Immobilienwirtschaft: Künstliche Intelligenz in der Praxis

Künstliche Intelligenz (KI) revolutioniert die Immobilienwirtschaft: Von automatisierter Mieterkommunikation über effizientes Energiemanagement bis hin zur Schadensvorhersage. Potenziale und Anwendungsbeispiele.

Spätestens seit der Einführung von ChatGPT, der lernfähigen Chatbot-Anwendung für den Massenmarkt, ist sie in aller Munde: Künstliche Intelligenz (KI). Von einigen ist sogar als die prägende Universaltechnologie des Jahrhunderts angesehen. KI verspricht, große Informationsmengen zu analysieren und zu verarbeiten, Zusammenhänge zwischen unzähligen Sachverhalten herzustellen und daraus autonom und lernfähig Handlungsanweisungen abzuleiten.

Künstliche Intelligenz: Potenziale für die Immobilienwirtschaft

Auch für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft ergeben sich zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten, die bereits genutzt werden: Von Chatbots oder einer automatisierten Mailbox zur Kontaktaufnahme für Mieterinnen und Mieter über ein smartes Energiemanagement von Gebäuden bis hin zur intelligenten Schadensvorhersage und -abwicklung. Die Anwendung von KI kann zur Serviceverbesserung beitragen, die Effizienz steigern, die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen unterstützen und Kosten reduzieren.

Die erfolgreiche Implementierung und Nutzung von KI sind jedoch Herausforderungen verbunden. Eine der größten Hürden ist die Gewährleistung der Datenqualität und des Datenzugangs. KI-Systeme sind auf große Mengen qualitativ hochwertiger Daten angewiesen, um effektiv zu sein. Darüber hinaus erfordert die Implementierung von KI eine robuste technologische Infrastruktur, die in der Lage ist, die rechenintensiven Prozesse zu unterstützen, die für KI-Anwendungen erforderlich sind. Hier geht es auch um den Grad der Digitalisierung im jeweiligen Unternehmen.

In der aktuellen Digitalisierungsstudie vom ZIA in Zusammenarbeit mit EY Real Estate zeigt sich: 58 Prozent der Unternehmen befinden sich in fortgeschrittenen Phasen der digitalen Transformation, 37 Prozent investieren mehr als fünf Prozent ihres Jahresumsatzes in Digitalisierungsmaßnahmen und 77 Prozent sehen in KI ein kurz- bis mittelfristiges Trendpotenzial.

KI-Anwendungen in der Mieterkommunikation

Gerade in der Wohnungswirtschaft entfällt ein bedeutendes Arbeitspensum von Wohnungsunternehmen an die Bearbeitung von Serviceanfragen. Unzählige Stunden gingen mit der Beantwortung von Mieteranfragen und der Bereitstellung von Informationen verloren. Heute können KI-gesteuerte Tools diese Aufgaben übernehmen – rund um die Uhr, ohne jemals müde zu werden. Sie sind immer da, immer bereit zu helfen, und sie lernen ständig dazu, um ihren Service zu verbessern.

Praxisbeispiele sind etwa die AI-Mailbox des Anbieters Managbl.AI oder die KI-gestützten Chatbot-Anwendung Neela, die virtuelle Assistentin, von Aareon. Beide ermöglichen durch den Einsatz von KI eine automatisierte Bearbeitung von Anliegen von Mieter und eine Entlastung bei den Mitarbeitenden.

Automatisierung: Sechs Arbeitstage pro Monat sparen

Die AI-Mailbox nimmt Anrufe entgegen, gleicht Namen und Adresse mit den hinterlegten Stammdaten ab und erkennt den Anrufgrund. Die hinterlassene Nachricht wird dann mit Hilfe von KI transkribiert, per E-Mail weitergeleitet oder in ein Drittsystem überführt.

"Die Nutzung von KI-Tools bietet hohe Effizienzvorteile insbesondere bei der Telefonabwicklung in einer Zeit, wo Personal rar und eine hohe Erreichbarkeit wichtig ist", erklärt Mario Nagel, CEO und Co-Founder von Managbl.AI. "Eine interne Datenerhebung hat ergeben, dass durch die Verwendung der AI-Mailbox bei Hausverwaltungen mit etwa 1.000 Wohneinheiten ein Automatisierungspotenzial von mehr als sechs vollen Arbeitstagen im Monat erreicht und Personalkosten eingespart werden können."

Kurz gefasst: So funktioniert Künstliche Intelligenz

Die "eine" KI gibt es nicht. Der Begriff Künstliche Intelligenz beschreibt einen Bereich der Informatik, der sich mit der Schaffung von Systemen oder Maschinen befasst, die menschenähnliche Intelligenz zeigen – mit dem Unterschied, dass eine subjektive oder soziale Prägung dabei eliminiert und Zusammenhänge dadurch in einem größeren Kontext erfasst werden können.

