Gesetzestext
(1) 1Ist ein Anrecht nicht ausgleichsreif, so findet insoweit ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht statt. 2§ 5 Abs. 2 gilt entsprechend.
(2) Ein Anrecht ist nicht ausgleichsreif,
1. |
wenn es dem Grund oder der Höhe nach nicht hinreichend verfestigt ist, insbesondere als noch verfallbares Anrecht im Sinne des Betriebsrentengesetzes, |
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soweit es auf eine abzuschmelzende Leistung gerichtet ist, |
3. |
soweit sein Ausgleich für die ausgleichsberechtigte Person unwirtschaftlich wäre, |
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wenn es bei einem ausländischen, zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Versorgungsträger besteht oder |
5. |
wenn sich bei einem Anrecht aus der betrieblichen Altersversorgung oder der privaten Altersvorsorge nach dem Ende der Elternzeit der Kapitalwert als maßgebliche Bezugsgröße und damit der Ausgleichswert verändert hat, weil die ausgleichspflichtige Person innerhalb der bisher bestehenden Leistungspflicht eine Versorgung aus dem Anrecht bezogen hat, und die ausgleichsberechtigte Person verlangt, dass das Anrecht vom Wertausgleich bei der Scheidung ausgenommen wird. |
(3) Hat ein Ehegatte nicht ausgleichsreife Anrechte nach Absatz 2 Nr. 4 erworben, so findet ein Wertausgleich bei der Scheidung auch in Bezug auf die sonstigen Anrechte der Ehegatten nicht statt, soweit dies für den anderen Ehegatten unbillig wäre.
(4) Ausgleichsansprüche nach der Scheidung gemäß den §§ 20 bis 26 bleiben unberührt.
A. Allgemeines.
Rn 1
§ 19 trifft Regelungen für nicht ausgleichsreife Anrechte. Diese sind gem § 9 I iVm § 19 I 1 vom Wertausgleich bei der Scheidung ausgenommen, können aber gem § 19 IV (später) noch im Wege eines schuldrechtlichen VA nach den §§ 20–26 ausgeglichen werden. Die fehlende Ausgleichsreife wird in II definiert. III enthält eine ergänzende Bestimmung für Fälle, in denen in- und ausländische Anrechte nebeneinander auszugleichen sind. Soweit mangels Ausgleichsreife oder im Hinblick auf die sog Ausgleichssperre nach III kein Wertausgleich bei der Scheidung stattfindet, hat das Gericht auch keine Entscheidung darüber zu treffen, ob der Ausgleich wegen Geringfügigkeit (§ 18) auszuschließen ist. Die Ausgleichsreife ist daher vorrangig zu prüfen. Über einen Ausschluss wegen Geringfügigkeit des Ausgleichswerts ist erst im Verfahren über Ausgleichsansprüche nach der Scheidung zu entscheiden (Brandbg FamRZ 20, 328; Frankf FamRZ 22, 1351, 1352). Auch über einen Ausschluss des VA aus Härtegründen iSv § 27 kann hinsichtlich bei der Scheidung noch nicht ausgleichsreifer Anrechte erst im Verfahren über den schuldrechtlichen VA entschieden werden (Kobl FamRZ 16, 468).
B. Begriff der fehlenden Ausgleichsreife.
Rn 2
›Nicht ausgleichsreif‹ sind Anrechte, die zwar die Voraussetzungen des § 2 erfüllen und damit grds in den VA fallen, die aber im Zeitpunkt der Scheidung aufgrund besonderer Eigenschaften (noch) nicht intern oder extern geteilt werden können oder sollen. Diese Anrechte sind in II abschließend aufgezählt (BGH FamRZ 13, 1548 Rz 24). Zum einen geht es um Anrechte, die zwar bei Scheidung schon bestehen, aber noch nicht so gesichert sind, dass ein – uU nicht mehr abänderbarer – Wertausgleich schon gerechtfertigt ist. Ferner werden Anrechte erfasst, deren Höhe (noch) nicht hinreichend aufklärbar ist oder deren Ausgleich für den Berechtigten ohne wirtschaftlichen Wert wäre. Des Weiteren betrifft die Vorschrift ausländische Anrechte, die mangels hoheitlicher Eingriffsbefugnis durch deutsche Gerichte nicht geteilt werden können. II Nr 5 gibt dem Ausgleichsberechtigten schließlich die Möglichkeit, einem betrieblichen oder privaten Anrecht, aus dem der Ausgleichspflichtige bereits Versorgungsleistungen bezieht, wodurch sich der Kapitalwert als maßgebliche Bezugsgröße und damit der Ausgleichswert nach Ehezeitende laufend verändert, die an sich bestehende Ausgleichsreife zu entziehen, indem er verlangt, dass das Anrecht vom Wertausgleich bei der Scheidung ausgenommen wird. Die Ehegatten können gem § 6 I 2 Nr 3 bzgl einzelner oder gar sämtlicher in der Ehezeit erworbener und an sich dem Wertausgleich bei der Scheidung unterliegender Versorgungsanrechte auch vereinbaren, dass diese (schuldrechtlichen) Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung gem den §§ 20–24 vorbehalten bleiben und damit quasi als nicht ausgleichsreif behandelt werden sollen.
C. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der Ausgleichsreife
Rn 3
Für die Prüfung der Ausgleichsreife ist der Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung maßgeblich, in der Beschwerdeinstanz also der Zeitpunkt der Entscheidung des OLG. Denn § 19 I 2 erklärt § 5 II für entspr anwendbar. Nach S 1 dieser Vorschrift ist zwar grds auf das Ende der Ehezeit abzustellen. Die ›entsprechende‹ Anwendung des S 2 hat jedoch zur Folge, dass bis zur Entscheidung eingetretene Veränderungen, die sich auf die Ausgleichsreife des Anrechts auswirken, zu berücksichtigen sind (BTDrs 16/10144, 62; BGH FamRZ 18, 894 Rz 23). Zwischen Ehezeitende und Entscheidung ausgleichsreif gewordene Anrechte oder Teile von Anrechten sind daher in den Wertausgleich einzubeziehen.
D. Nicht ausgleichsreife Anrechte (Abs 2).
I. Nicht hinreichend verfestigte Anrechte (Abs 2 Nr 1).
Rn 4
Gem § 19 II Nr 1 sind Anrechte, die dem Grunde oder der Höhe nach noch nicht hi...