Prof. Dr. Gottfried Schiemann
Rn 3
Statt der Testamentsvollstreckung oder neben ihr kann der Erblasser seinen Willen auch durch die Erteilung einer Vollmacht über den Tod hinaus verwirklichen (dazu Weidlich ZEV 16, 57). Nach hM wird eine solche Vollmacht durch die Testamentsvollstreckung nicht berührt (BGH NJW 22, 3346 [BVerfG 01.06.2022 - 1 BvR 75/20], wichtig auch zur Auslegung; Staud/Schilken § 168 Rz 32 mwN; differenzierend Staud/Dutta vor § 2197 Rz 76). Dies entspricht der Privatautonomie des Erblassers. Freilich ist die Vollmacht widerruflich, § 168 2. Eine unwiderrufliche Vollmacht würde die Formvorschriften für das Testament und somit auch für die Testamentsvollstreckung zunichtemachen. Sie ist daher unzulässig (für Zulässigkeit aber Staud/Schilken § 168 Rz 35 mwN). Zum Widerruf berechtigt ist idR der Erbe. Deshalb ist vorgeschlagen worden, den Erben durch Verwirkungsklauseln (vgl §§ 2074, 2075 Rz 4, 7) oder eine Auflage im Testament des Erblassers am Widerruf zu hindern (NK/Kroiß vor § 2197 Rz 11 mwN). Eine solche Gestaltung greift jedoch zu sehr in die Rechtsstellung der Erben ein: Der Bevollmächtigte ist als Vertreter der Erben in der Lage, diese persönlich – auch außerhalb des Nachlasses – wenigstens nach Rechtsscheingrundsätzen zu verpflichten. In der Behinderung des Widerrufs kann daher eine unzulässige Knebelung nach § 138 I liegen (vgl NK/Kroiß § 2205 Rz 36 – Umkehrschluss aus § 2206 – mwN Fn 105, auch zur Gegenansicht). Möglich ist die Vollmachtserteilung an den Testamentsvollstrecker selbst. Dann kann er nach hM entgegen § 2205 3 und in Widerspruch zu dem Grundgedanken, dass der Erblasser mindestens den Rahmen für etwaige Vermächtnisse selbst festlegen muss, unentgeltliche Verfügungen treffen (bedenklich), va aber sogleich mit dem Erbfall und vor Annahme des Testamentsvollstreckeramtes nach § 2202 II für den Nachlass tätig werden. – BGH FamRZ 09, 1753 lässt eine transmortale Bankvollmacht für den Ehegatten zur Umschreibung des Kontos auf diesen nicht genügen.
Rn 4
Eine Vollmachtslösung wird ferner diskutiert für die Fortführung eines Unternehmens durch den Testamentsvollstrecker (zur Verwaltung von Gesellschaftsanteilen § 2205 Rn 10–13). Erteilen müssten die Vollmacht in einem solchen Fall die Erben, damit der Testamentsvollstrecker sie als Inhaber des Unternehmens persönlich verpflichten kann. Man hält dies für nötig, weil die Rspr – allerdings schon vor Jahrzehnten (grundlegend RGZ 132, 138, zuletzt BGHZ 24, 106) – eine Fortführung des Unternehmens durch den Testamentsvollstrecker kraft seiner Amtsbefugnisse mangels Haftung mit seinem Privatvermögen für unzulässig hielt. Dies kann, nachdem der Gesetzgeber selbst die Einmann-GmbH und -AG anerkannt hat, kaum noch überzeugen (idS Weidlich NJW 11, 641 ff mwN). Jedenfalls muss der Erbe die Vollmacht aber freiwillig erteilen und kann dazu nicht rechtswirksam vom Erblasser angehalten werden (vgl Rz 3).
Rn 5
Unbedenklich ist eine Treuhandlösung zur Unternehmensfortführung durch den Testamentsvollstrecker. Üblich ist die Vollrechtstreuhand, bei der alle zum Unternehmen gehörenden Gegenstände auf den Testamentsvollstrecker übertragen werden. Sie hat für diesen freilich den Nachteil seiner persönlichen Haftung. Er kann dafür nur schuldrechtlich Befreiung von den Erben verlangen (HP/Lange § 2205 Rz 30). Die Haftung wegen Altschulden, zu denen für die Erben nach Ende der Testamentsvollstreckung auch die vom Testamentsvollstrecker begründeten Schulden gehören, können Testamentsvollstrecker und Erben nach §§ 25, 27 HGB beschränken (NK/Kroiß § 2205 Rz 38 mwN).