Rn 7
Verrichtungsgehilfe ist derjenige, dem von einem anderen, in dessen Einflussbereich er allgemein oder im konkreten Fall steht und dem gegenüber er in gewisser Weise abhängig, insb weisungsgebunden ist, eine Tätigkeit übertragen worden ist (BGHZ 45, 311, 313; 103, 298, 303; NJW 09, 1740 Rz 11 mwN; VersR 14, 466 Rz 12). Da § 831 eine unerlaubte rechtswidrige Handlung eines Verrichtungsgehilfen voraussetzt, kommt eine Anwendung auf autonome Systeme nicht in Betracht, weil diese selbst nicht den Tatbestand einer solchen Handlung verwirklichen können (Schaub JZ 17, 342, 344 mwN zum – umstrittenen – Meinungsstand; Heiderhoff/Gramsch ZIP 20, 1937, 1943; Kollmann Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme: Analyse, Regulierung und Haftung 19, 339 ff; s.a. Müller-Hengstenberg/Kirn CR 18, 682, 686 f; G Wagner VersR 20, 717, 730; Mühlböck/Taupitz AcP 2021 179, 202 ff; Konertz/Schönhof Das technische Phänomen ›Künstliche Intelligenz‹ im allgemeinen Zivilrecht 20, 127 f; Weingart Vertragliche und außervertragliche Haftung für den Einsatz von Softwareagenten unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten und des gesamtwirtschaftlichen Nutzens 21, 317 ff; zum autonomen Fahren Rosenberger Die außervertragliche Haftung für automatisierte Fahrzeuge 22, 193 ff; Mayrhofer Außervertragliche Haftung für fremde Autonomie 23, 355 ff; ähnl Burchardi EuZW 22, 685, 687; aA offenbar Kluge/Müller InTeR 17 Beil 01, 24, 28 f; weiterhin Denga CR 18, 69, 74 f; Hacker RW 18, 243, 265 ff; Brandt MedR 19, 943, 948 f; Becker/Pordzik ZfPW 20, 334, 341; Zech Gutachten DJT 20, A 76 f; Sommer Haftung für autonome Systeme 20, 303 ff; Katzenmeier MedR 21, 859, 861 f; Borges CRi 23, 1, 4; Dötsch Außervertragliche Haftung für Künstliche Intelligenz am Beispiel von autonomen Systemen 23, 337 ff; offengelassen von Theis Der Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich 21, 301f).
a) Übertragung einer Tätigkeit.
Rn 8
Übertragen werden können Tätigkeiten jeglicher Art (rechtliche/faktische, einfache/komplizierte, entgeltliche/unentgeltliche). Die Übertragung kann ausdrücklich oder konkludent (BeckOGK/Spindler § 831 Rz 15), durch Rechtsgeschäft (das nicht wirksam sein muss, NK-BGB/Katzenmeier § 831 Rz 18) oder tatsächlichen Akt erfolgen (NK-BGB/Katzenmeier § 831 Rz 18); entscheidend ist, dass sie vom Willen des Geschäftsherrn gedeckt ist.
b) Einflussbereich des Geschäftsherrn: Weisungsgebundenheit des Verrichtungsgehilfen.
Rn 9
Zweck dieses Merkmals ist die Zuordnung des Verrichtungsgehilfen zur Sphäre des Geschäftsherrn zur Legitimierung der Haftung nach § 831. Entscheidend ist die Bindung des Verrichtungsgehilfen an Weisungen des Geschäftsherrn. Sie ist va gekennzeichnet durch Eingliederung in die Herrschafts- und Organisationssphäre des Geschäftsherrn (insb BGHZ 45, 311, 313; NJW-RR 98, 250, 251f) sowie die Befugnis des Geschäftsherrn, die Tätigkeit des Verrichtungsgehilfen jederzeit zu beschränken, zu untersagen und nach Zeit und Umfang zu bestimmen (BGHZ 45, 311, 313; WRP 12, 1517 Rz 44 f; NJW 13, 1002 Rz 15; 14, 466 Rz 12; 2797 Rz 18; krit Erman/Wilhelmi § 831 Rz 7). Nicht erforderlich ist fachliche Unterlegenheit, wirtschaftliche, soziale oder gar persönliche Abhängigkeit des Verrichtungsgehilfen vom Geschäftsherrn oder gar eine Stellung als rechtsgeschäftlicher Vertreter (BGH NJW 09, 1740 [BGH 10.03.2009 - VI ZR 39/08] Rz 10).
Rn 10
Die Abgrenzung zwischen Weisungsgebundenheit und selbstständigem Handeln ist häufig problematisch. Durch zunehmende Spezialisierung und Auslagerung bestimmter Tätigkeiten aus dem Betriebsablauf (Outsourcing) ist die Arbeitsteilung heute weit komplexer als bei Schaffung des § 831. Abzustellen ist auf den Umfang eines Weisungsrechts im Einzelfall. Danach sind nach der Rspr grds keine Verrichtungsgehilfen insb selbstständige Unternehmer (s insb BGHZ 24, 247 f; NJW-RR 03, 1457; NJW 06, 3628 Rz 8 mwN; 13, 1002 Rz 16; Nürnbg NJW-RR 20, 1344, 1345) – sofern sie nicht bestimmten Weisungen des Geschäftsherrn unterworfen sind (BGH NJW-RR 98, 250, 251 f [BGH 12.06.1997 - I ZR 36/95]; NJW 05, 3144 f: Subunternehmer als Verrichtungsgehilfe des Generalunternehmers; Hamm NJOZ 09, 4029; Ddorf GRUR-RR 13, 273, 274: weisungsgebundenes Tochterunternehmen einer Holdinggesellschaft; Frankf WRP 19, 648, 653 [OLG Frankfurt am Main 14.02.2019 - 6 U 3/18]: Vertriebsunternehmen, an welchem der Hersteller als Geschäftsherr jedenfalls die Mehrheit der Gesellschaftsanteile besitzt und dessen Geschäftstätigkeit er maßgeblich beeinflussen kann), wofür jedoch das Bestehen eines Konzernverhältnisses idR nicht ausreicht (BGH NJW 13, 1002 [BGH 06.11.2012 - VI ZR 174/11] Rz 16; stärker die Weisungsabhängigkeit betonend Grunewald NZG 18, 481, 482 f; Pordzik Transsubjektive Deliktsverantwortlichkeit 22, 102 ff; krit BeckOGK/Spindler § 831 Rz 20; s jetzt auch Schneider NZG 19, 1369, 1371, anders aber teilw für das Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft König AcP 2017, 611, 656 ff; Schall ZGR 18, 479, 492 ff; Nordhues Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern 1...