Gesetzestext
(1) Liegen die in den §§ 987 bis 992 bezeichneten Voraussetzungen nicht vor, so hat der Besitzer die gezogenen Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft nicht als Ertrag der Sache anzusehen sind, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben; im Übrigen ist er weder zur Herausgabe von Nutzungen noch zum Schadensersatz verpflichtet.
(2) Für die Zeit, für welche dem Besitzer die Nutzungen verbleiben, findet auf ihn die Vorschrift des § 101 Anwendung.
A. Regelungsinhalt.
Rn 1
§ 993 bietet dem redlichen, noch unverklagten, durch Entgelt (arg § 988) in den nicht (mehr) berechtigten Besitz der Sache gelangten Besitzer bis zum Zeitpunkt der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis hinsichtlich des tatsächlichen Besitzrechts bzw der Rechtshängigkeit der Herausgabeklage weitgehenden Schutz: Solange der Besitzer gutgläubig von einem Besitzrecht ausgehen darf, mithin die in den §§ 987 bis 992 bezeichneten Voraussetzungen nicht vorliegen, greift die Sperrwirkung des § 993 I aE. Diese schließt Schadensersatzansprüche bzw solche bzgl Nutzungen aus (Ausnahme: Fremdbesitzerexzess). Gleiches gilt beim gutgläubigen Eigenbesitzer, was durch § 993 I Hs 2 ausdrücklich so vorgegeben wird. Die einzige Einschränkung gilt hinsichtlich gezogener Früchte, § 99: Soweit solche im Übermaß gewonnen werden (die ›nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft nicht als Ertrag der Sache anzusehen sind‹), stellen sie nicht nur eine Nutzung, sondern darüber hinausgehend einen Substanzeingriff dar. Nur dieser wird durch Verweisung auf die Vorschriften der §§ 812 ff zu Gunsten des Eigentümers ausgeglichen (Rechtsfolgeverweisung). II stellt nur eine Abgrenzungshilfe durch die Verweisung auf die Verteilung der Früchte gem § 101 bis zum Wegfall der Redlichkeit dar; der Ersatz der Gewinnungskosten (§ 102) ist zu berücksichtigen.
B. Überschreitung des vermeintlichen Besitzrechts.
Rn 2
Trotz des eindeutigen Wortlauts wird der Haftungsausschluss des redlichen Besitzers mit Ausnahme der Übermaßfruchtziehung den Fällen der Überschreitung eines vermeintlichen Besitzrechts nicht gerecht: Wer als nicht berechtigter, gutgläubiger und nicht verklagter Fremdbesitzer die Grenzen überschreitet, die nach seiner eigenen Besitzvorstellung bzw nach dem der Besitzverschaffung zu Grunde liegenden (unwirksamen) Rechtsgeschäft bestehen, kann nicht besser gestellt sein als bei berechtigtem Besitz. In letzterem Fall müsste der Besitzer zB Nutzungen herausgeben, Schadensersatz leisten etc. Deshalb ist eine teleologische Reduktion des § 993 I Hs 2 nötig. Danach werden diese Fälle nach den allgemeinen Regelungen zum Bereicherungs- und Deliktsrecht gelöst (BGHZ 46, 140, 146; jurisPK/Hans § 993 Rz 6). Dabei kann es nützlich sein, der Sache den Gedankengang zugrunde zu legen, dass eine hypothetisch vergleichende Sichtweise anzuwenden ist.