Gesetzestext
1Sind die Nachbarn zur Benutzung einer der in § 921 bezeichneten Einrichtungen gemeinschaftlich berechtigt, so kann jeder sie zu dem Zwecke, der sich aus ihrer Beschaffenheit ergibt, insoweit benutzen, als nicht die Mitbenutzung des anderen beeinträchtigt wird. 2Die Unterhaltungskosten sind von den Nachbarn zu gleichen Teilen zu tragen. 3Solange einer der Nachbarn an dem Fortbestand der Einrichtung ein Interesse hat, darf sie nicht ohne seine Zustimmung beseitigt oder geändert werden. 4Im Übrigen bestimmt sich das Rechtsverhältnis zwischen den Nachbarn nach den Vorschriften über die Gemeinschaft.
Rn 1
Die Vorschrift regelt die Art und den Umfang der Benutzung von Grenzanlagen iSd § 921 (§ 921 Rn 2 f). Sie findet auch auf den Fall Anwendung, dass das Recht zur gemeinschaftlichen Benutzung nicht nur nach § 921 vermutet wird, sondern auf einer Vereinbarung der beiden Grundstückseigentümer beruht. Die Vorschrift gilt nicht, wenn Benutzungsrechte dinglich gesichert sind (BGH NJW-RR 20, 897 [BGH 07.02.2020 - V ZR 128/19]).
Rn 2
Das Benutzungsrecht jedes der beiden Grundstückseigentümer erstreckt sich auf die gesamte Anlage, nicht nur auf den Teil, der sich auf dem eigenen Grundstück befindet. Von dem Recht zur Benutzung ist jedoch der Boden des Nachbargrundstücks, der von der Anlage überdeckt wird, ausgenommen.
Rn 3
Die Benutzung muss dem Zweck entspr, der sich aus der Beschaffenheit der Anlage ergibt. Eine Nachbarwand (§ 921 Rn 10 ff) darf deshalb von dem Nachbarn nur zum Anbau eines eigenen Gebäudes oder zu einem anderen Zweck wie zB zum Gebrauch als Reklamefläche (BGHZ 43, 127, 134) benutzt werden. Der Erbauer der Wand darf keine Fenster in sie einfügen. Das widerspräche zwar nicht ohne weiteres dem Zweck einer Nachbarwand, führte aber zu einer Beeinträchtigung der Mitbenutzung durch den Nachbarn. Diese braucht er nicht zu dulden, sondern kann sie nach § 1004 I abwehren (BGHZ 154, 139, 146).
Rn 4
Die Unterhaltungskosten sind von beiden Grundstückseigentümern zu gleichen Teilen zu tragen. Eine Ausnahme davon ist für den Fall zu machen, dass der eine Eigentümer an eine bereits errichtete Nachbarwand (§ 921 Rn 10 ff) anbaut, dabei jedoch nicht die gesamte Wandfläche in Anspruch nimmt. Da die Beteiligung an den Unterhaltungskosten der Ausgleich für das Mitbenutzungsrecht (§ 921 Rn 8) ist, wäre die hälftige Kostentragungspflicht unbillig. Deshalb schuldet der Nachbar nur anteilige Unterhaltungskosten entspr seinem Anteil an der benutzten Wandfläche (Karlsr NJW-RR 90, 1164, 1165 [OLG Karlsruhe 25.04.1990 - 6 U 233/89]).
Rn 5
Ein Grundstückseigentümer darf die Grenzanlage nur mit Zustimmung des anderen Eigentümers beseitigen oder verändern, wenn dieser ein Interesse an ihrem Fortbestand hat. Dem Vorbehalt der Zustimmung unterliegen auch Veränderungen in der äußeren Beschaffenheit und in dem Erscheinungsbild der Anlage (BGH NJW 85, 1458). Wird eine Grenzanlage ohne die erforderliche Zustimmung des Nachbarn entfernt, hat der einen Anspruch auf Neuerrichtung (BGH NJW 85, 1458 [BGH 23.11.1984 - V ZR 176/83]). Wird ohne Zustimmung des Nachbarn das an eine Nachbarwand (§ 921 Rn 10) angebaute Haus unter Erhaltung der Wand abgerissen, so dass deren Bestands- und Funktionsfähigkeit (zB Schutz des Nachbarhauses vor Witterungseinflüssen) beeinträchtigt wird, kann der Nachbar die Wiederherstellung dieser Fähigkeiten verlangen (BGH GrundE 12, 1309, 1310). Dasselbe gilt, wenn das an die Nachbarwand angebaute Gebäude durch einen Brand ganz oder teilweise zerstört wird (BGH ZNotP 21, 342 Rz 24).
Rn 6
Soweit § 922 keine Regelungen über die Art der Benutzung und Unterhaltung von Grenzanlagen enthält, gelten die Vorschriften der §§ 741 ff über die Gemeinschaft. Danach steht die Verwaltung der Anlage beiden Grundstückseigentümern gemeinschaftlich zu (§ 744 I). Jeder Eigentümer darf die zur Erhaltung der Anlage notwendigen Maßnahmen auch ohne Zustimmung des anderen Eigentümers treffen (§ 744 II); letztgenannter ist zur anteiligen Kostentragung verpflichtet. Zweckmäßige Maßnahmen wie zB das Anbringen einer Wärmedämmung an einer Nachbarwand muss der andere Eigentümer dulden (§ 745 II), solange er die Wand nicht selbst nutzen will (BGH NJW 08, 2032f [BGH 11.04.2008 - V ZR 158/07]). An den aus der Grenzanlage gezogenen Früchten (§ 99) gebührt jedem Eigentümer ein seinem Miteigentumsanteil (§ 921 Rn 13) entspr Anteil (§ 743 I). Früchte, die aus dem Teil der Anlage gezogen werden, der sich auf seinem Grundstück befindet, stehen dem Eigentümer allein zu (BGHZ 43, 127, 133).
Rn 7
Nicht anwendbar ist § 747 1, weil das gemeinschaftliche Benutzungsrecht (§ 921 Rn 8) Bestandteil des Grundstückseigentums ist und deshalb darüber nicht isoliert verfügt werden kann. Auch die Vorschriften über die Aufhebung der Gemeinschaft (§§ 749 ff) sind nicht anwendbar; insoweit geht § 922 3 (s Rn 5) vor.