Rn 24
Problematisch ist auch das Konkurrenzverhältnis des Hinterbliebenengeldes zum Schockschadensschmerzensgeld (dazu § 253 Rn 2). Zwar gibt es Konstellationen, in denen nur einer der beiden Ansprüche greift, so klammert § 844 Abs 3 Ansprüche wegen einer Verletzung des Angehörigen bewusst aus (hier ist man auf den Schockschaden angewiesen), umgekehrt greift nur § 844 Abs 3 ein, wenn es im Todesfall an einer Gesundheitsbeeinträchtigung der Hinterbliebenen fehlt. Oftmals allerdings werden beide Ansprüche tatbestandlich nebeneinander verwirklicht sein. Die Gesetzesbegründung führt hierzu aus, der Anspruch auf Ersatz des Schockschadens gehe ›dem Anspruch auf Hinterbliebenengeld vor‹ bzw. letztgenannter gehe ›in erstgenanntem auf‹. Insbesondere solle die gesetzliche Einräumung des Anspruchs auf Hinterbliebenengeld nicht dazu führen, dass ›ein (weitergehender) Anspruch auf Erstattung des Schockschadens – bei Vorliegen der Voraussetzungen – ausgeschlossen wäre‹. Was indes ›in diesem aufgehen‹ bedeuten soll, zumal, wenn Ansprüche übersteigender Höhe aus Schockschaden möglich bleiben sollen, ist nicht ganz klar (dazu deutlich Jaeger, VersR 2017, 1041, 1055). BGH NJW 23, 1438 hat darauf hingewiesen, dass beim Vergleich von Schockschadenssummen und Hinterbliebenengeld der Schockschaden noch eine Gesundheitsbeeinträchtigung kompensiere, das Hinterbliebenengeld aber ›nur‹ das seelische Leid, so dass Letzteres geringer ausfallen müsse. Hiergegen wiederum kann aber angeführt werden, dass nach der Gesetzesbegründung nicht nur die höhere Wertigkeit von Leid und Trauer betont werden sollte, sondern auch eine Annäherung ›an das Entschädigungsniveau anderer europäischer Rechtsordnungen‹ angestrebt war, die nahezu durchweg bei zT deutlich höheren Beträgen liegen (BGH aaO hat allerdings auch den ›Blick ins Ausland‹ für bei der Bemessung irrelevant gehalten). Wenn der Anspruch auf Hinterbliebenengeld als subsidiär verstanden wird, müsste vorrangig ein Anspruch auf Schockschaden verfolgt werden, obgleich dieser in der Durchsetzung ungleich schwerer darzutun ist. Umgekehrt kann der Geschädigte ›Geld verlieren‹, wenn nur der Anspruch auf Hinterbliebenengeld verfolgt wird, ohne dass ein (höherer) Schockschaden geltend gemacht wird – wegen der unterschiedlichen tatbestandlichen Folgen muss dies nicht zwingend als ein Streitgegenstand verstanden werden. Zuletzt kann der Kläger bei Einreichung der Klage auch gar nicht beurteilen, ob der Schockschadensanspruch tatsächlich ›weiter ginge‹ als das Hinterbliebenengeld, liegt doch die Bemessung in beiden Fällen im richterlichen Ermessen. Prozessual ist daher geboten, jedenfalls hilfsweise das Klagebegehren auf beide Ansprüche zu stützen, umso mehr, als dass BGH ZfS 22, 259 [BGH 08.03.2022 - VI ZB 14/21] etwa auch Schmerzensgeld und die Entschädigung für Persönlichkeitsrechtsverletzungen (dazu § 12 Rn 43) als zwei Streitgegenstände ansieht, sodass in einer nur auf Schmerzensgeld gestützten Klage die Entschädigung nicht zu prüfen wäre. Durchaus systemkonformer wäre es gleichwohl, ein Nebeneinander beider Ansprüche ohne ›Verrechnung‹ anzunehmen (so auch Jaeger, VersR 2017, 1041, 1057), nachdem auch unterschiedliche Schutzgüter (einerseits der Verlust eines Angehörigen, andererseits eine eigene – durch Trauerschmerz hervorgerufene – Gesundheitsbeeinträchtigung) betroffen sind.