Gesetzestext
(1) Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner.
(2) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 831, 832 zum Ersatz des von einem anderen verursachten Schadens verpflichtet ist, auch der andere für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der andere allein, im Falle des § 829 der Aufsichtspflichtige allein verpflichtet.
(3) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 833 bis 838 zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, ein Dritter für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der Dritte allein verpflichtet.
A. Funktion und Anwendungsbereich.
I. Funktion.
Rn 1
§ 840 regelt die Haftung mehrerer, die nebeneinander für einen aus unerlaubter Handlung entstehenden Schaden verantwortlich sind, im Außen- und Innenverhältnis. Er verweist auf §§ 421–426 (was eine Anwendung des § 420 ausschließt) und modifiziert diese. Durch § 840 I wird das Prozess- und Insolvenzrisiko des Gläubigers zu Lasten der Schädiger verlagert (s BGHZ 85, 375, 387; Staud/Vieweg/Lorz § 840 Rz 2; NK-BGB/Katzenmeier § 840 Rz 2; BeckOK/Spindler § 840 Rz 1). § 840 enthält keine eigenständige Anspruchsgrundlage, sondern setzt die Haftung mehrerer voraus (MüKo/Wagner § 840 Rz 2 f; NK-BGB/Katzenmeier § 840 Rz 1; BeckOK/Spindler § 840 Rz 2; Staud/Vieweg § 840 Rz 3 mwN, auch zur aA in Bezug auf Nebentäter).
II. Anwendungsbereich.
1. Verantwortlichkeit mehrerer nebeneinander.
Rn 2
Eine Verantwortlichkeit mehrerer nebeneinander kann sich ergeben aus § 830 I 1, II (Mittäter, Anstifter, Gehilfen), § 830 I 2 (Beteiligte) oder aufgrund einer Nebentäterschaft in Bezug auf einen einheitlichen Schaden (zu Grenzen der Nebentäterschaft im Patentrecht BGH GRUR 07, 313 Rz 17), nicht bei Verursachung separater Teilschäden (BGHZ 17, 214, 221; 30, 203, 208; 59, 97, 101; BeckRS 20, 19424 Rz 12 mwN; BeckOK/Spindler § 840 Rz 3). Ausreichend kann auch ein Zusammentreffen einzelner Schäden in einem einheitlichen Gesamtschaden sein, zB bei zwei dicht aufeinander folgenden Verkehrsunfällen (BGH VersR 64, 49 [BGH 22.10.1963 - VI ZR 187/62]).
2. Unerlaubte Handlung.
Rn 3
Der Begriff der unerlaubten Handlung bei § 840 ist weit auszulegen und umfasst sowohl Verschuldens- als auch Gefährdungshaftung, unabhängig davon, ob sich die Haftung aus dem BGB oder aus Spezialgesetzen ergibt; auch eine Haftung aus § 829 kommt in Betracht. Sofern allerdings ein Spezialgesetz eigenständige Regelungen zur Haftung mehrerer enthält, gehen diese § 840 vor. Unerheblich ist – außerhalb des Anwendungsbereichs von §§ 840 II, III, 841 – die Art der Haftung: § 840 erfasst das Zusammentreffen mehrerer Gefährdungshaftungen (zB Tierhalter und Kfz-Halter, BGH LM § 840 Nr 5), mehrerer Verschuldenshaftungen (zB bei mehreren Verkehrssicherungspflichtigen, BGH NJW 94, 797, 798f) oder von Gefährdungs- und Verschuldenshaftung (zB Hamm NZV 07, 143, 145). Die Vorschrift ist auch anzuwenden bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung und nachbarrechtlichen Ausgleichsansprüchen, die auf Ersatz desselben Schadens gerichtet sind, nicht aber bei unterschiedlichen Schadensursachen (insb BGHZ 85, 375, 387). Über seinen Wortlaut hinaus wird § 840 teilw beim Zusammentreffen von Delikts- und Vertragsansprüchen entsprechend angewendet, wenn zwischen den Verpflichtungen ein innerer Zusammenhang besteht (RGZ 61, 56, 58 ff; BGH NJW 90, 2882, 2883f [BGH 10.05.1990 - IX ZR 113/89]).
B. Regelungsinhalt.
I. Außenverhältnis.
Rn 4
Im Außenverhältnis haften die Schädiger gem § 840 I als Gesamtschuldner iSd §§ 421 ff, dh der Gläubiger kann von jedem Ersatz des gesamten Schadens verlangen, aber insgesamt nur einmal. Probleme ergeben sich bei Haftungsprivilegierungen einzelner Schuldner sowie bei Mitverschulden des Geschädigten.
1. Haftungsprivilegierungen.
Rn 5
Bei Haftungsprivilegierungen im Außenverhältnis zugunsten einzelner Schädiger (gestörtes Gesamtschuldverhältnis, zB aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher Haftungsmilderungen, Haftungsausschlüsse oder Haftungshöchstgrenzen) stellt sich die Frage, zu wessen Lasten sich diese iE auswirken. In Betracht kommen drei Möglichkeiten (dazu zB Medicus/Petersen BürgR Rz 928 ff; BeckOGK/Förster § 840 Rz 27 ff mwN): Bleibt die Privilegierung beim Rückgriff der anderen Gesamtschuldner unberücksichtigt, wird also ein (ungestörtes) Gesamtschuldverhältnis fingiert, wirkt sich dies zu Lasten des privilegierten Schädigers aus (so die frühere Rspr, insb zu Haftungshöchstgrenzen und -beschränkungen, zB BGHZ 12, 213, 220; 58, 216, 219; s.a. BGHZ 158, 354, 364 ff; diff Staud/Vieweg/Lorz § 840 Rz 52 ff). Berücksichtigt man hingegen die Privilegierung auch im Innenverhältnis, geht dies zu Lasten der übrigen Schädiger (so zB BGHZ 103, 338, 346 ff unter ausdrücklicher Aufgabe der früheren, entgegengesetzten Rspr; BGHZ 159, 318, 323; weiterhin zu § 839 I 2 zB BGHZ 61, 351, 357 f; NJW 86, 2883, 2884 mwN). Schließlich kann auch zu Lasten des Geschädigten eine Kürzung seines Anspruchs gegen die übrigen Schädiger um den Betrag, der auf den privilegierten Schädiger entfiele, erfolgen und gleichzeitig der Regress im Innenverhältnis zugunsten des privilegierten Schädigers eingeschränkt werden ...