Prof. Dr. Hans-Friedrich Müller
A. Allgemeines.
Rn 1
Das BGB geht in § 241 von der Konstellation aus, dass sich jeweils nur eine Person auf Schuldner- u Gläubigerseite befindet. Das von diesem gesetzlichen Normaltyp abw Zusammentreffen mehrerer Schuldner oder Gläubiger ist in den §§ 420–432 geregelt, allerdings nicht umfassend.
B. Mehrheit von Schuldnern.
I. Teilschuld.
Rn 2
Ein Gläubiger hat mehrere Schuldner, die das einheitliche, aber teilbare Leistungsinteresse befriedigen sollen (§ 420 Alt 1). Er hat gg jeden Schuldner Anspruch nur auf einen Teil der Leistung; praktisch ist das eher selten.
II. Gesamtschuld.
Rn 3
Jeder der Schuldner ist zur ganzen Leistung verpflichtet, der Gläubiger kann sie nur einmal fordern (§§ 421–427, 431). Praktischer Regelfall, gilt aufgrund §§ 427, 840 auch bei teilbaren Leistungen. Bei Unterlassungspflichten liegen idR selbstständige Schuldverhältnisse vor, da das Gläubigerinteresse nicht befriedigt wird, wenn nur ein Einzelner erfüllt (BGH GRUR-RR 08, 460). Jedoch können mehrere Schuldner eine gesamtschuldnerische Haftung für eine Verletzung des Unterlassungsgebots durch einen von ihnen eingehen.
III. Gemeinschaftliche Schuld.
Rn 4
Die Erfüllung der Schuld setzt aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen gemeinschaftliches Zusammenwirken aller Schuldner voraus, so etwa bei der Verpflichtung von Musikern zu einem gemeinsamen Konzert (Grüneberg/Grüneberg Überbl v § 420 Rz 9) oder der Pflicht zur Duldung eines Notweges (BGHZ 36, 187, 189). Die Pflicht zur Mitwirkung an der Gesamterfüllung muss gg jeden einzelnen Schuldner wie bei einer Teilschuld geltend gemacht werden. Diese haften nur für eigenes Verschulden (BAG NJW 74, 2255 [BAG 24.04.1974 - 5 AZR 480/73]).
Rn 5
Eine Sonderform der gemeinschaftlichen Schuld ist gegeben, wenn mehrere Personen von vornherein in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit schulden (Gesamthandsschuld). Dem Gläubiger steht hier zunächst das gesamthänderisch gebundene Vermögen als Zugriffsobjekt zur Verfügung. Daneben haften die Gesamthänder idR persönlich, u zwar als Gesamtschuldner, so § 1437 II für die Gütergemeinschaft, § 2058 für die Erbengemeinschaft, § 126 HGB, § 721 unmittelbar bzw analog (BGHZ 146, 341, 358) für die Gesellschafter einer OHG oder GbR.
C. Mehrheit von Gläubigern.
I. Teilgläubigerschaft.
Rn 6
Mehreren Gläubigern steht bei teilbaren Leistungen nur ein Anspruch auf den auf ihn entfallenden Anteil zu (§ 420 Alt 2). Die Forderung des einzelnen Gläubigers ist rechtlich selbstständig. Die Teilgläubigerschaft ist das Gegenstück zur Teilschuldnerschaft u wie diese praktisch selten.
II. Gesamtgläubigerschaft.
Rn 7
Der Fall, dass jeder Gläubiger die gesamte Leistung fordern kann, der Schuldner nur einmal zu leisten braucht, ist in den §§ 428–430 geregelt u stellt das Gegenstück zur Gesamtschuldnerschaft dar (krit Analyse des Rechtsinstituts bei Meier AcP 205, 898 ff). Anders als diese hat sie jedoch kaum praktische Bedeutung. Keine Gesamtgläubigerschaft liegt vor, wenn eine Forderung mit dem Recht eines Dritten belastet ist, so beim Nießbrauch (§ 1077) u Pfandrecht (§ 1281). Eine Gläubigermehrheit sui generis besteht beim echten Vertrag zugunsten Dritter (§ 335).
III. Gemeinschaftliche Gläubigerschaft.
Rn 8
Die Forderung steht mehreren gemeinsam zu in der Weise, dass der Gläubiger nur Leistung an alle verlangen kann u der Schuldner nur an alle gemeinschaftlich leisten kann. Die gemeinschaftliche Gläubigerschaft, auch Mitgläubigerschaft genannt, ist der praktisch wichtigste Fall der Gläubigermehrheit; geregelt für den Fall der unteilbaren Leistung in § 432. In diesen Zusammenhang gehören auch Ansprüche, die sich auf den Gegenstand einer Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff) beziehen, sowie Gesamthandsforderungen (§§ 1415 ff; 2032 ff). Die GbR ist nach neuerer Doktrin selbst rechtsfähig (§ 705 II, BGHZ 146, 341, 343 ff); ebenso die Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 9a I WEG; BGHZ 163, 154, 158 ff); zur OHG vgl § 105 II HGB.
D. Kumulation von Schuldner- und Gläubigermehrheit.
Rn 9
Bei Personenmehrheiten auf beiden Seiten muss die Form der Schuldner- u Gläubigerstellung nicht notwendig miteinander korrespondieren. So sind mehrere Käufer oder Mieter idR hinsichtlich der Zahlungspflicht Gesamtschuldner (§ 427), aber nur gemeinsam forderungsberechtigt (§ 432). Umgekehrt schulden mehrere Verkäufer/Vermieter idR gem §§ 427, 431 als Gesamtschuldner, bzgl der Kaufpreisforderung/Miete sind sie Mitgläubiger.