Gesetzestext
Besitzt jemand eine Sache als Nießbraucher, Pfandgläubiger, Pächter, Mieter, Verwahrer oder in einem ähnlichen Verhältnis, vermöge dessen er einem anderen gegenüber auf Zeit zum Besitz berechtigt oder verpflichtet ist, so ist auch der andere Besitzer (mittelbarer Besitz).
A. Normzweck.
Rn 1
Durch die Rechtsfigur des mittelbaren Besitzes wird der Grundgedanke des Besitzes als tatsächliche Sachherrschaft in erheblichem Maße durchbrochen. Hintergrund ist der Wunsch des Gesetzgebers, Besitzansprüche und insb den Besitzschutz auch einer Person zukommen zu lassen, die durch ein sog Besitzmittlungsverhältnis oder Besitzkonstitut (s.u. Rn 7) dem unmittelbaren Besitzer eng verbunden ist. Wenn nämlich ein unmittelbarer Fremdbesitzer sein Recht zum Besitz von einer anderen Person ableitet, diese andere Person als übergeordnet anerkennt und sich ihr verantwortlich fühlt, insb eine Verpflichtung zur Rückgabe des Besitzes hat, dann rechtfertigt es eine solche Situation, dem mittelbaren Besitzer eine besondere Art von Herrschaft über die Sache zuzuerkennen, die freilich nicht auf der tatsächlichen Einwirkung beruht, sondern wegen seiner rechtlichen Stellung ggü dem unmittelbaren Besitzer zustande kommt. Die Verkehrsanschauung und die sozialen Verhältnisse legen hier eine Situation nahe, in der der unmittelbare Besitzer in Anerkennung eines fremden Rechts in seiner Besitzstellung beschränkt ist und dem übergeordneten mittelbaren Besitzer im übertragenen Sinn eine gewisse Herrschaft zukommt.
B. Wesen des mittelbaren Besitzes.
Rn 2
Der mittelbare Besitz ist geprägt durch das Rechtsverhältnis zu einem unmittelbaren Besitzer, der die Sache für den mittelbaren Besitzer besitzt. Auf Grund dieses Besitzmittlungsverhältnisses (Besitzkonstitut) besteht eine gewisse Nähe und enge Verknüpfung zum unmittelbaren Besitz. Allerdings bleibt der mittelbare Besitz ein Besitz ohne tatsächliche Gewalt über die Sache. Der unmittelbare Besitzer übt die tatsächliche Sachherrschaft für eine befristete Zeit unbeschränkt aus. Die heute überwiegend vertretene Lehre, wonach der mittelbare Besitz ebenfalls tatsächliche Sachherrschaft sei, ist abzulehnen. Sie überzeugt auch nicht in der Form, dass eine gelockerte oder entferntere Sachherrschaft besteht (Soergel/Stadler § 868 Rz 2 mwN). Vielmehr ist der mittelbare Besitz durch ein Rechtsverhältnis und insb den Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers geprägt.
C. Arten, Abgrenzung und Nebenbesitz.
Rn 3
Der mittelbare Besitz kann einer einzelnen Person zustehen. Das zugrundeliegende Rechtsverhältnis kann aber auch zu mehreren Personen bestehen, die mit ihren Besitzmittlungsverhältnissen hintereinander geschaltet sind. Dadurch können sich mehrstufige mittelbare Besitzer ergeben. Denkbar ist freilich auch ein gleichstufiger mittelbarer Besitz mehrerer Personen. IÜ kann der mittelbare Besitz nach allgemeinen Regeln Allein- oder Mitbesitz sein, er kann Eigen- oder Fremdbesitz sein und er ist auch als Erbenbesitz denkbar. Dagegen schließen sich unmittelbarer und mittelbarer Besitz gegenseitig aus, ebenso mittelbarer Besitz und Besitzdienerschaft.
Rn 4
IGgs zum Verhältnis des Besitzherrn zu seinem Besitzdiener hat der mittelbare Besitzer durch seine rechtlichen Bindungen keinerlei unmittelbare Weisungsbefugnisse. Für die Zeit des Besitzmittlungsverhältnisses besteht auch kein Zugriff des mittelbaren Besitzers auf die Sache. Daher sind mittelbarer Besitzer und Besitzherr/Besitzdiener strikt voneinander zu trennen. Das Besitzmittlungsverhältnis ist auch kein Fall der Stellvertretung. Hier ist eine strikte Trennung schon deshalb erforderlich, weil es eine Vertretung im Besitz nach allg Regeln nicht gibt (RGZ 137, 23).
Rn 5
Ein besonderes Problem stellt die Figur des sog Nebenbesitzes dar. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass ein unmittelbarer Besitzer zugleich zwei verschiedenen Personen den Besitz mittelt, die ohne jedes Wissen voneinander und unverbunden nebeneinanderstehen. Soweit eine solche Situation anzuerkennen wäre, würde es sich um einen gleichstufigen mittelbaren Besitz handeln. Darin liegt zugleich das grds Problem des Nebenbesitzes. Jeder mittelbare Besitz ist davon abhängig, dass ein unmittelbarer Besitzer den Willen hat, seinen Besitz auf Grund eines Besitzmittlungsverhältnisses ausüben zu wollen und seine Herausgabepflicht ggü dem mittelbaren Besitzer anzuerkennen. Ändert der unmittelbare Besitzer seine Willensrichtung und will er einer anderen Person den Besitz mitteln, so muss dies mit der Rspr und der hM in der Weise verstanden werden, dass damit allein dem neuen mittelbaren Besitzer der Besitz vermittelt wird und das frühere Besitzmittlungsverhältnis gelöst ist (BGHZ 28, 16, 27; 50, 45, 50; NJW 79, 2037; zur Gegenauffassung Soergel/Stadler § 868 Rz 20 ff mwN). Bedeutsam ist die Figur des Nebenbesitzes insb beim gutgläubigen Erwerb iRv § 934 (§ 934 Rn 3) sowie bei der Übertragung des Anwartschaftsrechts.
D. Voraussetzungen.
I. Ableitung vom unmittelbaren Besitzer.
Rn 6
Mittelbarer Besitz setzt zwingend voraus, dass es eine andere Person gibt, die den unmittelbaren Besitz ausübt (sog Besitzmittler). Dieser unmittelbare Besitzer ist Fremdbesitze...