Rn 9
In der zweiten Alternative spricht I von einer ›Vermehrung der Bedürfnisse‹ des Verletzten. Damit sind nicht die für die Heilung nötigen Aufwendungen gemeint (s.u. Rn 11). Vielmehr geht es um die Kosten aus den verletzungsbedingten Bedürfnissen, wenn diese sich auch durch Heilungsmaßnahmen nicht beheben lassen: neben Pflegekosten (BGH VersR 92, 614) und Kosten der medizinischen Dauerversorgung (BGH VersR 91, 172) auch orthopädische und technische Hilfsmittel, vermehrte Fahrtkosten oder schmerzlindernde Medikamente (BGH NJW 56, 219, 220 [BGH 19.11.1955 - VI ZR 134/54]), selbst Kosten notwendiger Begleitung durch eine Betreuungsperson bei Behördengängen oder Freizeit- und Urlaubsaktivitäten (BGH NJW 20, 2113 [BGH 10.03.2020 - VI ZR 316/19]). Ersatzfähig sein können etwa auch die Kosten für die Anschaffung eines Kfz mit Automatikgetriebe (BGH NJW 70, 1685f [BGH 30.06.1970 - VI ZR 5/69]) oder für den behindertengerechten Umbau eines Hauses (BGH NJW 82, 757 [BGH 19.05.1981 - VI ZR 108/79]; NJW 06, 1271 [BGH 12.07.2005 - VI ZR 83/04] für Schlossumbau). Zu den Kosten von Krankenhausbesuchen durch nahe Angehörige s § 249 Rn 25. Endlich umfasst I auch die Kosten für das benötigte Pflegepersonal. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der pflegebedürftige Verletzte tatsächlich Pflegepersonal einstellt oder ob die Familie, Verwandte oder Freunde ihn pflegen und ihrerseits dafür entlohnt werden oder nicht. Der Mehrbedarf kann fiktiv abgerechnet werden, wobei dann etwa die Höhe der fiktiven Pflegekosten mit Blick auf den Nettolohn einer vergleichbaren entgeltlich eingesetzten Pflegekraft zu schätzen ist (§ 287 ZPO, BGH VersR 19, 1033, zugleich zu den Ausnahmen). Der ersatzfähige Aufwand bestimmt sich nach den Dispositionen, die ein verständiger Geschädigter in seiner besonderen Lage treffen würde; kommen zum Ausgleich der Pflegebedürftigkeit verschiedene Möglichkeiten mit unterschiedlichem Kostenaufwand in Betracht, so bestimmt sich die Höhe des Anspruchs danach, welcher Bedarf in der vom Geschädigten in zumutbarer Weise gewählten Lebensgestaltung tatsächlich anfällt. Eine Obergrenze in dem Sinne, dass der Ersatz der für die häusliche Pflege anfallenden Kosten generell auf ein bestimmbares Vielfaches der jeweiligen Heimunterbringungskosten beschränkt wäre, existiert nicht (BGH NJW 19, 362). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Fürsorge, die iRd ›üblicherweise im Krankheitsfall zu erwartenden persönlichen Zuwendung innerhalb der Familie‹ liegt, keinen Erstattungsaufwand begründet (BGH NJW 89, 766 [BGH 22.11.1988 - VI ZR 126/88]; NJW 19, 362 [BGH 28.08.2018 - VI ZR 518/16]) und daher beim Zeitaufwand herauszurechnen wäre.
Rn 10
Hier ist freilich zu prüfen, ob nicht die Ansprüche des Verletzten infolge der Kongruenz mit Leistungen eines Sozialversicherungsträgers nach § 116 I SGB X auf diesen übergegangen sind (etwa BGHZ 140, 39 ff).