Rn 47
Die Verletzung von Immaterialgüterrechten unterliegt in erster Linie den immaterialgüterrechtlichen Spezialregelungen (§ 823 Rn 65). Daneben mag bei besonders verwerflich erscheinenden Verletzungen vereinzelt eine Heranziehung des § 826 in Betracht kommen (zB BGH NJW 77, 1062 [BGH 18.02.1977 - I ZR 112/75]; abgelehnt: Frankf GRUR-RR 05, 317, 319). Da es hier va um Schließung von Lücken im immaterialgüterrechtlichen Schutz geht, ein ergänzender Leistungsschutz aber heute in erster Linie über §§ 3 I, 4 Nr 3 UWG erfolgt, dürfte § 826 in diesem Bereich kaum noch selbstständige Bedeutung haben. Das dürfte auch in Bezug auf die Ausnutzung der Offenlegung einer technischen Lehre vor Patenterteilung gelten (dazu Stief/Meyer PharmR 22, 529, 533f). Anders mag dies im sonstigen Wettbewerbsrecht sein, wenn zB neben den Voraussetzungen von §§ 3 I, 4 Nr 4 UWG auch Sittenwidrigkeit und Vorsatz zu bejahen sind (s.u. Rn 49).
Rn 48
Eine Haftung nach § 826 kommt hingegen in Betracht, wenn die Anmeldung von Immaterialgüterrechten (und damit deren institutionalisierter Schutz) missbraucht wird, um Dritte von einem bestimmten Markt fernzuhalten (zB BGH NJW 69, 1534, 1535 [BGH 02.04.1969 - I ZR 47/67]; GRUR 86, 74, 77; 87, 292, 294; 05, 414, 417 [BGH 03.02.2005 - I ZR 45/03]; s aber auch § 8 II Nr 14 MarkenG; ähnl beim Domain-Grabbing, BGH NJW 05, 2315, 2316 [BGH 02.12.2004 - I ZR 207/01]: nicht bereits bei Registrierung eines Gattungsbegriffs; ebenso LG Braunschweig MMR 07, 195, 196 [LG Braunschweig 29.09.2006 - 9 O 503/06]; weiterhin Naumbg MMR 10, 781; umfassend G Wagner ZHR 98, 701, 703) oder zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen (BGHZ 46, 130) oder wenn die Anmeldung erschlichen wird (RGZ 140, 184, 187 ff; BGH GRUR 56, 265, 269). Umgekehrt kann § 826 evtl auch eingreifen, wenn das Immaterialgüterrecht eines anderen von einem Nutzungsberechtigten oder gar einem dieses Recht unbefugt Nutzenden angegriffen wird (BGH LM § 9 PatG Nr 6; BGHZ 4, 100); ein solches Verhalten liegt vom Unwertgehalt her noch über der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung (§ 823 Rn 85 ff). Als nicht sittenwidrig betrachtet die Rspr hingegen den Erwerb eines älteren Markenrechts, um Ansprüche während eines laufenden Rechtsstreits abzuwehren (BGHZ 150, 83 – Hotel Adlon). Im Einzelfall ist § 826 auch herangezogen worden bei nachweisbaren Vermögensschäden aufgrund der Veranlassung der vorübergehenden Nichtbenutzbarkeit einer Marke im Rahmen vertraglicher Vereinbarungen (Frankf GRUR-RS 15, 14696), die gegen § 138 verstoßen haben dürften.
Rn 49
Im Einzelfall kann in einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung im Immaterialgüter- oder Wettbewerbsrecht auch eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung liegen, etwa wenn gezielt Ansprüche geltend gemacht werden, für die keine Anspruchsberechtigung besteht, und dies in ein umfassendes Geschäftsmodell mit dem Ziel der Gebühreneinnahme zum Nachteil des Abgemahnten eingebettet ist, das von grober Rücksichtslosigkeit diesem gegenüber geprägt ist (zu einer solchen, allerdings sehr speziellen Konstellation KG MMR 18, 394 [KG Berlin 02.02.2018 - 5 U 110/16]). Diese für das Wettbewerbsrecht herausgearbeiteten Grundgedanken dürften auf immaterialgüterrechtliche Abmahnungen übertragbar sein.