Gesetzestext
(1) Anrechte im Sinne dieses Gesetzes sind im In- oder Ausland bestehende Anwartschaften auf Versorgungen und Ansprüche auf laufende Versorgungen, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständischen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge.
(2) Ein Anrecht ist auszugleichen, sofern es
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durch Arbeit oder Vermögen geschaffen oder aufrechterhalten worden ist, |
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der Absicherung im Alter oder bei Invalidität, insbesondere wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder Dienstunfähigkeit, dient und |
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auf eine Rente gerichtet ist; ein Anrecht im Sinne des Betriebsrentengesetzes oder des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes ist unabhängig von der Leistungsform auszugleichen. |
(3) Eine Anwartschaft im Sinne dieses Gesetzes liegt auch vor, wenn am Ende der Ehezeit eine für das Anrecht maßgebliche Wartezeit, Mindestbeschäftigungszeit, Mindestversicherungszeit oder ähnliche zeitliche Voraussetzung noch nicht erfüllt ist.
(4) Ein güterrechtlicher Ausgleich für Anrechte im Sinne dieses Gesetzes findet nicht statt.
A. Versorgungsanrechte (Abs 1).
I. Begriff.
Rn 1
§ 2 regelt den sachlichen Anwendungsbereich des VA, dh, den Gegenstand, auf den sich der VA bezieht. Die in den VA einzubeziehenden Anrechte werden gegenüber nicht einzubeziehenden Vermögensgegenständen abgegrenzt. Anrechte ist der Sammelbegriff für Anwartschaften auf künftige und Ansprüche auf bereits laufende Versorgungen (I). Ob es sich um öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Anrechte handelt, ist für die Einbeziehung in den VA grds unerheblich. Es kann lediglich für die Berechnung des Ehezeitanteils und für die Ausgleichsform von Bedeutung sein. I stellt auch klar, dass sowohl im Inland als auch im Ausland (auch bei zwischen- oder überstaatlichen Versorgungsträgern) erworbene Anrechte in den VA fallen (vgl zu ausländischen Anrechten BGH FamRZ 13, 106; Frankf FamRZ 18, 1661, 1663). Ausländische Anrechte unterliegen allerdings nicht dem Wertausgleich bei der Scheidung (§ 19 II Nr 4). Sie können aber zu einer sog Ausgleichssperre bzgl inländischer Anrechte des anderen Ehegatten führen (§ 19 III). Ausländische Versicherungszeiten können zudem die Höhe eines in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechts beeinflussen. Schuldrechtliche Ausgleichsansprüche bleiben der ausgleichsberechtigten Person hinsichtlich ausländischer Anrechte in jedem Fall erhalten (§ 19 IV).
II. Versorgungsarten.
Rn 2
§ 2 I zählt (in Übereinstimmung mit § 1587 BGB) die Versorgungssysteme auf, die für den VA von besonderer praktischer Bedeutung sind. Erwähnt sind in Anlehnung an das sog ›Drei-Säulen-Modell‹ der Vorsorge die Regelsicherungssysteme (gesetzliche Rentenversicherung, Beamtenversorgung, berufsständische Versorgung), die betriebliche Altersversorgung (betrAV) und die private Alters- und Invaliditätsvorsorge. Die Aufzählung ist nicht abschließend, wie das Wort ›insbesondere‹ deutlich macht. Dem VA unterliegen daher auch andere, hier nicht ausdr erwähnte Versorgungen, wie zB die Alterssicherung der Landwirte, Abgeordneten- oder Ministerversorgungen (vgl § 32). Der Umstand, dass bestimmte für die Versorgung maßgebliche zeitliche Voraussetzungen am Ende der Ehezeit noch nicht erfüllt ist, steht nach der ausdr Regelung des III der Einbeziehung einer Anwartschaft in den VA nicht entgegen (s Rn 17). Ist ein Anrecht zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht hinreichend gesichert, fehlt ihm die Ausgleichsreife (§ 19 II Nr 1). Das Anrecht unterfällt dann dem schuldrechtlichen VA nach Maßgabe der §§ 20 ff.
III. Versorgungsbestandteile.
Rn 3
Grds fallen alle Bestandteile eines Versorgungsanrechts in den VA. Eine Ausnahme gilt jedoch gem § 40 V für ehe- und familienbezogene Bestandteile. Versorgungsteile, die durch anrechenbare Kindererziehungszeiten erworben worden sind, sind dagegen in den VA einzubeziehen.
B. Auszugleichende Anrechte (Abs 2).
I. Allgemeines.
Rn 4
Im VA können nur solche Anrechte berücksichtigt werden, die in der Ehezeit erworben worden sind (§ 3 II). Sie müssen außerdem nicht nur am Ende der Ehezeit als dem maßgeblichen Bewertungszeitpunkt (§ 5 II 1), sondern auch im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung (noch) vorhanden sein (BGH FamRZ 15, 998 Rz 10; 19, 1993 Rz 24). Dem VA unterliegen ferner nur Anrechte, die die Voraussetzungen des II erfüllen. Diese qualitativen Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein.
II. Erwerb durch Arbeit oder Vermögen (Abs 2 Nr 1).
Rn 5
Gem II Nr 1 müssen die im VA zu berücksichtigenden Anrechte durch Arbeit oder Vermögen erworben worden sein. Auf Arbeit beruhen Anrechte, die das versorgungsrechtliche Resultat einer nichtselbständigen Beschäftigung als Arbeitnehmer oder einer arbeitnehmerähnlichen Stellung als Selbständiger (zB als Gesellschafter-Geschäftsführer mit Leitungsmacht über das Unternehmen, vgl BGH FamRZ 14, 731; 19, 1993 Rz 19; 20, 89 Rz 12 ff) sind. Darauf, ob die Höhe der Rente mit der Höhe der erbrachten Beitragsleistungen korrespondiert, kommt es nicht an. Es genügt vielmehr ein Kausalitäts- und Zurechnungszusamm...