Gesetzestext
(1) Solange die ausgleichspflichtige Person eine laufende Versorgung wegen Invalidität oder Erreichens einer besonderen Altersgrenze erhält und sie aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Leistung beziehen kann, wird die Kürzung der laufenden Versorgung auf Grund des Versorgungsausgleichs auf Antrag ausgesetzt.
(2) § 33 Abs. 2 gilt entsprechend.
(3) Die Kürzung ist höchstens in Höhe der Ausgleichswerte aus denjenigen Anrechten im Sinne des § 32 auszusetzen, aus denen die ausgleichspflichtige Person keine Leistung bezieht.
(4) Fließen der ausgleichspflichtigen Person mehrere Versorgungen zu, so ist jede Versorgung nur insoweit nicht zu kürzen, als dies dem Verhältnis ihrer Ausgleichswerte entspricht.
A. Zweck der Vorschrift.
Rn 1
Die §§ 35, 36 sind geschaffen worden, um etwaige leistungsrechtliche Auswirkungen des mit der Strukturreform von 2009 eingeführten Hin- und Her-Ausgleichs abzumildern und zu vermeiden, dass ein ausgleichspflichtiger Ehegatte infolge der isolierten Teilung der Anrechte beider Ehegatten schlechter gestellt ist als nach früherem Recht (BTDrs 16/10144, 74). Das frühere Prinzip der Gesamtsaldierung sämtlicher von beiden Ehegatten erworbener Anrechte hatte für ausgleichspflichtige Frührentner zur Folge, dass sich ihre Versorgung nur um den Saldo aus den Versorgungsanrechten beider Eheleute reduzierte. Nach neuem Recht muss ein Ausgleichspflichtiger, der schon vor Erreichen der Regelaltersgrenze Versorgungsleistungen bezieht, den Ausgleichswert seines Versorgungsanrechts an den Ausgleichsberechtigten abgeben, ohne dass gesichert ist, dass er seinerseits auch schon Versorgungsleistungen aus einem vom anderen Ehegatten im VA erworbenen Anrecht beziehen kann. Entsteht aufgrund einer solchen‹Asymmetrie› für ihn ein leistungsrechtlicher Nachteil, kann die auf dem VA beruhende Kürzung seiner eigenen Versorgung ausgesetzt werden, bis er auch Leistungen aus dem zu seinen Gunsten ausgeglichenen Anrecht beanspruchen kann. Da die Anpassung nach § 35 nur in Bezug auf Anrechte aus den in § 32 genannten Regelsicherungssystemen zulässig ist, können verfassungswidrige Härten für Ehegatten auftreten, die bereits eine Rente aus einem nicht zu den Regelversorgungen gehörenden Sicherungssystem (zB aus einer privaten Rentenversicherung oder einer betrAV) beziehen, die aufgrund des VA gekürzt wird, ohne ihrerseits schon eine Versorgungsleistung aus einem ihnen übertragenen Regelsicherungsanrecht erhalten zu können. Zur Vermeidung solcher Auswirkungen bietet sich eine Vereinbarung der Ehegatten an, wonach die beiderseitigen Anrechte auf der Grundlage ihrer KoKa verrechnet werden (Borth FamRZ 10, 1210, 1214).
B. Konkurrenz mit Anpassung wegen Unterhalt.
Rn 2
Neben den Voraussetzungen des § 35 können auch diejenigen für eine Anpassung wegen Unterhalts nach § 33 vorliegen. Zwischen beiden Vorschriften besteht keine gesetzlich bestimmte Rangfolge. Es sollte jedoch vorrangig über die Aussetzung der Kürzung nach § 35 entschieden werden, da sich diese auf die Höhe des Einkommens des ausgleichspflichtigen Ehegatten und damit die Höhe seiner Unterhaltsverpflichtung auswirkt. Bei paralleler Antragstellung ist deshalb das Verfahren nach § 33 gem § 21 I FamFG auszusetzen. Über die Anpassung nach § 33 ist anschließend unter Berücksichtigung der nach § 35 erfolgten Kürzungsaussetzung durch das FamG zu entscheiden (Borth Kap 8 Rz 33, 55; Ruland Rz 1059).
C. Voraussetzungen der Anpassung (Abs. 1).
I. Antragstellung.
Rn 3
Gem I erfolgt eine Anpassung der auf dem VA beruhenden Versorgungskürzung nur auf Antrag. Dieser ist zur Verfahrenseinleitung erforderlich und an den Versorgungsträger zu richten, bei dem der ausgleichspflichtige Ehegatte das aufgrund des VA gekürzte Anrecht erworben hat. Ein Sachantrag braucht nicht gestellt zu werden (vgl § 33 Rn 3). Zur Antragsberechtigung vgl § 36 II.
II. Invaliditäts- oder vorgezogene Altersversorgung des Ausgleichspflichtigen.
Rn 4
Der ausgleichspflichtige Ehegatte muss bereits Leistungen aus einer Versorgung iSd § 32 erhalten, die wegen Invalidität oder wegen Erreichens einer besonderen Altersgrenze gezahlt werden (I). Zum Begriff der Invaliditätsversorgung vgl § 2 Rn 12. Anpassungsfähig sind ferner Altersversorgungen, die bereits vor Erreichen der für das Versorgungssystem geltenden Regelaltersgrenze bezogen werden, weil besondere persönliche Voraussetzungen erfüllt sind. Es kommt nicht darauf an, ob für den Personenkreis, dem der Ausgleichspflichtige angehört, eine ›besondere‹ Altersgrenze gilt. Vielmehr werden auch Renten erfasst, die auf einer Altersteilzeitregelung beruhen (MüKoBGB/Ackermann-Sprenger § 35 Rz 11; aA BGH FamRZ 13, 690 Rz 21 [jedoch offengelassen von BGH FamRZ 20, 169 Rz 22]; Borth Kap 8 Rz 54), sowie Renten und Pensionen, die auf Antrag nach Erreichen einer vorgezogenen Altersgrenze (unter Inkaufnahme eines Versorgungsabschlags) in Anspruch genommen werden. Auch in diesen Fällen einer besonderen ‹Antragsaltersgrenze› kann eine ‹Asymmetrie› zwischen dem Beginn der Leistungen bestehen, die der Ausgleichspflichtige aus der selbst erworbenen Versorgung und dem aufgrund des VA vom anderen Ehegatten erhaltenen Anrecht zu erwarten hat. Selbst bei einem Rentenbezug ab d...