Prof. Dr. Oliver Fehrenbacher
Rn 3
Der Haftungstatbestand in § 701 I setzt voraus, dass ein im Beherbergungsgewerbe tätiger Gastwirt einen Gast aufnimmt und dieser Sachen in den Betrieb einbringt, an denen ein Schaden entsteht. Das gesetzliche Schuldverhältnis wird zu jedem Gast begründet. Eigentum des Gastes an den Sachen ist nicht erforderlich. Die Drittschadensliquidation ist in § 701 gesetzlich zugelassen. Der Ersatz richtet sich nach §§ 249 ff. Der Anspruch verjährt nach §§ 195, 199. Die Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen und den Schaden trägt der Gast (MüKo/Henssler § 701 Rz 40). Für Einwendungs- und Ausschlusstatbestände liegt die Darlegungs- und Beweislast beim Gastwirt. Für Streitigkeiten zwischen Gast und Gastwirt sind die Amtsgerichte zuständig (§ 23 Nr 2b GVG).
I. Gastwirt und Beherbergungsgewerbe.
Rn 4
Die Haftung trifft nur den Gastwirt. Das können natürliche und juristische Personen sein, die als Betriebsinhaber anzusehen sind (zB Pächter, Nießbraucher). Nicht darunter fallen Verpächter und Reiseveranstalter (Ddorf NJW-RR 03, 776 [OLG Düsseldorf 02.04.2003 - 18 U 193/02]; MüKo/Henssler § 701 Rz 10).
Rn 5
Der Gastwirt muss die Beherbergung von Gästen gewerbsmäßig betreiben. Erforderlich ist die auf Gewährung von Unterkunft als Ersatz für die eigene Wohnung gerichtete Raumüberlassung einschl Serviceleistungen (Verpflegung ist nicht notwendig: RGZ 103, 9). Auf die Dauer des Aufenthalts kommt es nicht an. Der bloße Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft reicht nicht aus (BGH NJW 80, 1096 [BGH 13.02.1980 - VIII ZR 33/79]). Gleiches gilt idR bei der Vermietung von Ferienwohnungen oder der Überlassung eines Stellplatzes auf einem Campingplatz (Kobl NJW 66, 2017 [OLG Koblenz 24.05.1966 - 6 U 702/65]). An einer Beherbergung fehlt es auch bei der Durchführung von Konferenzen oder Tagungen in Hotels, soweit sich die Raumüberlassung auf den Tagungsraum beschränkt (Grüneberg/Retzlaff § 701 Rz 2). An der Gewerbsmäßigkeit fehlt es, wenn keine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt (Jugendherberge, kirchliches Freizeitheim oder Hütten, die vom Alpenverein selbst bewirtschaftet werden: LG Koblenz NJW-RR 88, 1056 [LG Koblenz 29.03.1988 - 6 S 325/87]; MüKo/Henssler § 701 Rz 14). Stellt die Beherbergung nur eine Nebenleistung dar, kommt die Haftung nach § 701 ebenfalls nicht in Betracht (Sanatorien; Altenpflege, aber auch Schlafwagenbetreiber oder Reederei: BeckOKBGB/Gehrlein § 701 Rz 4).
II. Aufnahme eines Gastes.
Rn 6
Die Aufnahme des Gastes ist ein Realakt des Wirts mit dem Ziel, den Gast in den Betrieb einzugliedern (BGHZ 63, 65). Die Eingliederung erfolgt idR durch Zuweisung eines Zimmers. Auf die Geschäftsfähigkeit der Personen kommt es für die Aufnahme nicht an (etwa Grüneberg/Retzlaff § 701 Rz 3). Gast ist auch der unentgeltlich untergebrachte Reiseleiter und Personen, die nur in den Beherbergungsvertrag einbezogen sind, wie Familienangehörige und Angestellte (BGHZ 63, 65). Besucher des Gastes oder Privatbesuche des Wirts sowie dessen Angestellte sind vom Anwendungsbereich der Norm nicht erfasst.
III. Eingebrachte Sachen.
Rn 7
Das Einbringen von Sachen wird mittels einer Fiktion bestimmt (§ 701 II). Danach gelten Sachen als eingebracht, die in die Gastwirtschaft mitgenommen werden (Nr 1 Var 1), die auf Weisung des Gastwirts oder seiner Leute außerhalb der Gastwirtschaft in einem dafür vorgesehenen Raum gelagert werden (Nr 1 Var 2) und solche, die in die Obhut des Gastwirts oder seiner Leute gegeben werden (Nr 1 Var 3). Während sich das Einbringen in den ersten beiden Varianten auf die Zeit der Beherbergung beschränkt (II Nr 1), liegt ein Einbringen in der letzten Variante auch für eine angemessene Zeit vor und nach der Beherbergung vor (Nr 2).
Rn 8
Die Haftung erfasst alle vom Gast in die Gastwirtschaft mitgebrachten Sachen (Ausnahme: § 701 IV). Neben den Gepäckstücken und deren Inhalt sind auch alle Sachen eingebracht, die der Gast bei sich führt (zB Kleider, Schmuck, Geldbeutel) oder auf Bestellung ins Hotel geliefert bekommt (BeckOKBGB/Gehrlein § 701 Rz 8). Zur Gastwirtschaft zählt der gesamte Gebäudekomplex mit Freizeiteinrichtungen, Toiletten und Restaurants (LG Koblenz NJW 83, 760 [LG Koblenz 26.11.1982 - 14 S 187/82]).
Rn 9
Werden Sachen an einen Ort außerhalb der Gastwirtschaft gebracht (zB Nebengebäude, Abstellräume), hängt das Einbringen von einer Anweisung des Gastwirts oder seiner Leute bzw der besonderen Übernahme der Obhut ab. Eine allgemeine Anweisung (zB Aushang) bezüglich eines Ortes reicht aus. Voraussetzung ist stets, dass die Sachen auch tatsächlich an den Ort gelangen. Die Übernahme der Obhut setzt eine zumindest konkludente Einigung voraus (zB Abholen von Sachen aus der Reinigung).
Rn 10
Das Einbringen wird grds durch die Dauer der Beherbergung begrenzt (§ 701 II Nr 1). Vom Gast bei der Abreise vergessene Sachen sind nicht mehr eingebracht (MüKo/Henssler § 701 Rz 10, Rz 24). Eine zwischenzeitlich entfernte Sache wird erneut eingebracht, wenn sie wieder in die Gastwirtschaft mitgenommen wird. Der Zeitraum verlängert sich um eine angemessene Frist (§ 701 II Nr 2), falls der Gastwirt oder seine Leute die ...