Gesetzestext
(1) 1Wird durch den Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen mit einem Grundstück verbundenen Werkes oder durch die Ablösung von Teilen des Gebäudes oder des Werkes ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Besitzer des Grundstücks, sofern der Einsturz oder die Ablösung die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung ist, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 2Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Besitzer zum Zwecke der Abwendung der Gefahr die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat.
(2) Ein früherer Besitzer des Grundstücks ist für den Schaden verantwortlich, wenn der Einsturz oder die Ablösung innerhalb eines Jahres nach der Beendigung seines Besitzes eintritt, es sei denn, dass er während seines Besitzes die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder ein späterer Besitzer durch Beobachtung dieser Sorgfalt die Gefahr hätte abwenden können.
(3) Besitzer im Sinne dieser Vorschriften ist der Eigenbesitzer.
A. Funktion und Anwendungsbereich.
Rn 1
§ 836, der im Zusammenhang mit §§ 837 f zu sehen ist, ist eine Ausprägung der Haftung für Verletzung von Verkehrspflichten (BGHZ 58, 149, 156; VersR 06, 931 Rz 14; Staud/Bernau § 836 Rz 3; Soergel/Krause § 836 Rz 2; MüKo/Wagner § 836 Rz 2; Larenz/Canaris § 79 VI 1a). Die Besonderheit ggü der allg Haftung für Verkehrspflichtverletzung liegt in der Beweislastumkehr hinsichtlich des Verschuldens des Gebäudeunterhaltungspflichtigen und der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Einsturz des Gebäudes bzw Ablösung von Gebäudeteilen. Diese Regelungen tragen der größeren Beweisnähe des Eigenbesitzers bzw des in besonderer Weise für ein Gebäude Verantwortlichen (§ 838) Rechnung (Staud/Bernau § 836 Rz 2; MüKo/Wagner § 836 Rz 2; BeckOK/Spindler § 836 Rz 1; NK-BGB/Katzenmeier § 836 Rz 2; Larenz/Canaris § 79 VI 1a). Teilweise wird für eine entsprechende Anwendung auf bewegliche Sachen plädiert (zB Staud/Bernau § 836 Rz 14; MüKo/Wagner § 836 Rz 4 ff; BeckOK/Spindler § 836 Rz 2), was die Struktur des Haftungssystems insgesamt verändern dürfte. Der BGH hat eine Analogie zunächst abgelehnt (zB NJW 61, 1670, 1672; VersR 83, 588), die Frage später (VersR 06, 931 Rz 10) aber offengelassen. Schutz vor den von einem fehlerhaft errichteten oder mangelhaft unterhaltenen Gebäude ausgehenden Gefahren allein würde auch schon durch die allg Haftung für Verkehrspflichtverletzung gewährleistet; spezifische Zwecke der §§ 836–838 sind daher die Beweislastumkehr und die Bestimmung der Haftpflichtigen (s.a. Staud/Bernau § 836 Rz 3; MüKo/Wagner § 836 Rz 2); sie gelten auch iRd Amtshaftung (BGH NJW-RR 90, 1500, 1501 [BGH 05.04.1990 - III ZR 4/89]).
Rn 2
Es handelt sich um eine Verschuldenshaftung, auf die §§ 827–829 anwendbar sind (zum Letzteren Hamm VersR 77, 531, 532). Die allg Haftung für Verletzung von Verkehrspflichten in Bezug auf mangelhafte Bauwerke (§ 823 Rn 155 ff) dürfte im Anwendungsbereich der §§ 836 ff wegen der nach diesen Vorschriften günstigeren Beweissituation des Geschädigten keine gesonderte Bedeutung haben; sie bleibt jedoch insb für eine Haftung des Eigentümers, Bauunternehmers oder Architekten relevant. Diese und der nach §§ 836–838 Verantwortliche haften als Gesamtschuldner, § 840 I; im Innenverhältnis ist gem § 840 III der nach § 823 I Haftende allein verantwortlich. Für das Verhältnis zwischen §§ 836–838 ist zu beachten, dass eine Haftung des Gebäudeunterhaltungspflichtigen gem § 837 ggü derjenigen des Grundstücksbesitzers nach § 836 vorrangig ist. Die Haftung nach § 838 kann neben denen aus §§ 836, 837 stehen; im Innenverhältnis zwischen mehreren nach §§ 836–838 Verantwortlichen gilt § 426 (Erman/Wilhelmi § 836 Rz 15).
B. Regelungsinhalt.
I. Voraussetzungen.
1. Gebäude oder anderes mit einem Grundstück verbundenes Werk.
Rn 3
Gebäude ist ein mit dem Erdboden verbundenes, umschlossenes Bauwerk, das zum Aufenthalt von Menschen oder Tieren oder zur Unterbringung von Sachen bestimmt ist (s nur Soergel/Krause § 836 Rz 7; Staud/Bernau § 836 Rz 22). Dazu gehören auch zB Rohbauten (BGH VersR 58, 488, 489), unfertige Häuser (BGH NJW 85, 1076), Hausruinen (BGHZ 1, 103, 105; VersR 52, 207, 208; 291; NJW 61, 1670, 1671) oder Garagen (Saarbr NJW-RR 06, 1255, 1257). Mit dem Grundstück verbundenes Werk ist ein einem bestimmten Zweck dienender, nach technischen Kunst- und Erfahrungsregeln unter Verbindung mit dem Erdkörper hergestellter Gegenstand (RGZ 76, 260, 261; BGH NJW 61, 1670, 1672; Ddorf MDR 98, 1350; VersR 99, 854, 855); unerheblich ist die Dauerhaftigkeit der Herstellung (RG JW 1910, 288; BGHZ 58, 149, 155). Eine Verbindung iSd § 94 ist nicht erforderlich; es reicht, wenn eine Verbindung aufgrund der Schwerkraft hergestellt wird (Hamm VersR 97, 194; Ddorf VersR 99, 854, 855; Rostock NJW-RR 04, 825, 826). Bsp: Brücke (BGH NJW-RR 88, 853 f; 90, 1500f), fest eingebaute Schleuse (RG HRR 1930, 1104), Damm (BGHZ 58, 149, 152), Baugerüst (BGH NJW 97, 1853; 99, 2593, 2594), Treppe und Treppengeländer (RG JW 1911, 450; WarnR 1913 Nr 13), Carport (Hamm NJW-RR 95, 1230), Starkstro...