Rn 11
Einwirkungen, welche die Benutzung des von ihm betroffenen benachbarten (nicht notwendig unmittelbar angrenzenden) Grundstücks nicht beeinträchtigen, müssen hingenommen werden. Entgegen der aus § 903 folgenden negativen Befugnis des Grundstückseigentümers, andere von jeder Einwirkung auszuschließen, wird hier eine die Eigentümerbefugnisse einschränkende Duldungspflicht normiert. Das geschieht im Interesse einer sinnvollen Grundstücksnutzung iRe gedeihlichen nachbarlichen Zusammenlebens (Rn 1). Die grundlose Ausübung des an sich bestehenden Abwehrrechts aus § 1004 I wird untersagt, ohne dass die Schwelle des Schikaneverbots (§ 226) überschritten sein muss.
Rn 12
Ebenfalls müssen solche Einwirkungen geduldet werden, welche die Benutzung des betroffenen Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigen. Wann das der Fall ist, beurteilt sich nach dem Empfinden eines ›verständigen Durchschnittsmenschen‹ und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist; damit können auch wertende Momente, wie zB die Beachtung des Naturschutzes und des Umweltbewusstseins der Bevölkerung (BGHZ 157, 33, 43) oder die Belange pflegebedürftiger Personen (Karlsr NJW 07, 3443, 3444), in die Beurteilung einbezogen werden. Eine entscheidende Rolle spielt auch die Natur und die tatsächliche Zweckbestimmung des von der Beeinträchtigung betroffenen Grundstücks in seiner konkreten Beschaffenheit (BGHZ 111, 63, 65).
Rn 13
Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt nach I 2, 3 idR dann vor, wenn die in Gesetzen, Rechtsverordnungen oder aufgrund des § 48 BImSchG erlassenen Verwaltungsvorschriften festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Das Einhalten solcher Werte hat Indizwirkung für die Unwesentlichkeit der gleichwohl aufgetretenen Beeinträchtigung (BGH NJW 04, 1317 [BGH 13.02.2004 - V ZR 217/03]). Die Wesentlichkeitsgrenze kann selbst dann nicht mathematisch exakt, sondern nur aufgrund wertender Beurteilung festgelegt werden, wenn die Stärke der Beeinträchtigung – wie zB bei Geräuschimmissionen – messtechnisch bestimmt werden kann (BGH NJW 03, 3699). Demnach können bspw Lärmimmissionen trotz der Überschreitung von Richtwerten unwesentlich sein, wenn sie von einer für das gesellschaftliche Zusammenleben bedeutsamen und nur an einem Tag des Jahres stattfindenden Veranstaltung ausgehen (BGH NJW 03, 3699 [BGH 26.09.2003 - V ZR 41/03]).
Rn 14
Zu den Gesetzen iSd Vorschrift gehören – abw von Art 2 EGBGB – nur Parlamentsgesetze des Bundes und der Länder; gemeindliche Satzungsvorschriften gehören nicht dazu. Das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (Fluglärmgesetz) fällt nicht unter I 2, 3, weil es nicht der Beurteilung individueller Lärmbeeinträchtigungen dient, sondern lediglich eine Grundlage für die Festlegung von Lärmschutzzonen bietet (BGH NJW 05, 660, 663). Rechtsvorschriften iSd Vorschrift sind insbes die förmlichen Verordnungen, welche auf der Grundlage der §§ 7, 23 BImSchG erlassen worden sind. Sie enthalten Anforderungen an die Errichtung, die Beschaffenheit, den Betrieb, den Zustand nach Betriebseinstellung und die betreibereigene Überwachung genehmigungsbedürftiger Anlagen bzw an die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen und zur Verhütung schwerer Unfälle. Zu nennen sind beispielhaft die 1. BImSchV (VO über Kleinfeuerungsanlagen), die 4. BImSchV (VO über genehmigungsbedürftige Anlagen), die 13. BImSchV (VO über Großfeuerungsanlagen), die 16. BImSchV (VerkehrslärmschutzVO), die 18. BImSchV (SportanlagenlärmschutzVO) und die 32. BImschV (Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung). Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG sind zB die TA-Luft und die TA-Lärm; beide enthalten Anforderungen zur Erfassung, Bewertung und Begrenzung von Immissionen und Emissionen. Solche Verwaltungsvorschriften sind nur dann maßgeblich, wenn sie aufgrund des in § 48 BImSchG vorgeschriebenen Verfahrens erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben, also den Entwicklungsstand von Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, der nach deutlich überwiegender Meinung führender Fachleute die Erreichung des vorgegebenen Ziels gesichert erscheinen lässt (BTDrs 12/425 S 88).
Rn 15
Keine Vorschriften iSv I 2, 3 sind die DIN-, VDE- und VDI-Normen sowie die den Freizeitlärm betreffenden LAI-Hinweise; sie können jedoch den Gerichten bei der Bewertung der Unwesentlichkeit oder Wesentlichkeit von Einwirkungen als Entscheidungshilfe dienen (BGH NJW 03, 3699, 3700 [BGH 26.09.2003 - V ZR 41/03]).