Prof. Dr. Juliana Mörsdorf
Gesetzestext
(1) 1Wird auf das Recht des Staates verwiesen, dem eine Person angehört, und gehört sie mehreren Staaten an, so ist das Recht desjenigen dieser Staaten anzuwenden, mit dem die Person am engsten verbunden ist, insbesondere durch ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder durch den Verlauf ihres Lebens. 2Ist die Person auch Deutscher, so geht diese Rechtsstellung vor.
(2) Ist eine Person staatenlos oder kann ihre Staatsangehörigkeit nicht festgestellt werden, so ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder, mangels eines solchen, ihren Aufenthalt hat.
(3) Wird auf das Recht des Staates verwiesen, in dem eine Person ihren Aufenthalt oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, und ändert eine nicht voll geschäftsfähige Person den Aufenthalt ohne den Willen des gesetzlichen Vertreters, so führt diese Änderung allein nicht zur Anwendung eines anderen Rechts.
A. Einführung.
I. Regelungsmaterie.
Rn 1
Art 5 ist eine Hilfsnorm für personenbezogene Anknüpfungen. Sie regelt Fragen, die im Zusammenhang mit zwei Anknüpfungsmomenten auftreten können: Zunächst geht es um Einzelheiten zu einem der wichtigsten Anknüpfungspunkte des deutschen IPR, der Staatsangehörigkeit. Dabei behandelt I die Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und II die Fälle fehlender oder nicht feststellbarer Staatsangehörigkeit:
Rn 2
III regelt Einzelheiten zu einem weiteren Anknüpfungspunkt, dem gewöhnlichen Aufenthalt. Dieser ist nach II auch als Hilfsanknüpfung für die Staatsangehörigkeit vorgesehen. Vorschriften des Besonderen Teils greifen auf ihn als Hilfs- (zB Art 14 I Nr 2 aF) aber auch als Primäranknüpfung (Art 19 ff; 40 II) zurück. Hilfsanknüpfung für den gewöhnlichen ist der schlichte Aufenthalt (II Alt 2).
II. Begriffe.
Rn 3
Zusammengefasst wird all dies unter der amtl Überschrift ›Personalstatut‹. Dieser Oberbegriff weist auf die Ratio des Abstellens auf die personenbezogenen Anknüpfungsmomente hin: Es wird davon ausgegangen, dass die von dem Rechtsverhältnis betroffene Person primär mit dem Recht ihrer Staatsangehörigkeit und sekundär dem ihres gewöhnlichen Aufenthalts am engsten verbunden ist (Looschelders Rz 2). Art 5 stellt aber keine vor die Klammer gezogene Legaldefinition des Begriffs ›Personalstatut‹ dar, da die betr Normen des Besonderen Teils den Begriff nicht aufgreifen, sondern nur von ›Staatsangehörigkeit‹ sprechen, auch wenn der dann gebotene Rückgriff auf Art 5 dazu führen kann, dass letztlich gar nicht auf die Staatsangehörigkeit, sondern etwa auf den gewöhnlichen oder schlichten Aufenthalt abzustellen ist.
Rn 4
Das durch die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit berufene Recht wird auch kurz ›Heimatrecht‹ genannt, was nicht bedeutet, dass eine über die formale Staatsbürgerschaft hinausgehende Beziehung kultureller oder seelischer Art bestehen müsste.
B. Staatsangehörigkeit.
I. Bestimmung der Staatsangehörigkeit.
1. Recht des betreffenden Staates.
Rn 5
Da die Staatsangehörigkeit eine öffentlichrechtliche Zugehörigkeitsbeziehung zwischen Person und Staat schafft (Kegel/Schurig § 9 II 2a), richtet sich ihre Bestimmung – auch aus völkerrechtlichen Gründen (Staud/Blumenwitz Rz 45 ff; BeckOK/Lorenz Rz 2 zu Art 1 I Staatenlosenkonvention, zu dieser s.u. Rn 13, Rn 15) – nach dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit in Anspruch genommen wird (dazu auch Art 3 EGBGB Rn 48), für Deutschland daher stets – etwa auch als Vorfrage einer nach Gesamtverweisung anzuwendenden ausl Kollisionsnorm – nach den in Rn 6 dargestellten Grundsätzen. Entzieht oder verleiht ein Staat einer Person die Staatsangehörigkeit völkerrechtswidrig aus politischen, religiösen oder rassischen Gründen, so ist dies für die kollisionsrechtliche Anknüpfung unbeachtlich, es sei denn, das Festhalten an der entzogenen Staatsangehörigkeit läge nicht im Interesse des Betroffenen (Looschelders Rz 4). Bei der Europäischen Unionsbürgerschaft (Art 20 AEUV) handelt es sich nicht um Staatsangehörigkeit iSd Art 5 (v Hoffmann/Thorn § 5 Rz 58).
2. Deutschland.
Rn 6
Die Erwerbs- und Verlusttatbestände der deutschen Staatsangehörigkeit finden sich im StAG. Im gesamten Bürgerlichen Recht und damit auch im IPR stehen deutschen Staatsangehörigen zudem die sog Statusdeutschen gleich (Art 116 I GG; Art 9 Abschn 2 Nr 5 1 FamRÄndG), so dass auch diese als ›Deutsche‹ iSd Kollisionsnormen, die an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, anzusehen sind (BGHZ 121, 305; Hamm FamRZ 01, 919; Erman/Hohloch Rz 41). Statusdeutsche sind Flüchtlinge und Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit sowie deren Ehegatten und Abkömmlinge, die in dieser Eigenschaft im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31.12.37 Aufnahme gefunden haben, ohne die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen (Art 116 I GG). Die Gleichstellung tritt aber erst mit der Aufnahme der betreffenden Personen in das heutige Gebiet der BRD einschließlich der ehemaligen DDR ein. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt das bisherige Personalstatut. Art 116 hat insoweit keine Rückwirkung (BGHZ 121, 311 ff). Nach § 40a StAG haben die meisten Statusdeutschen zum 1.8.99 ohnehin kraft Überleitung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben; Spätaussiedler und deren nichtdeutsche Ehegatten u...