Gesetzestext
(1) Die Entstehung, die Ausübung, die Änderung und das Ende eines Fürsorgeverhältnisses (Vormundschaft, Betreuung, Pflegschaft), das kraft Gesetzes oder durch Rechtsgeschäft begründet wird, unterliegen dem Recht des Staates, in dem der Fürsorgebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
(2) 1Maßnahmen, die im Inland in Bezug auf ein Fürsorgeverhältnis angeordnet werden, und die Ausübung dieses Fürsorgeverhältnisses unterliegen deutschem Recht. 2Besteht mit dem Recht eines anderen Staates eine wesentlich engere Verbindung als mit dem deutschen Recht, so kann jenes Recht angewendet werden.
(3) Die Ausübung eines Fürsorgeverhältnisses aufgrund einer anzuerkennenden ausländischen Entscheidung richtet sich im Inland nach deutschem Recht.
A. Anwendungsbereich.
I. Neuregelung.
Rn 1
Die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4.5.21 hat Art 24 geändert. Die Vorschrift folgt nunmehr dem Aufenthaltsprinzip (Abs 1) sowie der Maßgeblichkeit der lex fori; inländische Maßnahmen unterliegen grds inländischem Recht (Abs 2), die inländische Ausübung von Fürsorgeverhältnissen erfolgt nach deutschem Recht (Abs 3). Übergangs- und Überleitungsvorschrift in Art 229 § 54 EGBGB. Das Reformgesetz ist am 1.1.23 in Kraft getreten (BGBl 21 I 882, Art 16; näher BRDrs 564/20 S 432 ff; Thorn/Varón Romero IPRax 21, 15 ff; Wagner FamRZ 22, 405, 412 ff).
Rn 2
Der Anwendungsbereich der Norm erfasst die Vormundschaft über Minderjährige, die rechtliche Betreuung Volljähriger sowie die Pflegschaft für Minderjährige, Volljährige u unbekannte Beteiligte. Für die Beistandschaft des Jugendamts für Kinder mit inländischem gewöhnl Aufenthalt (§§ 1712 ff BGB) gilt als spezielle einseitige Kollisionsnorm § 1717 BGB (Thorn/Varón Romero IPRax 21, 25). Zur Prozesspflegschaft (§ 57 ZPO), Verfahrensbeistand- u -pflegschaft (§§ 158, 297 V, 317 FamFG) s.u. Rn 9–13.
II. Fürsorgeverhältnis.
1. Einzelne Fürsorgeverhältnisse.
Rn 3
Der sachliche Anwendungsbereich betrifft Entstehung, Ausübung, Änderung, Ende u Inhalt der Fürsorgeverhältnisse. Als solche werden genannt Vormundschaft, Betreuung und Pflegschaft.
2. Vormundschaft.
Rn 4
Die deutsche Vormundschaft (§§ 1773–1808 BGB) betrifft Minderjährige. Das gilt auch für Art 24. Die in manchen Rechtsordnungen anzutreffende ›Vormundschaft‹ von Eltern oder Elternteilen entspricht funktional der elterlichen Sorge iSd deutschen Rechts u fällt unter das Sorgestatut (Art 21).
3. Betreuung.
Rn 5
Die deutsche ›rechtliche Betreuung‹ (§§ 1814–1881 BGB) findet begrifflich u inhaltlich nur wenig deckungsgleiche Entsprechung im Ausland. Der Betreuung am nächsten kommen die ›Sachwalterschaft‹ des österreichischen Rechts, die ›sauvegarde de justice‹ des frz Rechts sowie ›bewind‹ (betr Vermögenssorge) u ›mentorschap‹ (betr Personensorge) des niederländischen Rechts. Etliche Staaten hingegen kennen nach wie vor Vormundschaft über – entmündigte – Volljährige. Gemeinsam ist diesen Rechtsinstituten die hoheitliche Fürsorge für Volljährige, die ihre eigenen Angelegenheiten selbst nicht erledigen können, mit Regelungen zur gesetzlichen Vertretung solcher Personen. Alle diese Rechtsformen unterfallen dem kollisionsrechtlichen Begriff ›Betreuung‹ in Art 24 (Gojowczyk FamRZ 20, 1615, 1624 ff; MüKo/Lipp Rz 19).
Rn 6
Ist also für einen im Ausland lebenden Deutschen im Inland Betreuung anzuordnen, ist deutsches Recht anzuwenden (zur Betreuung Deutscher auf Mallorca, Schulte-Bunert FuR 14, 334, 401). Kommt hingegen Betreuung für einen im Inland lebenden Ausländer ist Betracht, führt dies ebenfalls zum deutsche Recht.
Rn 7
Eine unmittelbare Anwendung deutschen Rechts ist möglich, wenn der Betroffene seinen gewöhnl Aufenthalt im Inland hat (I 2). Hat der Betroffene weder im In- noch im Ausland einen gewöhnl Aufenthalt, reicht sein schlichter Aufenthalt im Inland. Verlässt der ausl Betroffene, für den gem I 2 Betreuung in Anwendung deutschen Rechts angeordnet worden ist, Deutschland, wird die angeordnete Betreuung nicht gegenstandslos; sie entfällt erst mit Aufhebung der Betreuerbestellung (BayObLGZ 01, 324).
Rn 8
Ist Betreuung angeordnet worden, unterliegen ihr Umfang u ihre Wirkungen dem Recht des Staates, dessen Gericht/Behörde die Betreuung angeordnet hat. Dies gilt insb für die Geschäftsfähigkeit, die gesetzliche Vertretung, den angeordneten Einwilligungsvorbehalt, die Fürsorge u Aufsicht des BetreuungsG, die Vergütung, Haftung u Entlassung des Betreuers. Ebenso ist es bzgl der Genehmigungsbedürftigkeit des Handelns des Betreuers, von Hein IPRax 15, 198, 200 f.
4. Pflegschaft.
Rn 9
Für die Pflegschaft (§§ 1809 ff BGB) kommen in Betracht die Ergänzungspflegschaft iSv §§ 1809 ff BGB (BayObLG FamRZ 68, 105; LG Berlin FamRZ 71, 320; jurisPK/Gärtner/Duden Rz 10; aA (für Art 21) Schäuble BWNotZ 16, 5, 7; MüKo/Lipp Rz 56: Eltern-Kind-Beziehung; unentschieden: Staud/von Hein [19] Rz 13), u die Pflegschaft für ein ungeborenes Kind (§ 1810 BGB). Für die Anknüpfung des Statuts dieser Pflegschaften gelten dieselben kollisionsrechtlichen Vorschriften wie für die Vormundschaft – s.o. Rn 28 ff.
Rn 10
Die Bestellung eines Prozesspflegers als Notvertreter für einen nicht prozessfähigen, gesetzlich...