Prof. Dr. Eckart Brödermann
Rn 35
Bei Bürgschaften von Gesellschaftern und Geschäftsführern für ihre Gesellschaft besteht auch bei krasser finanzieller Überforderung keine Vermutung der Sittenwidrigkeit. Ein Kreditinstitut hat grds ein berechtigtes Interesse daran, die persönliche Haftung maßgeblich beteiligter (Geschäftsführer-)Gesellschafter für Geschäftskredite zu verlangen (BGH NJW 02, 956; 02, 1337, 1338). Der Darlehensgeber darf iA davon ausgehen, dass die Bürgenhaftung in diesen Fällen kein unzumutbares Risiko darstellt: Der Gesellschafter-Bürge wird sich idR aus eigenem finanziellen Interesse an der Hauptschuldner-Gesellschaft beteiligt haben (BGHZ 137, 329, 336; BGH NJW 00, 1179, 1181; s.a. NJW-RR 02, 1130: Mönch als Bürge). Bei reiner Geschäftsführerstellung kann eine Ehegattenbürgschaft wegen krasser Überforderung sittenwidrig sein (BGH NJW 02, 2230 f [BGH 14.05.2002 - XI ZR 81/01]; Kobl BeckRS 08, 07128: Ehefrau im Verwaltungsrat einer luxemburgischen Gesellschaft).
Rn 36
Nur bei unbedeutenden Bagatell- und Splitterbeteiligungen des bürgenden Gesellschafters ist eine andere Beurteilung – und damit die Annahme der Sittenwidrigkeit – denkbar (BGH WM 03, 275, 276: 10 %-iger GmbH-Anteil noch maßgeblich; noch darunter Kobl BeckRS 08, 02910 mit Arg aus 1 %-Grenze in § 17 EStG; die Beteiligungsgrenze ist hier damit wesentlich niedriger als bei der Prüfung von § 307: s Rn 19).
Rn 37
Gleiches gilt für die Bürgschaft eines Kommanditisten für die Verbindlichkeiten der KG (BGH NJW 02, 2634, 2635). Unerheblich ist es, ob der bürgende Gesellschafter lediglich Strohmann ist (BGHZ 137, 329, 336 f; NJW 02, 956; 02, 2634, 2635), es sei denn, der Darlehensgeber weiß bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages positiv oder muss offensichtlich wissen (›darf … davor nicht die Augen verschließen‹), dass der Bürge wirtschaftlich nicht beteiligt ist und nur aus emotionaler Verbundenheit handelt (BGHZ 137, 329, 337; NJW 02, 1337, 1339; 02, 2634, 2635).
Rn 38
Beim Handlungsbevollmächtigten ist im Einzelfall zu prüfen, ob er hinreichende Einflussmöglichkeiten hat, die das Risiko zumutbar erscheinen lassen (vgl BGH NJW 00, 1179, 1181 [BGH 16.12.1999 - IX ZR 36/98]: Geschäftsleitung anstelle des Geschäftsführers reicht aus).
Rn 39
Der Bürge trägt die Darlegungs- und Beweislast für seine krasse finanzielle Überforderung, für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes (zB nur unerhebliche Beteiligung oder Einflussmöglichkeit, emotionale Verbundenheit ohne eigenes wirtschaftliches Interesse) und für die Kenntnis oder das Kennen-Müssens des Gläubigers (vgl BGH NJW 02, 1337 [BGH 18.09.2001 - IX ZR 183/00]). Der Gläubiger hat eine zu erwartende Verbesserung der finanziellen Lage des Bürgen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beweisen, die das Unwerturteil des § 138 entfallen lässt (Köln WM 09, 2040, 2041).