Leitsatz
Es entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Wohnungseigentümer von der Geltendmachung zweifelhafter Ansprüche (hier: auf Nutzungsentschädigung) absehen.
Normenkette
§§ 10 Abs. 7, 21 Abs. 4 WEG
Das Problem
- Wohnungseigentümerin D hat durch Umbaumaßnahmen, die die anderen Wohnungseigentümer durch Beschluss mehrheitlich gebilligt haben, eine Situation geschaffen, dass der im gemeinschaftlichen Eigentum stehende Hausflur in den Wohnbereich zweier in D's Sondereigentum stehende Wohnungen miteinbezogen ist. Faktisch nutzt D den Hausflur wie Sondereigentum unter Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer.
- Im Jahr 2012 lehnen es die Wohnungseigentümer mehrheitlich ab, von D für die Nutzung der Flurfläche eine Nutzungsentschädigung zu verlangen. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. Das Amtsgericht weist die Klage ab. Es sei nicht ermessensfehlerhaft, von der Geltendmachung von Nutzungsentschädigungsansprüchen abzusehen. Gegen diese Entscheidung wendet sich K im Wege der Berufung. Er meint, es entspreche keiner ordnungsmäßigen Verwaltung, bestehende und durchsetzbare zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend zu machen.
Die Entscheidung
- Ohne Erfolg! Ein Anspruch auf Vergütung für die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums stünde nach § 10 Abs. 7 WEG der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu.
- Grundsätzlich widerspreche es dem wohlverstandenen Interesse der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und sei mit den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung nicht zu vereinbaren, Ansprüche nicht zu verfolgen, wenn diese schlüssig dargelegt seien und begründet erschienen (Hinweis auf Drabek, in Riecke/Schmid, WEG, 3. Auflage, § 21 Rn. 149).
Anders sei es, wenn es äußerst zweifelhaft sei, ob Nutzungsentschädigungsansprüche bestünden. Es widerspreche keiner ordnungsmäßigen Verwaltung, von der Geltendmachung derartiger Ansprüche abzusehen. So aber liege es im Fall. Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung entfalle gemäß § 993 Abs. 1 BGB bei einem redlichen Besitzer.
§ 993 Haftung des redlichen Besitzers
(1) Liegen die in den §§ 987 bis 992 bezeichneten Voraussetzungen nicht vor, so hat der Besitzer die gezogenen Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft nicht als Ertrag der Sache anzusehen sind, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben; im Übrigen ist er weder zur Herausgabe von Nutzungen noch zum Schadensersatz verpflichtet.
[…]
Gemäß § 990 Abs. 1 BGB sei derjenige Besitzer unredlich, dem beim Erwerb des Besitzes bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sei, dass er gegenüber dem Eigentümer nicht zum Besitz berechtigt ist. Im Fall habe das Amtsgericht erwogen, ob in der Nutzungsbefugnis des Flures eine Leihe liege. Wenn aber bereits das Amtsgericht eine Besitzberechtigung der K für nahe liegend halte, könne K keine grob fahrlässige Unkenntnis ihrer Besitzberechtigung angelastet werden. Hinzu komme, dass ein Rechtsirrtum die Kenntnis bzw. grobe fahrlässige Unkenntnis ausschließe, wenn es sich um eine nicht ohne Weiteres zu entscheidende Rechtsfrage handle. Da die Wohnungseigentümer die der Umgestaltung des Flurbereichs genehmigt hatten, sei es der K nicht vorzuwerfen, wenn sie glaubte, den nicht in ihrem Sondereigentum stehenden Flur unter Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer nutzen zu dürfen.
Kommentar
- K ist durch den Beschluss am Hausflur ein Sondernutzungsrecht eingeräumt. Der Beschluss war und ist daher nichtig.
- Es ist vertretbar, anzunehmen, dass K redlich war. Nach dem Gerichtsverfahren ist sie es aber nicht mehr. Jedenfalls jetzt muss sie daher eine Pacht oder Miete zahlen. Nur auf diesem Weg kann es ohnehin gelingen, den Hausflur weiterhin unter Ausschluss der anderen Wohnungseigentümer zu gebrauchen.
Was ist für den Verwalter wichtig?
Der Verwalter muss nach § 27 Abs. 1 Nr. 5 WEG, alle Zahlungen bewirken, die mit der laufenden Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zusammenhängen. Bezogen auf den Fall heißt das, dass der Verwalter, wenn die Wohnungseigentümer mit K einen Mietvertrag schließen, die Miete einziehen muss.
Link zur Entscheidung
LG Itzehoe, Urteil vom 05.08.2014, 11 S 45/13