KI-Systeme sind in der Lage, Aufgaben zu erledigen, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern – wie das Erkennen von Sprache, das Treffen von Entscheidungen, das Lösen von Problemen und das Lernen aus Erfahrungen. KI kann dabei in zwei Haupttypen unterteilt werden: Schwache KI, die auf eine bestimmte Aufgabe spezialisiert ist, und starke KI, die Aufgaben ausführen kann, die menschliche Intelligenz erfordern.

Soziale Nachhaltigkeit ist mehrsprachig

Der Chatbot Neela funktioniert mehrsprachig und interaktiv und ermöglicht es, durch Freitexteingabe oder vorgefertigte Buttons und Textvorschläge häufig vorkommende Fragen oder Anliegen durch KI automatisiert und rund um die Uhr zu klären. Auch Schadensmeldungen können durch das Tool direkt übermittelt werden.

Durch die Verwendung von KI-basierten Tools in der Mieterkomunikation können persönliche Sprechzeiten verkürzt oder ganz aufgegeben werden. Die Mitarbeitenden haben die Möglichlichkeit, sich fokussierter auf die Bearbeitung der Anliegen zu konzentrieren, die nach wie vor menschliche Expertise erfordern. So entstehen durch die Verbindung von Mensch und Technologie mehr Effizienz, aber auch ein besserer Kundenservice.

Das zahlt auch auf das Thema ESG ein: "Mithilfe unseres mehrsprachigen Chatbots Neela können Immobilienunternehmen Sprachbarrieren durchbrechen und einen wertvollen Beitrag zur Inklusion leisten. Ein wichtiger Aspekt in Sachen soziale Nachhaltigkeit, insbesondere mit Hinblick auf die aktuell allgegenwärtige ESG-Debatte in der deutschen Immobilienwirtschaft", sagt Ethel Gürten, Produktmanagerin bei Aareon.

Besseres Energiemanagement spart Kosten und CO2

Gebäude sind nicht nur einer der größten Energiekonsumenten, sondern sind auch für knapp 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Deshalb ist ein wichtiger Bestandteil der Klimaziele, den Gebäudebetrieb bis 2045 klimaneutral zu gestalten.

KI kann für das Smart Building Management genutzt werden, indem sie zur vernetzten Steuerung des gesamten Gebäudes beiträgt – das reicht von der Erstellung von Energieverbrauchs- und Raumnutzungsprognosen über die optimierte Regelung von Heizung, Raumklima und Beleuchtung bis hin zur intelligenten Steuerung von Schließanlagen und Aufzügen. Das reduziert den Energieverbrauch und optimiert die Raumnutzung – und kann zu erheblichen Kosteneinsparungen führen sowie dabei helfen, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Praxisbeispiel ist das Regelsystem PAUL, das verpflichtenden hydraulischen Abgleich in einem Gebäude übernimmt, der in der mittelfristigen Energiesicherungsmaßnahmenverordnung (EnSimiMaV) vorgeschrieben ist. PAUL digitalisiert die Warmwasser- und Heizungsanlage und regelt die Temperatur und den Volumenstrom optimal, permanent und adaptiv, ohne dass Wohnungen für die Installation betreten werden müssen.

"Die Wohnungswirtschaft ist durch die steigende CO2-Steuer und hohen Zinsen, die unter anderem aufgrund einer schlechten Energieeffizienzklasse anfallen, mächtig unter Druck geraten. Die ersten Ergebnisse begeistern unsere Kunden, wie unter anderen die WBG Fürth. Hier konnten wir in kürzester Zeit nach der Installation bereits eine Energieeinsparung von 29 Prozent verzeichnen", berichtet Maiko Dufner, Mitgründer der PAUL Tech AG.

Gebäudebetrieb Digitalisierung PAUL Tech AG

Gebäudebetrieb: KI-gestütztes Facility Management

Ein weiterer Bereich, in dem KI die Effizienz steigern kann, ist das Facility Management. Durch den Einsatz von sogenannter Predictive Maintenance kann KI dazu dienen, Fehlfunktionen – beispielsweise an Aufzügen, der Heizungsanlage oder Wasserleitungen – zu erkennen und sogar zu prognostieren. So werden Mängel im besten Fall frühzeitig beseitigt, bevor es zum eigentlichen Schaden kommt.

Vorteile für Gebäudeeigentümer: Betriebskosten werden gesenkt und die Lebensdauer der Gebäudeinfrastruktur wird verlängert. Während Predictive Maintenance-Lösungen im Bereich der Industrie bereits etabliert sind, steht die Wohnungswirtschaft hier noch relativ am Anfang.

