Verfahrensgang
AG Reinbek (Urteil vom 02.07.2013; Aktenzeichen 16 C 17/12) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Reinbek vom 02.07.2013 – Aktenzeichen: 16 C 17/12 – wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das vorstehend genannte Urteil des Amtsgerichts Reinbek sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Zusammenfassend ist folgendes festzuhalten:
Die Wohnungseigentümerin K. hat durch Umbaumaßnahmen im Jahr 1996 eine Situation geschaffen, dass der im Gemeinschaftseigentum stehende Hausflur in den eigentlichen Wohnbereich der in ihrem Sondereigentum stehenden nebeneinanderliegenden beiden Wohnungen miteinbezogen wird. Faktisch nutzt die Wohnungseigentümerin K. den Hausflur wie Sondereigentum unter Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer. Vor Durchführung der Umbaumaßnahmen hat sie deren Genehmigung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft beantragt. Durch Beschluss vom 12.06.1996 wurde ihrem Antrag stattgegeben.
Durch den im vorliegenden Verfahren angefochtenen Beschluss haben es die Wohnungseigentümer abgelehnt, dass die Miteigentümerin K. für die Nutzung der Flurfläche eine Nutzungsentschädigung in die Instandhaltungsrücklage zahlen soll. Das Amtsgericht hat die Anfechtungsklage abgewiesen, da es nicht ermessensfehlerhaft sei, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft von der Geltendmachung von Nutzungsentschädigungsansprüchen absehe.
Mit der Berufung wird im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Wohnungseigentümer gehalten seien, bestehende und durchsetzbare zivilrechtliche Ansprüche auch tatsächlich geltend zu machen.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Forderungen stehen nach § 10 Abs. 7 WEG dem Verband zu. Grundsätzlich widerspricht es dem wohlverstandenen Interesse des Verbandes und ist mit den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung nicht zu vereinbaren, Ansprüche nicht zu verfolgen, wenn diese schlüssig dargelegt sind und begründet erscheinen (Drabek in Riecke/Schmid, Fachanwaltskommentar Wohnungseigentumsrecht, 3. Auflage, § 21 WEG, Rn. 149).
Vorliegend ist es jedoch äußerst zweifelhaft, ob Nutzungsentschädigungsansprüche bestehen, so dass es nicht ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht, von der Geltendmachung derartiger Ansprüche abzusehen.
Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung vor Rechtshängigkeit entfällt gemäß § 993 Abs. 1 aE BGB bei einem redlichen Besitzer. Gemäß § 990 Abs. 1 BGB ist derjenige Besitzer unredlich, dem beim Erwerb des Besitzes bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass er gegenüber dem Eigentümer nicht zum Besitz berechtigt ist. Vorliegend hat das Amtsgericht in dem Beschluss vom 08.02.2013 darauf hingewiesen, dass in der eingeräumten Nutzungsbefugnis des Flures zugunsten der Eigentümerin K. durch den alleinigen Schlüsselbesitz die Annahme eines Leihvertrages hinsichtlich des Flures naheliege. Wenn schon das Amtsgericht eine Besitzberechtigung der Miteigentümerin K. für naheliegend hält, kann dieser eine grob fahrlässige Unkenntnis ihrer Besitzberechtigung nicht angelastet werden.
Hinzu kommt, dass nach der Rechtsprechung ein Rechtsirrtum die Kenntnis bzw. grobe fahrlässige Unkenntnis ausschließt, wenn es sich um eine nicht ohne weiteres zu entscheidende Rechtsfrage handelt (Baldus in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage, § 990, Rn. 4 m.w.N.). Da die Wohnungseigentümer vor der Umgestaltung des Flurbereiches die Baumaßnahmen genehmigt haben, ist es der Miteigentümerin K. nicht vorzuwerfen, wenn sie glaubte, den nicht in ihrem Sondereigentum stehenden Flur unter Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer nutzen zu dürfen.
Zwar können die Wohnungseigentümer gemäß § 21 Abs. 7 WEG über die Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums mit Stimmmehrheit beschließen, müssen es jedoch nicht. Angesichts des Umstandes, dass die Wohnungseigentümer die von der Miteigentümerin K. durchgeführten Baumaßnahmen zuvor durch Beschluss gebilligt haben, ohne dieses davon gleichzeitig abhängig zu machen, dass die Miteigentümerin K. dafür eine wirtschaftliche Gegenleistung erbringt und dieser Zustand mehr als ein Jahrzehnt so hingenommen worden ist, erscheint es nicht unbillig, wenn die Wohnungseigentümer von der mit Inkrafttreten der WEG-Novelle 2007 bestehenden Möglichkeit der Beschlussfassung gemäß § 21 Abs. 7 WEG absehen. Dass die Wohnungseigentümer im Rahmen einer sogenannten Ermessensreduzierung auf null einen derartigen Beschluss fassen müssten, ist angesichts der aufgezeigten Umstände nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 8972410 |
ZMR 2015, 56 |
ZWE 2015, 417 |