Prof. Dr. Petra Buck-Heeb
Gesetzestext
(1) 1Der Anspruch aus einer Schuldverschreibung auf den Inhaber erlischt mit dem Ablauf von dreißig Jahren nach dem Eintritt der für die Leistung bestimmten Zeit, wenn nicht die Urkunde vor dem Ablauf der dreißig Jahre dem Aussteller zur Einlösung vorgelegt wird. 2Erfolgt die Vorlegung, so verjährt der Anspruch in zwei Jahren von dem Ende der Vorlegungsfrist an. 3Der Vorlegung steht die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs aus der Urkunde gleich.
(2) 1Bei Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheinen beträgt die Vorlegungsfrist vier Jahre. 2Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in welchem die für die Leistung bestimmte Zeit eintritt.
(3) Die Dauer und der Beginn der Vorlegungsfrist können von dem Aussteller in der Urkunde anders bestimmt werden.
A. Anwendbarkeit.
Rn 1
Teilweise wird § 801 auf Inhabergrundschuldbriefe aufgrund des § 902 als nicht anwendbar angesehen (Staud/Marburger Rz 11; aA Soergel/Welter Rz 8). Auf Erneuerungsscheine (s § 805) findet § 801 keine Anwendung; ebenso wenig auf Inhaberpapiere, die keine Leistungspflichten verbriefen (zB Inhaberaktien). § 801 gilt nur für die verbriefte Hauptforderung, nicht für den dort mitverbrieften Zinsanspruch; auch eine entspr Anwendung ist abzulehnen (BGH WM 16, 819, 821), so dass hierfür die §§ 195, 199 gelten (Grüneberg WM 16, 1621, 1624). Für Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheine enthält § 801 II eine Sonderregelung. Hier gilt eine vierjährige Vorlegungsfrist, die mit Ablauf des Jahres beginnt, in welchem der Anspruch fällig wird.
B. Versäumung der Vorlegungsfrist.
I. Vorlegungserfordernis und Vorlegungsfrist.
Rn 2
Der Inhaber muss die Inhaberschuldverschreibung bzw das an die Stelle der für kraftlos erklärten Urkunde tretende Ausschlussurteil (§§ 799 f iVm § 1018 I ZPO) dem Aussteller zur Einlösung aushändigen (s § 797). Damit braucht der Aussteller die versprochene Leistung nur dann erbringen, wenn die Urkunde ausgehändigt wird. Das kann auch durch Übersendung an den Aussteller erfolgen. Der Vorlegung steht die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs gleich (§ 801 I 3). Wird die Vorlegung und Aushändigung verweigert, kann sich der Aussteller auf sein Leistungsverweigerungsrecht berufen.
Rn 3
Die Vorlegungsfrist ist eine Ausschlussfrist. Sie ist vAw zu beachten (vgl Erman/Schmidt-Räntsch Vor § 194, Rz 9). Der Fristbeginn bemisst sich vorrangig nach dem vom Aussteller in der Urkunde bestimmten Zeitpunkt (§ 801 III). Dabei ist § 796 zu beachten; eine individuelle Ausschlussfrist muss sich daher aus der Urkunde ergeben. Ein völliger Ausschluss der Vorlegungsfrist ist ebenso unmöglich wie ein Verzicht auf Urkundsvorlegung (RGRK/Steffen Rz 4). Ist kein Zeitpunkt bestimmt, ist die Fälligkeit der Leistung maßgeblich (§ 801 I 1). Sofern auch für diese kein Zeitpunkt festgelegt ist, ist eine Vorlage des Papiers durch den Inhaber jederzeit möglich (s § 271 I). Nach hM läuft in diesem Fall keine Vorlegungsfrist (Erman/Wilhelmi Rz 2 mwN; Grüneberg/Sprau Rz 2). Dann gilt nur die allg Verjährungsfrist. Nach aA beginnt die Frist an dem der Ausstellung oder Begebung der Urkunde folgenden Tag (MüKo/Habersack Rz 3).
Rn 4
Auch die Dauer der Vorlegungsfrist richtet sich maßgeblich nach der vom Aussteller im Papier bestimmten Frist (§ 801 III). Der Aussteller einer Schuldverschreibung kann die Vorlegungsfrist auch in AGB, die auf der Rückseite der Urkunde gedruckt sind, bestimmen (BeckRS 21, 8498, Rz 13 ff). Ist in der Urkunde keine Frist vorgesehen, beträgt die Dauer 30 Jahre (§ 801 I 1) bzw für Nebenpapiere 4 Jahre (§ 801 II). Die Frist kann lediglich durch eine Zahlungssperre (s § 802 1) gehemmt werden. Da die Vorlegungsfrist eine Ausschlussfrist ist, finden die allg Regelungen zur Hemmung und zum Neubeginn der Verjährungsfrist (§§ 203 ff, 212) keine Anwendung (Erman/Schmidt-Räntsch Vor § 194 Rz 12). Erfolgt die Vorlegung durch Übersendung der Urkunde, muss diese dem Aussteller vor Fristablauf zugehen (BGHZ 53, 332, 338), im Falle der Klageerhebung ist eine Wahrung der Frist nur bei rechtzeitiger Zustellung der Klageschrift gegeben, § 167 ZPO, dh sie muss vor Ablauf der Vorlegungsfrist zugestellt sein (BGH BKR 13, 334 Rz 32). § 270 III ZPO findet keine Anwendung (BGHZ 53, 332, 338; 75, 307, 312 zu § 261b III ZPO aF). Der Aussteller trägt für die behauptete Dauer der Vorlegungsfrist, der Inhaber für den Zeitpunkt der Vorlage die Beweislast (BeckOKBGB/Gehrlein Rz 3).
II. Rechtsfolgen einer Fristversäumung.
Rn 5
Wird die Vorlegungsfrist versäumt, erlischt das verbriefte Recht kraft Gesetzes (§ 801 I 1). Daran ändert sich auch dann grds nichts, wenn der Inhaber an der fristgerechten Vorlegung gehindert war. Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung wird als möglich angesehen, wenn die Berufung auf das Erlöschen mit Treu und Glauben unvereinbar ist und der Fortbestand des Rechts den Aussteller nicht unbillig belastet (RGRK/Steffen Rz 8; Grüneberg/Sprau Rz 1). Andere stellen darauf ab, ob die Berufung auf den Fristablauf durch den Aussteller ggü seinem früheren Verhalten rechtsmissbräuchlich ist (Staud/Marburger Rz 6 mwN). Der Anspruch aus einer Schuldverschreibung erlischt nicht nach § 801 I 1, sofern einma...