Rn 52
Berücksichtigungswürdige Verbindlichkeiten mindern das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen (vgl auch Ziff 10.4 der Leitlinien). Schulden können allerdings nur abgezogen werden, soweit sie tatsächlich auch bedient werden (Köln FamRZ 06, 1760; Hambg FamRZ 03, 1102). Werden Einkünfte fingiert, ist auch eine fiktive Bedienung von Schuldverbindlichkeiten zu berücksichtigen.
Die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten hat aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung zu erfolgen (BGH NJW 22, 1886; FamRZ 19, 1415; 17, 109; 10, 538; Frankf FuR 19, 90; Brandbg FamRZ 19, 962).
Beim Kindesunterhalt gelten, jedenfalls wenn der Mindestbedarf nicht gedeckt werden kann, strenge Maßstäbe (BGH FamRZ 14, 923; 13, 1558; 12, 956; Dresd FamRZ 16, 1172). IRd Ehegattenunterhalts ist zu berücksichtigen, dass die ehelichen Lebensverhältnisse iSv § 1578 I 1 grds durch Umstände bestimmt werden, die bis zur Rechtskraft der Ehescheidung eingetreten sind (BVerfG FamRZ 11, 437). Bei der Bedarfsbemessung sind damit eheprägende Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. Nacheheliche Entwicklungen wirken sich auf die Bedarfsbemessung aus, wenn sie auch bei Fortbestehen der Ehe eingetreten wären oder in anderer Weise in der Ehe angelegt und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren (BVerfG FamRZ 11, 437). Bei der Bemessung der Leistungsfähigkeit nach § 1581 hingg können auch weitere Umstände berücksichtigt werden, die nicht bereits Einfluss auf die Bemessung des Bedarfs hatten. Hierzu zählen auch berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (eingehend Gerhardt FamRZ 07, 945 sowie § 1581 Rn 11). Voraussetzung ist, dass die Verbindlichkeit nicht grundlos, leichtfertig oder für luxuriöse Zwecke eingegangen wurde (grundl BGH FamRZ 84, 358; FamRZ 96, 160). Werden Kreditverpflichtungen in Kenntnis der Unterhaltspflicht für ein minderjähriges Kind begründet, sind diese grds nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen (Hamm FamRZ 20, 30). Etwas anderes gilt für Kreditbelastungen, die neben der Finanzierung einzelner Anschaffungen auch zur Ablösung von Altverbindlichkeiten verwendet werden (Kobl FamRZ 20, 97). Nach Trennung aufgenommene Kredite können einkommensmindernd berücksichtigt werden, wenn ihre Begründung als Folge der Trennung ungewöhnlich war (BGH FamRZ 08, 968). Wie bei einer Einkommensreduzierung, muss der Bedürftige auch ein Absinken des Bedarfs durch neu eingegangene, nicht vermeidbare Ausgaben hinnehmen. Da es keine Lebensstandardgarantie (mehr) gibt, trägt der Bedürftige auch die Risiken einer negativen Entwicklung der vorhandenen Mittel. Dies gilt etwa für den nach der trennungsbedingten Veräußerung eines Familienheims verbleibenden Fehlbetrag. Berücksichtigungsfähig sind auch Kreditbelastungen, die zwar nach der Trennung aufgenommen worden sind, jedoch lediglich der Ablösung oder Umschuldung eines ehelichen Kredits dienen (BGH NJW 98, 1821). Berücksichtigungsfähig sein können auch trennungsbedingte Kosten für Neuanschaffungen, etwa für den Kauf neuer Möbel.
Rn 52a
Auch Mietaufwendungen für die frühere Ehewohnung sind einkommensmindernd zu berücksichtigen, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte die Wohnung verlassen hat und diese weiterhin von dem Pflichtigen bewohnt wird (Arg: diese Belastung kann er sich frühestens nach Ablauf einer den Ehegatten zuzubilligenden Überlegungs- und vertraglichen Kündigungsfrist entziehen (Kobl FamRZ 20, 97).
Jedenfalls iRd Leistungsfähigkeit werden trennungsbedingt notwendig eingegangene Verbindlichkeiten (Anschaffung neuer Möbel (Bradbg FuR 17, 92), Kreditrate für einen beruflich benötigten Pkw etc) anzuerkennen sein. Dies gilt jedoch nicht etwa für eine Kreditbelastung, die aus der Finanzierung des Zugewinnausgleichs resultiert, da andernfalls der Zugewinnausgleichsberechtigte den vom Gegner geschuldeten Zugewinn selbst finanzieren würde (fehlerhaft daher Zweibrücken NZFam 15, 925). Bei vermögensbildenden Krediten ist zu differenzieren. Handelt sich um eine gemeinsame Vermögensbildung der Eheleute, ist diese berücksichtigungsfähig, nicht jedoch bei einseitiger Vermögensbildung nach Rechtshängigkeit des Ehescheidungsverfahrens, es sei denn, es handelt sich um angemessene Altersvorsorge (BGH FamRZ 14, 1098; 00, 950; Hamm NJW 15, 3458, Tilgungsleistungen für selbst genutzte Immobilie beim Elternunterhalt). Bedeutsame Umstände für die stets gebotene Interessenabwägung (eingehend BGH ZFE 07, 189; FamRZ 02, 536; Hamm FamRZ 14, 1710: Bei Einkommen von 3.000,– EUR Sparrate von 300,– EUR akzeptabel; Stuttg FamRZ 07, 1839) sind eine verschärfte Unterhaltspflicht (§ 1603 II, Dresden FamRZ 16, 1172), Zweck der Verbindlichkeit, Zeitpunkt und Art der Entstehung der Verbindlichkeit, Höhe der Schuld (unter 100 EUR ggf aus dem Selbstbehalt zu tragen Kobl NJW-RR 14, 4), Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse (Kredit zur Finanzierung des Umzugs, Anschaffung notwendigen Mobiliars, der Kaution für eine Mietwohnung, zur Bestreitung von Renovierungskosten etc), Kenntnis des Schuldners von Grund und Höhe der Unterhal...