A. Allgemeines.
Rn 1
Eine staatlich wirksame Ehe kann nur durch den Tod aufgelöst oder durch richterliche Entscheidung geschieden (§ 1564 I 1) oder aufgehoben (§ 1313 I 1) werden. Das Vorliegen einer Nichtehe (vgl § 1310) wird durch ein Feststellungsverfahren bestätigt und hat wegen der zugrunde liegenden schwerwiegenden formellen oder materiellen Fehler keinerlei familienrechtliche Wirkung.
Rn 2
Fehlerhaft zustande gekommene Ehen sind nicht rückwirkend vernichtbar, sondern können ausschl ex nunc mit Rechtskraft der Entscheidung aufgehoben werden (§ 1313 2). Bis zu diesem Zeitpunkt ist die aufhebbare Ehe voll gültig (BGH FamRZ 01, 685, 686).
B. Unterschiede: Ehescheidung – Eheaufhebung.
I. Materielles Recht.
Rn 3
Während bei der Scheidung die Ehe aus Gründen geschieden wird, die nach der Eheschließung liegen und die Ehe zum Scheitern gebracht haben (›zerrüttete Ehe‹), erfolgt die Eheaufhebung aus Gründen die bei der Eheschließung vorgelegen haben (›fehlerhafte Ehe‹). Einziger Scheidungsgrund ist das Gescheitertsein der Ehe (§ 1565 I). Die verschiedenen Aufhebungsgründe sind (abschließend) in § 1314 aufgezählt. Die Rechtsfolgen – Unterhalt, Versorgungsausgleich, Zugewinn – sind für beide Ehesachen gleich (§ 1318). Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen der Aufhebungsgründe handelt es sich um verschiedene Verfahrensgegenstände, die eine selbständige Beschwer (§ 59 I FamFG) begründen (BGH FamRZ 23, 1615). Ein Verfahrensverbund ist jedoch nur für die Scheidung zulässig (§ 137 I FamFG). Es empfiehlt sich deshalb im Aufhebungsverfahren hilfsweise den Scheidungsantrag oder auf Aufhebung der Lebenspartnerschaft (Kobl FamRZ 23, 105) zu stellen. Der Hilfsantrag kann zulässigerweise auch erstmals im Beschwerdeverfahren gestellt werden (Köln FamRZ 00, 819, 820). Für den Haupt- und Hilfsantrag sind gesonderte Verfahrenswerte anzusetzen (Hambg NZFam 22, 323).
II. Verfahrensrecht.
Rn 4
Das Aufhebungsverfahren ist ebenso wie die Scheidung eine Ehesache (§ 121 Nr 2 FamFG). Die internationale Zuständigkeit folgt aus Art 1 I, 3 I Brüssel IIa-VO (BGH FamRZ 20, 1533). Die Antragsberechtigung und Antragsfrist sind in §§ 1316, 1317 geregelt. Das Aufhebungsverfahren kennt nicht den Verfahrensverbund nach § 137 FamFG, sodass die Folgen einer Aufhebung im isolierten Verfahren behandelt werden müssen. Als Ehesache besteht für das Aufhebungsverfahren nach § 114 I FamFG Anwaltszwang.
Rn 4a
Die Ehegatten können zwischen dem Aufhebungs- und Scheidungsverfahren wählen, wenn die jeweiligen Voraussetzungen gegeben sind (Braunschw FamRZ 17, 910) und entspr Anträge miteinander verbinden (§ 126 FamFG) mit Vorrang des Aufhebungsverfahrens. Wird dem Aufhebungsbegehren stattgegeben, wird das Scheidungsverfahren gegenstandslos. Sind beide Begehren begründet, ist nur auf Aufhebung der Ehe zu erkennen (§ 126 III FamFG). Ob für den Eheaufhebungs- und den (hilfsweise gestellten) Scheidungsantrag gem § 39 I 3 FamGKG ein zusätzlicher Wert anzusetzen ist, wird im Hinblick auf die Voraussetzungen und Rechtsfolgen (§§ 1313, 1564, 1318), unterschiedlich beurteilt (Karlsr FamRZ 23, 1272; aA Hambg NZFam 22, 323).
Rn 5
Ein Scheidungsantrag kann auch im Beschwerdeverfahren erstmals als Hilfsantrag gestellt werden (Brandbg NZFam 21, 643; Köln FamRZ 00, 819). Kommt im Rechtsmittel der Hilfsantrag auf Scheidung zum Zuge und ist der VA mangels Verbundes noch nicht durchgeführt, kommt eine Zurückverweisung an das Amtsgericht in Betracht (Brandbg FamRZ 08, 1534).
III. Drittbeteiligte.
Rn 6
Während die Scheidung ausschl von Ehegatten beantragt werden kann (§ 1564 1), sind bei den meisten Aufhebungsgründen zusätzlich die zuständige Verwaltungsbehörde und im Falle der Bigamie ein Dritter (der Ehegatte aus der anderen Ehe) antragsberechtigt (§ 1316). Die Drittanträge sind gegen beide Ehegatten zu richten (§ 129 I FamFG).