Gesetzestext
(1) Zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft sind alle Gesellschafter berechtigt und verpflichtet.
(2) Die Befugnis zur Geschäftsführung erstreckt sich auf alle Geschäfte, die die Teilnahme der Gesellschaft am Rechtsverkehr gewöhnlich mit sich bringt. Zur Vornahme von Geschäften, die darüber hinausgehen, ist ein Beschluss aller Gesellschafter erforderlich.
(3) Die Geschäftsführung steht allen Gesellschaftern in der Art zu, dass sie nur gemeinsam zu handeln berechtigt sind, es sei denn, dass mit dem Aufschub eines Geschäfts Gefahr für die Gesellschaft oder das Gesellschaftsvermögen verbunden ist. Dies gilt im Zweifel entsprechend, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführung mehreren Gesellschaftern zusteht.
(4) Steht nach dem Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführung allen oder mehreren Gesellschaftern in der Art zu, dass jeder allein zu handeln berechtigt ist, kann jeder andere geschäftsführungsbefugte Gesellschafter der Vornahme des Geschäfts widersprechen. Im Fall des Widerspruchs muss das Geschäft unterbleiben.
(5) Die Befugnis zur Geschäftsführung kann einem Gesellschafter durch Beschluss der anderen Gesellschafter ganz oder teilweise entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund ist insbesondere eine grobe Pflichtverletzung des Gesellschafters oder die Unfähigkeit des Gesellschafters zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung.
(6) Der Gesellschafter kann seinerseits die Geschäftsführung ganz oder teilweise kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. § 671 Absatz 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.
A. Grundlagen.
Rn 1
§ 715 gilt für die rechtsfähige GbR, aber auch für nicht rechtsfähige (§ 740 II). Handelsrechtliche Parallelnorm ist § 116 HGB. Die Vorschriften in § 715 sind dispositiv (§ 708). Zentralbegriff in § 715 ist die Geschäftsführung. Davon erfasst ist jede für die Gesellschaft unter dem Gesellschaftszweck ausgeübte Tätigkeit tatsächlicher oder rechtlicher Art (BTDrs 19/27635, 150). Abzugrenzen ist das von den Grundlagengeschäften (insb Änderugen des Gesellschaftsvertrags). Nach wie vor legt I die Geschäftsführungsbefugnis als Pflichtrecht jedes Gesellschafters fest. Eine Verfügung für die Geschäftsführung steht den Gesellschaftern nur zu, wenn das vereinbart wurde.
B. Selbstorganschaft.
Rn 2
Richtigerweise hat der Gesetzgeber am Prinzip der Selbstorganschaft festgehalten. Die Regeln zur Geschäftsführung sind davon geprägt. Die Selbstorganschaft gilt – abgesehen von § 736 IV 1 – also unverändert auch nach dem MoPeG (MüKo/Schäfer § 715 Rz 13; Servatius § 715 Rz 9; Grüneberg/Retzlaff § 715 Rz 3; aA BeckOK-BGB/Schöne § 715 Rz 8 ff) und besagt im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften für alle Personengesellschaften, dass die Geschäftsführung und die organschaftliche Vertretung zwingend den Gesellschaftern vorbehalten ist (BGH WM 01, 1056; WM 94, 237, 238). Die Befugnis zur Geschäftsführung ist demnach Ausfluss der Mitgliedschaft selbst. Dies verbietet zwar nicht eine Beteiligung Dritter an der Geschäftsführung durch den Abschluss entspr Anstellungs- oder Auftragsverhältnisse dergestalt, dass diese Aufgaben der Geschäftsführung übernehmen. Zulässig ist sogar eine umfassende Übertragung der Geschäftsführung. Entscheidend ist aber, dass zumindest ein Gesellschafter jederzeit in der Lage ist, ebenfalls die Geschäftsführung in vollem Umfang wahrzunehmen und keine Entkoppelung der Gesellschafter von der Geschäftsführung erfolgt (BGH WM 94, 237 [BGH 20.09.1993 - II ZR 204/92]; entspr zur Drittbevollmächtigung Frankf FGPrax 20, 110). Da die Geschäftsführungsbefugnis des Dritten nur abgeleitet ist, ist sie auch ohne seine Mitwirkung durch die Gesellschafter frei widerrufbar. Dementsprechend finden darauf die §§ 715 V, VI, 717 keine Anwendung.
Rn 3
Die Schaffung einer mittelbaren Fremdorganschaft ist auch durch die Übertragung der Geschäftsführung auf eine GmbH als geschäftsführende Gesellschafterin möglich (MüKo/Schäfer § 715 Rz 13; MüHdBGesR I/v Ditfurth § 7 Rz 8). Relativiert wird der Grundsatz der Selbstorganschaft durch die Rspr im Bereich der Publikumsgesellschaften aufgrund ihrer kapitalistischen Struktur (BGH NJW 06, 2980 f; ZIP 05, 1361, 1363). Weil die initiierenden Gründungsgesellschafter die Geschäftsführung vielfach nicht übernehmen können oder wollen, ist es dort zulässig, die Geschäftsführung auch ohne Widerrufsmöglichkeit für die Dauer des Anstellungsvertrags auf einen Dritten zu übertragen, wenn die organschaftliche Geschäftsführung von Gesellschaftern gewahrt bleibt (BGH NJW 06, 2980f [BGH 18.07.2006 - XI ZR 143/05]). Allerdings besteht ein Recht der Gesellschafter zum Widerruf der Vollmacht aus wichtigem Grund sowie zur außerordentlichen Kündigung (BGH aaO). Für die in Liquidation befindliche GbR gilt der Grundsatz der Selbstorganschaft ebenfalls nicht (§ 736 IV 1; Köln NJW-RR 96, 27).
C. Gewöhnliche und außergewöhnliche Maßnahmen.
Rn 4
Nach II 1, 2 sind gewöhnliche und außergewöhnliche Maßnahmen der Geschäftsführung zu unterscheiden. Das dient dem Schutz derjenigen Gesellschafter, die abweichend vom gesetzlichen Regelfall von der Geschäftsführ...