Rn 4
§ 1 gilt für jede natürliche Person als Opfer von Gewalt oder deren Androhung. Eine besondere Beziehung zwischen Opfer und Täter ist nicht erforderlich. Für die Entscheidung maßgeblicher Zeitpunkt ist der der Entscheidungsreife (Köln FamRZ 12, 645).
Rn 5
Hinsichtlich der Rechtsgutsverletzungen hat der Gesetzgeber auf § 823 I zurückgegriffen, weshalb wegen der Bedeutung der genannten Rechtsgüter auf die dazu ergangene Rspr verwiesen werden kann. Das gilt zum einen für die Körper- oder Gesundheitsverletzung, wobei die Körperverletzung eher auf die äußere Integrität, die Gesundheitsverletzung eher auf innere Funktionen bezogen ist (§ 823 BGB Rn 24). Ob es hierzu durch physische oder psychische Einwirkungen des Täters kommt, ist unerheblich (Hamm FamRZ 12, 645 LS). Ggf können Maßnahmen auch gegen beide Teilnehmer einer körperlichen Auseinandersetzung verhängt werden (Zweibr FamRZ 22, 358). Eine Gesundheitsverletzung kann auch darin bestehen, dass durch eine beliebige Einwirkung des Täters auf das Opfer bei diesem eine psychische Erkrankung hervorgerufen wird, ohne dass diese organisch vermittelt sein muss (§ 823 BGB Rn 29; Bambg FamRZ 12, 459). Der Gewaltbegriff ist deshalb sehr weit gefasst, so dass das Gesetz auch Schutz vor nächtlichen Telefonbelästigungen oder Stalking bietet (§ 823 BGB Rn 28). Geschlechtsverkehr mit einem Kind ist Körper- und Gesundheitsverletzung (Karlsr FamRZ 12, 460).
Rn 6
Verletzung der Freiheit liegt in der Entziehung der körperlichen Bewegungsfreiheit, etwa durch Einsperren oder Nötigung zu einem bestimmten Handeln. Dazu rechnet auch die nur kurzzeitige Entziehung der körperlichen Bewegungsfreiheit (Brandbg NJW-RR 06, 220 [OLG Brandenburg 20.04.2005 - 9 UF 27/05]).
Rn 7
Nach II 1 ist die widerrechtliche Drohung mit einer Verletzung (II 1 Nr 1) der in I genannten Rechtsgüter, das widerrechtliche und vorsätzliche Eindringen in die Wohnung oder das befriedete Besitztum des Opfers (II 1 Nr 2a) der Verletzung als solcher gleichgestellt. Ein bloßes Verweilen oder der Versuch des Eindringens reichen nicht aus (Hamm FamFR 13, 401; Celle FamRZ 12, 1950) ebenso wenig das Hineinlehnen in den Luftraum über dem Balkon, wenn die Absicht des Betretens fehlt (Frankf FamRZ 16, 1857), wobei es an der Widerrechtlichkeit fehlt, wenn das Betreten der Wohnung im Einverständnis des Hausrechtsinhabers erfolgt (Braunschw FamRZ 15, 264), mag dieses auch durch Täuschung erwirkt sein (Hamm aaO). Dasselbe gilt für unzumutbare Belästigungen durch Nachstellen und Verfolgen unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln (II 1 Nr 2b). Unter Nachstellen versteht man das Verfolgen, Überwachen und Beobachten des Opfers, die häufig demonstrative Anwesenheit des Täters, den unerwünschten Versuch der Aufnahme körperlicher oder verbaler Kontakte und das wiederholte Anrufen, Senden von Briefen, Faxen, E-Mails oder SMS (Köln FamRZ 15, 1976 [LS]: 20–30 pro Woche), auch das Zeigen des sog Stinkefingers (Zweibr FamRZ 19, 1948). Es setzt Handlungen voraus, die durch unmittelbare oder mittelbare Annäherung an das Opfer darauf gerichtet sind, in dessen persönlichen Lebensbereich einzugreifen und dadurch seine Handlungs- und Entschließungsfreiheit zu beeinträchtigen (Hambg FamRZ 20, 1168). Kein Nachstellen ist deshalb die Beobachtung der Wohnung über eine größere Entfernung mit dem Fernglas (Kobl FamRZ 10, 1284) oder die Beobachtung des Nachbargrundstücks per Kamera (Hambg FamRZ 20, 1168). Anders das wiederholte Aufsuchen einer Amtsperson (hier: Staatsanwalt) in deren Privatsphäre (Braunschw DRiZ 18, 358). Die Drohung muss ernsthaft sein, kann aber ggf auch konkludent erfolgen (Brandbg NZFam 17, 817). Sie ist von bloßen situationsbedingten Verwünschungen oder Beschimpfungen abzugrenzen (Bremen NJW-RR 10, 1591) und bei widersprüchlichem Verhalten nicht glaubhaft gemacht (Brandbg NZFam 19, 144). Der Tatbestand ist erfüllt zB bei der Drohung, ursprünglich einvernehmlich überlassene Nacktaufnahmen im Internet zu veröffentlichen (Hamm FamRZ 23, 1894). Für eine Drohung reichen Drohgebärden, Gesten oder eine Drohkulisse aus (KG FF 23, 208). Das GewSchG dient aber nicht der Verhinderung nur unerwünschter Verhaltensweisen und somit nicht zB dem Schutz des Elternrechts (Bambg FamRZ 12, 459), des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Karlsr FamRZ 16, 1863; Hamm FamRZ 12, 645), der Ehre oder allgemeinen Handlungsfreiheit (Brandbg FamRZ 19, 1325) oder vor solchem Verhalten, das keine konkreten körperlichen oder gesundheitlichen Auswirkungen hat (Celle FamRZ 12, 1950). Liegt das Schwergewicht der Beeinträchtigungen nicht bei den im GewSchG genannten Rechtsgütern, stehen dem Opfer die Verfahrenserleichterungen des Gesetzes nicht zur Verfügung (Brandbg FamRZ 17, 117). Insoweit kommen nur Ansprüche aus dem Deliktsrecht in Betracht (Hamm FamRZ 12, 645), so auch bei Störung von Ehre, Besitz oder Eigentum (Brandbg FamRZ 19, 1325).
Rn 8
Der Täter muss vorsätzlich und widerrechtlich gehandelt, also den rechtswidrigen Erfolg mindestens billigend in Kauf genomm...