Gesetzestext
(1) Zur Vertretung der Gesellschaft sind alle Gesellschafter gemeinsam befugt, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag bestimmt etwas anderes.
(2) Die zur Gesamtvertretung nach Absatz 1 befugten Gesellschafter können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen.
(3) Die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter erstreckt sich auf alle Geschäfte der Gesellschaft. Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsbefugnis ist Dritten gegenüber unwirksam. Dies gilt insbesondere für die Beschränkung, dass sich die Vertretung nur auf bestimmte Geschäfte oder Arten von Geschäften erstreckt oder dass sie nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll.
(4) Die Vertretungsbefugnis kann einem Gesellschafter in entsprechender Anwendung von § 715 Absatz 5 ganz oder teilweise entzogen werden.
(5) Ist der Gesellschaft gegenüber eine Willenserklärung abzugeben, genügt die Abgabe gegenüber einem vertretungsbefugten Gesellschafter.
A. Überblick.
Rn 1
§ 720 regelt die organschaftliche Vertretungsmacht der Gesellschafter. Vertretungsberechtigt iSd § 720 (Außenverhältnis) und geschäftsführungsbefugt iSd § 715 (Innenverhältnis) müssen nicht dieselben Personen sein. Der – dispositive (und vgl II) – Grundsatz ist gem I die gemeinschaftliche Vertretungsmacht. § 720 gilt für die rechtsfähige GbR, egal, ob sie im Gesellschaftsregister eingetragen ist (BTDrs 19/276351, 162). Neu ist III, wonach die organschaftliche Vertretungsmacht, obwohl die GbR keine Handelsgesellschaft ist, zwingend unbeschränkt ist. IV ermöglicht die Entziehung der gesetzlichen ebenso wie der gesellschaftsvertraglich eingeräumten Vertretungsmacht.
B. Organschaftliche Vertretungsmacht.
I. Inhalt und Reichweite der Vertretung, I und III.
Rn 2
Organschaftliche Vertretung ist das rechtsgeschäftliche Handeln im Namen und mit Wirkung für und gegen die rechtsfähige GbR aufgrund der Gesellschafterstellung, sodass die GbR selbst handlungsfähig wird (auch: § 61 ZPO). Dadurch, dass diese Zuständigkeit bei den Gesellschaftern liegt, drückt das Gesetz den Grundsatz der Selbstorganschaft aus. Eine Fremdorganschaft ist nicht zulässig (Wertenbruch GmbHR 21, 1, 3) und erst nach Auflösung erlaubt (§ 736 IV). Umfasst ist von der Vertretung alles, was zur Geschäftsführung (§ 715) gehört, auch Grundstücksgeschäfte und Drittbevollmächtigungen (arg § 124 IV 1 HGB). Nicht erfasst von der Vertretungsmacht sind Grundlagengeschäfte (BGH NJW 16, 2492 [BGH 11.05.2016 - XII ZR 147/14] Rz 25; Saarbr NZG 09, 22, 23 [OLG Saarbrücken 06.03.2008 - 8 U 447/06]; Stuttg NZG 09, 1303 [OLG Stuttgart 11.03.2009 - 14 U 7/08]). Angesichts der organschaftlichen Stellung ist Vertreterwissen entspr § 31 auf die GbR zuzurechnen (BGH NJW 03, 1445 [BGH 24.02.2003 - II ZR 385/99]).
Rn 3
Die organschaftliche Vertretungsmacht besteht nach III ggü ›Dritten‹ unbeschränkt (anders ggü Gesellschaftern). III 3 nennt nur Regelbeispiele, sodass auch weitere Binnenhindernisse unbeachtlich sind, etwa der Verstoß gegen die Geschäftsführungsordnung oder das Nichtbeachten eines Widerspruchs (§ 715 IV 2). Nicht eindeutig ist die Antwort auf die Frage, ob III im Außenverhältnis auch darüber hinweghilft, dass es sich im Innenverhältnis um ein Grundlagengeschäft handelt (vgl Servatuis § 720 Rz 22 mwN). Zutreffend ist es, die Wirksamkeit grds zu bejahen, ebenso wie bei Geschäften jenseits des Gesellschaftszwecks. Interne Beschränkungen schlagen eben nur im Fall der Evidenz oder der Kollusion nach außen durch (Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht, RGZ 136, 359, 360; BGH NZG 19, 505 [BGH 08.01.2019 - II ZR 364/18] Rz 42; NJW 96, 589, 590 [BGH 13.11.1995 - II ZR 113/94]; 89, 26, 27 [BGH 17.05.1988 - VI ZR 233/87]; 84, 1461, 1462 [BGH 05.12.1983 - II ZR 56/82]; NZG 14, 389, 390 [BGH 28.01.2014 - II ZR 371/12]; NJW-RR 04, 247, 248 [BGH 05.11.2003 - VIII ZR 218/01]). Auch für die organschaftliche Vertretung gilt § 181 und ggf anschließend § 184 (BGH NZG 10, 261 [BGH 16.12.2009 - XII ZR 146/07]). Vom Selbstkontrahierungsverbot kann Befreiung durch (auch schlüssigen) Gesellschafterbeschluss erteilt werden (BGH WM 70, 249, 251).
Rn 4
In Ausübung der organschaftlichen Vetretungsmacht können Gesellschafter Dritten Vollmacht (§§ 164 ff) für die GbR erteilen (BTDrs 19/276351, 161), auch für Grundstücksgeschäfte (Oldbg RNotZ 16, 247; Reymann DNotZ 21, 103, 120f) oder Generalvollmacht (BGH DNotZ 11, 361 [BGH 20.01.2011 - V ZB 266/10]), aber das räumt diesen Bevollmächtigten nicht ihrerseits eine organschaftliche Stellung ein. Prokuraerteilung ist nicht möglich, auch nicht bei der eGbR (BTDrs aaO). Zulässig soll es nach der Rspr sein (str), dass sich die organschaftlichen Vertreter parallel zu ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht zugleich gegenseitig rechtgeschäftlich bevollmächtigten (BGH NZG 05, 345 [BGH 14.02.2005 - II ZR 11/03]; aA Wertenbruch NZG 05, 465).
Rn 5
Nach dem gesetzlichen Normalstatut gilt Gesamtvertretung. Alle organschaftlichen Vertreter sind daher zur Willenserklärung berufen, sei es miteinander, sei es zeitlich versetzt, und der für die ...