In der Regel basieren solche Lösungen auf IoT (Internet of Things)-Sensoren und Überwachungsgeräten, die an der technischen Gebäudeausrüstung in einer Immobilie angebracht und miteinander vernetzt sind. In Verbindung mit KI wird es möglich, die Daten intelligent zu nutzen: Die KI kann beispielsweise autonom die Heizungsanlage regulieren, wenn sie aufgrund von Wetterdaten erkennt, dass die Temperatur angepasst werden kann. Oder bei vermuteten Schäden im Aufzugsbetrieb Alarm schlagen und direkt den passenden Dienstleister für Wartung oder Reperatur automatisiert benachrichtigen.

Den Schaden erkennen, bevor er entsteht

Das Startup Preventio hat sich in diesem Bereich zunächst auf die vorausschauende Wartung von potenziellen Schäden an Wasserleitungen spezialisiert und bietet eine rein datengetriebene, KI-gestützte Plattformlösung an, die auf den Einsatz von kostenintensiven Sensoren verzichtet.

Den Kern der Lösung bilden maschinelle Lernalgorithmen, die trainiert und validiert wurden und ein branchenübergreifender Datenpool, der eine Vielzahl spezifischer Erkenntnisse kombiniert, um eine vollständige Schadensübersicht zu liefern. Durch die Nutzung vorhandener Gebäudedaten und externer Datenquellen können so Rohrverschlechterungen und -ausfälle vorhergesagt werden. Die Technologie schlägt dann Maßnahmen zur Schadensbegrenzung vor.

Andreas Bechmann, Gründer und CEO der Preventio GmbH, erklärt, dass traditionelle Ansätze der Gebäudewartung bisher reaktiv waren, doch das ändere sich nun. "Mit unserer auf künstlicher Intelligenz basierten Plattform sind wir in der Lage, das 'Unsichtbare' sichtbar zu machen. Unsere Algorithmen analysieren nicht nur die Gebäudedaten, sondern kombiniert diese mit externen Datenquellen wie Satellitendaten, um ein vollständiges Bild der Infrastrukturgesundheit zu zeichnen. So können wir Risikofaktoren frühzeitig identifizieren und präventive Wartungsmaßnahmen planen."

Schadensfall: KI erleichtert den Abwicklungsprozess

Ist es in einem Wohngebäude doch zum Schadensfall gekommen, ist die Abwicklung häufig eine komplexe und aufwändige Angelegenheit. Der Prozess reicht von der Meldung des Schadens und der Reparaturbeauftragung und -steuerung über die Bearbeitung der Zahlung an die Handwerker bis hin zum Management der Positionen im ERP-System.

Dass hier hier viele verschiedene Aktreure involviert sind, macht den Ablauf nicht weniger kompliziert: Dazu gehören Mieter, Wohnungsunternehmen, Handwerker, Versicherungsmakler und Versicherungen sowie Gutachter. Auch hier können KI-basierte Tools dabei helfen, die zeitaufwändige Bearbeitung zu erleichtern und mögliche Schnittstellenverluste zu verhindern.

"In der Bearbeitung von Versicherungsschäden ist KI ein echter Gamechanger. Ob das Abtippen von Rechnungsdokumenten, das Zusammenstellen von Schadenakten oder die eigentliche Deckungsprüfung: Was früher oft Wochen gedauert hat, geht jetzt in Minuten", fasst Dr. Sami Charaf Eddine, Geschäftsführer von Claimflow zusammen. Claimflow bietet eine Plattformlösung, die Versicherungsmakler und alle weiteren Beteiligten des Schadenmanagements vernetzt und sämtliche Prozesse der Schadenabwicklung synchronisiert. Eine zentrale Rolle spielt Hyperautomation mit Hilfe robotergesteuerter Prozessautomatisierung und KI. Die Vorteile: Handwerksbetriebe erhalten ihr Geld schneller und wochenlange Vorfinanzierung entfällt.

Die Beispiele zeigen: KI ist schon in vielen Bereichen der Wohnungswirtschaft verankert. Und Experten sind sich einig: Sie hat das Potenzial, die Immobilienbranche insgesamt grundlegend zu verändern. So stuft auch ein Bericht des Maklerunternehmens JLL KI und generative KI unter den Top-drei-Technologien ein, die in den kommenden drei Jahren voraussichtlich den größten Einfluss auf die Immobilienbranche haben werden. Es wird erwartet, dass KI die Produktivität steigert, neue Märkte und Asset-Typen hervorbringt und Innovationen in Investment- und Umsatzmodellen ermöglicht.


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