) Rechnung getragen. Die Wirkungen des Schuldverhältnisses beschränken sich auf das Innenverhältnis. Das Außenverhältnis zu Dritten bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln (§§ 164, 166: Vertretungsmacht; § 185: Verfügungsmacht). Die Nähe zum Auftrag ist unverkennbar, was den Standort der Vorschriften iRd besonderen Vertragsverhältnisse erklärt.
B. Übersicht.
Rn 4
Während §§ 677 ff Regeln für die echte GoA enthält, beschäftigt sich § 687 II mit der unechten GoA (Geschäftsanmaßung), bei der ein fremdes Geschäft in Kenntnis der Fremdheit als eigenes geführt wird. IRd echten GoA, bei der ein Geschäft für einen anderen geführt wird, lassen sich die berechtigte und die unberechtigte Geschäftsführung unterscheiden. Maßstab für die Abgrenzung ist das Interesse und der wirkliche oder mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn (§ 683) in Bezug auf die Übernahme des Geschäfts durch den Geschäftsführer. Nicht vom Regelungsbereich der Normen umfasst sind die Fälle, in denen eigene Geschäfte besorgt werden, selbst wenn insoweit der Wille zur Besorgung eines fremden Geschäfts vorliegt. Ferner finden die Regelungen wegen § 687 I keine Anwendung, wenn ein fremdes Geschäft irrtümlich als eigenes besorgt wird. Besonderheiten gelten für geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Geschäftsführer (§ 682). Die Anwendung des deutschen Rechts bestimmt sich nach den Art 39, 41, 42 EGBGB bzw Art 11 ROM II.
I. Berechtigte GoA.
Rn 5
Die berechtigte GoA zeichnet sich dadurch aus, dass die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder hilfsweise dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht (§ 683). Eine berechtigte GoA liegt ferner unabhängig vom Willen des Geschäftsherrn vor, wenn die Geschäftsführung der Erfüllung einer im öffentlichen Interesse liegenden Pflicht des Geschäftsherrn dient oder einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch befriedigt (§ 679).
Rn 6
Der Geschäftsführer hat das Geschäft so auszuführen, wie es das Interesse des Geschäftsherrn erfordert (§ 677). Anknüpfungspunkt ist das objektive Interesse mit Rücksicht auf den wirklichen oder mutmaßlichen Willen. Der Geschäftsführer hat die Üb...