Gesetzestext
(1) Soweit der Erwerb eines eingetragenen Rechts oder eines Rechts an einem solchen Recht gegenüber demjenigen, zu dessen Gunsten die Vormerkung besteht, unwirksam ist, kann dieser von dem Erwerber die Zustimmung zu der Eintragung oder der Löschung verlangen, die zur Verwirklichung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs erforderlich ist.
(2) Das Gleiche gilt, wenn der Anspruch durch ein Veräußerungsverbot gesichert ist.
A. Allgemeines.
Rn 1
Nach § 883 ist eine vormerkungswidrige Verfügung dem Berechtigten der Vormerkung ggü relativ unwirksam, so dass für den Berechtigten der Anspruchsverpflichtete nach wie vor ungeschmälert Rechtsinhaber ist. Der Erfüllungsanspruch des Vormerkungsberechtigten gegen den Verpflichteten geht nicht nach § 275 unter, weil der Schuldner dem Vormerkungsberechtigten ggü wegen § 883 II verfügungsbefugt bleibt (BGHZ 105, 261). Der Verpflichtete muss nach wie vor alle zur Verschaffung des Rechts erforderlichen Erklärungen abgegeben (zB Auflassung) und ggf verklagt werden. Eine Zustimmung nach § 888 macht diese Erklärungen nicht entbehrlich (BGH NJW 90, 2460 [BGH 07.06.1990 - IX ZR 237/89]). Wird die vormerkungswidrige Verfügung im Grundbuch eingetragen, kann der Verpflichtete mangels Voreintragung (§§ 39 f GBO) das Recht jedoch nicht verschaffen und es ist die grundbuchverfahrensrechtliche Zustimmung (§ 19 GBO) des vormerkungswidrig eingetragenen Berechtigten erforderlich. Der Anspruch aus § 888 geht als unselbstständiger Hilfsanspruch durch Abtretung des gesicherten Anspruchs mit der Vormerkung auf den Zessionar über (RG JW 27, 1413).
B. Vormerkungswidrige Verfügung.
Rn 2
Vormerkungswidrig ist eine Verfügung, die den vorgemerkten Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen könnte (vgl § 883 I 2) und im Grundbuch eingetragen (vgl Dresd NJW-RR 99, 1177 [OLG Dresden 21.01.1999 - 21 U 2423/98]) bzw ohne Grundbucheintragung wirksam ist. Das Grundbuch wird nicht unrichtig, so dass auch kein Anspruch nach § 894 besteht (RGZ 132, 424). Es entsteht auch dann kein Anspruch aus § 894, wenn der Vormerkungsberechtigte als Rechtsinhaber (zB Eigentümer) eingetragen ist. § 888 gilt entspr bei Erlass eines vormerkungswidrigen Veräußerungsverbotes (BGH JZ 66, 526 [BGH 27.05.1966 - V ZR 200/63]).
C. Zustimmung.
I. Anspruch auf Zustimmung.
Rn 3
Der Berechtigte hat einen Anspruch auf die zur Eintragung des Vormerkungsberechtigten nach § 19 GBO – nicht nach § 185 (MüKo/Lettmaier Rz 2; aA nur RGRK/Augustin Rz 4) – erforderliche Zustimmung des vormerkungswidrig Eingetragenen (BayObLG NJW-RR 90, 722 [BayObLG 08.03.1990 - BReg 2 Z 9/90]) in grundbuchmäßiger Form (§ 29 GBO), und zwar entweder zur Rechtsänderung (zB zur vorgemerkten Eigentumsumschreibung) oder zur Löschung des vormerkungswidrig eingetragenen Rechts (zB Grundpfandrecht). Dazu muss der gesicherte Anspruch entstanden und fällig sein. Der Vormerkungsberechtigte muss jedoch nicht als Rechtsinhaber im Grundbuch eingetragen sein (BGH DNotZ 11, 125; Staud/Gursky Rz 36; Krüger ZNotP 2011, 82; aA Rostock v 26.10.06 – 7 U 1/06; Zweibr RNotZ 06, 469). Ist der Vormerkungsberechtigte noch nicht eingetragen, kann jedoch nur Zustimmung zur Löschung zusammen mit Eintragung des Vormerkungsberechtigten als Rechtsinhaber verlangt werden (BGH DNotZ 11, 125 [BGH 02.07.2010 - V ZR 240/09]). Die Zustimmungspflicht besteht nur, soweit die Verfügung vormerkungswidrig ist. Es kann auch die Vorlage von Grundpfandrechtsbriefen verlangt werden (KG JFG 5, 327). Kommt der Dritterwerber mit der Abgabe der Zustimmung in Verzug, haftet er nach § 286 (BGH DNotZ 16, 285 [BGH 04.12.2015 - V ZR 202/14]; Soergel/Stürner Rz 3; MüKo/Lettmaier Rz 17). Der vormerkungswidrig im Grundbuch eingetragene Dritterwerber kann nach § 267 I auch alle materiell und verfahrensrechtlich erforderlichen Erklärungen anstelle des Vormerkungsverpflichteten selber abgeben (vgl MüKo/Lettmaier Rz 16). Statt bloßer Zustimmung nach § 888 muss dann die Einigung erklärt und eine Eintragungsbewilligung abgegeben werden.
II. Gegenrechte.
Rn 4
Der Anspruch aus § 888 hängt hinsichtlich Durchsetzbarkeit und Fälligkeit (Ddorf OLGZ 77, 330) vom gesicherten Hauptanspruch ab und ist bei Rechtsmissbrauch nach § 242 einredebehaftet (BGHZ 79, 204).
1. Gegen die Vormerkung.
Rn 5
Der Dritterwerber kann Einwendungen gegen das Bestehen der Vormerkung (zB wirksame Bestellung) erheben oder geltend machen, dass der Erwerb nicht vormerkungswidrig ist, weil der Schutzbereich der Vormerkung nicht betroffen oder der Berechtigte nach § 185 – auch konkludent – der Verfügung zugestimmt hat (vgl MüKo/Lettmaier Rz 8; Soergel/Stürner Rz 5). Der Anspruch aus § 888 verjährt nicht (§ 902, BGH DNotZ 22, 376 [BGH 14.01.2022 - V ZR 245/20]; MüKo/Lettmaier Rz 9).
2. Gegen den gesicherten Anspruch.
Rn 6
Der Dritterwerber kann analog §§ 768, 1137, 1211 dem Vormerkungsberechtigten die Einreden des Schuldners des vorgemerkten Anspruchs entgegenhalten (BGH NJW 00, 3496; RGZ 144, 283), sogar wenn der Schuldner auf die Einreden verzichtet hat (Celle NJW 58, 385f [OLG Celle 01.11.1957 - 4 U 51/57]) oder der Schuldner bereits rechtskräftig zur Leistung verurteilt wurde (RGZ 53, 30f) (Grüneberg/Herrler Rz 6; Erman/Lorenz Rz 8...