Rn 191
Wer haftet, ist nach den Verkehrspflichten zu beurteilen, dh nach der Verantwortlichkeit für Konstruktion, Fabrikation, Instruktion und Produktbeobachtung.
Rn 192
Haftpflichtig ist zunächst der Hersteller selbst. Der Alleinhersteller haftet unabhängig davon, ob es sich um einen Kleinbetrieb oder ein Großunternehmen handelt (BGHZ 116, 104, 109f). Bei arbeitsteiliger Produktion sind Endhersteller und Zulieferer für getrennte Bereiche verantwortlich: Der Zulieferer haftet für das gelieferte Produkt innerhalb von dessen bestimmungsgemäßer oder naheliegender Verwendung (BGH NJW 68, 247, 248; 96, 2224, 2225). Der Endhersteller ist verantwortlich für das Restprodukt sowie insb für Überprüfung (BGHZ 116, 104, 112 f; zumindest stichprobenartig, Oldbg NJW-RR 05, 1338), Eignung des Materials (BGH NJW 96, 2224, 2225), ordnungsgemäße Verarbeitung der zugelieferten Teile (BGH NJW 75, 1827, 1828), Auswahl (BGH VersR 72, 559, 560) und Geeignetheit des Lieferanten (zB BGHZ 67, 359, 361 f; 116, 104, 112 f; NJW 94, 3349, 3350) und ggf für Anweisungen zur Anfertigung von Einzelteilen (BGHZ 67, 359, 362; NJW 75, 1827, 1828; 94, 3349, 3350); bedenklich die Ausweitung der Haftung des Endherstellers auf Konstruktionsfehler des spezialisierten Zulieferers in Karlsr NJW-RR 95, 594, 597 [OLG Karlsruhe 02.04.1993 - 15 U 293/91]. Zu Einzelheiten insb BeckOGK/Spindler § 823 Rz 703 ff; MüKo/Wagner § 823 Rz 926 ff. Gesondert zu untersuchen sind die Haftungsadressaten innerhalb des Unternehmens. Neben der Haftung des Unternehmers selbst kommt auch eine solche von Organen oder leitenden Angestellten in Betracht. Ihre Bedeutung liegt im Vergleich zur allg Haftung für Verletzung von Organisationspflichten (s.o. Rn 128) insb in der mit den Beweiserleichterungen für den Geschädigten bei der Produkthaftung verbundenen Haftungsverschärfung und der Verjährung, die va bei fehlender Kenntnis (vgl § 199 I Nr 2) von Namen, Anschrift und Stellung dieser Personen häufig erst später zu laufen beginnt (BGH NJW 01, 964 f mwN). Der Rspr lassen sich für die Haftung von Organen oder Mitarbeitern kaum klare Regeln entnehmen (zB BGH NJW 75, 1827, 1828 f: persönliche Haftung eines Kommanditisten mit Beweislastumkehr, nach BGH NJW 87, 372, 374 aber nicht für die Verletzung von Instruktionspflichten; BGHZ 116, 104, 113 f: Beweislastumkehr für leitende Mitarbeiter nur wenn diese ausnahmsweise als ›Repräsentanten‹ des Unternehmens anzusehen sind; BGH NJW 01, 964 f, dazu insb Wagner VersR 01, 1057 ff; Foerste VersR 02, 1 ff; Medicus GmbHR 02, 809 ff, betrifft ausschließlich die Verjährung und enthält keine unmittelbaren Ausführungen zum Durchgreifen einer solchen Haftung, aber auch keine Ablehnung). Insgesamt sollte – wie in BGHZ 116, 104, 113 f vorgezeichnet – bei der Produkthaftung von Organen und leitenden Angestellten insb wegen der Beweiserleichterungen, aber auch wegen der Gefahr eines Unterlaufens von Verjährungsvorschriften, wenn die Haftung letztlich auf das Unternehmen übergewälzt wird (zB über die Prämien für D&O-Versicherungen), Zurückhaltung geübt werden (s auch Gottschalk GmbHR 15, 8, 14 f; Chibanguza/Schubmann GmbHR 19, 313, 317 ff).
Rn 193
Der Quasi-Hersteller, der ein fremdes Produkt mit seinem Namen oder seiner Marke versieht und in den Verkehr bringt, wird vom BGH grds nicht als Hersteller iSd deliktsrechtlichen Produkthaftung angesehen (insb BGH VersR 77, 839 f; NJW 80, 1219; 94, 517, 519; vgl aber auch BGH NJW 95, 1286, 1289; NJW-RR 95, 342, 343) – anders als in § 4 I 2 ProdHaftG. Eine Ausnahme gilt nur bei besonderer Bekanntheit des Quasi-Herstellers oder außergewöhnlichem Einfluss auf den Hersteller selbst (Staud/J Hager § 823 Rz F 31f). Diese Faktoren sind wichtig für die Beurteilung der Frage, ob der Quasi-Hersteller eine eigene Verkehrspflicht verletzt hat: Wenn er über den Hersteller Einfluss auf die Beschaffenheit des Produkts nimmt bzw durch seinen ›guten Namen‹ besonderes Vertrauen auf die Sicherheit des Produkts weckt und dadurch die Benutzer von sonst evtl vorgenommenen Überprüfungen absehen, kommt eine eigene Verkehrspflichtverletzung durch den Quasi-Hersteller in Betracht. IÜ erscheint hier jedoch – auch wegen der im Vergleich zum ProdHaftG fehlenden Haftungshöchstgrenzen – Zurückhaltung angebracht, will man nicht die Bedeutung des Erfordernisses einer Verkehrspflichtverletzung zu stark reduzieren. Insofern erscheint es konsequent, auch den Importeur eines Produkts nur ausnahmsweise – in vergleichbaren Fällen von Verkehrspflichtverletzungen – deliktsrechtlich zur Verantwortung zu ziehen (BGHZ 99, 167, 170 f; NJW 94, 517, 519 mwN; Celle NJW-RR 06, 526, 528 zum Import von Waren aus Billigproduktion; auch in BGH NJW 06, 1589 [BGH 28.03.2006 - VI ZR 46/05] Rz 24 wird eine besondere Verantwortung bei Importen aus dem außereuropäischen Bereich angesprochen); weitergehend § 4 II ProdHaftG für den EWR-Importeur.
Rn 194
Den Vertriebshändler treffen idR keine Sorgfaltspflichten in Bezug auf Konstruktion und Fabrikation (BGHZ 99, 167, 170 f;...