Rn 13
Erhält die ausgleichspflichtige Person im Zeitpunkt der Entscheidung aus einem auszugleichenden Anrecht bereits eine laufende Versorgung wegen Invalidität oder Erreichens einer besonderen Altersgrenze, kann der VA dazu führen, dass diese Versorgung zwar aufgrund der gerichtlichen Entscheidung um den Ausgleichswert gekürzt wird, diese Person aber ihrerseits aus einem im VA vom anderen Ehegatten erworbenen Anrecht noch keine Leistung beziehen kann. Stammt die laufende Versorgung aus einem der in § 32 genannten Regelsicherungssysteme, kann der entstehende Nachteil dadurch ausgeglichen werden, dass die insoweit ausgleichspflichtige Person eine Aussetzung der Versorgungskürzung nach den §§ 35, 36 beantragt. Bezieht der vorzeitig verrentete Ehegatte Leistungen von einem nicht zu den Regelsicherungssystemen gehörenden Versorgungsträger, ist der durch das System des Hin-und-Her-Ausgleichs des neuen Rechts bedingte Umstand, dass die Versorgungsleistungen aus eigenen und im VA erworbenen Anrechten zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen, grds hinzunehmen. Eine Korrektur des Wertausgleichs bei der Scheidung kommt nur in Betracht, wenn dadurch ein erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht entsteht. Das früher für gesetzliche Renten und Beamtenpensionen geltende sog Rentnerprivileg, wonach die ausgeglichene Versorgung erst gekürzt wurde, wenn auch der Ausgleichsberechtigte Versorgungsleistungen aus dem im VA erhaltenen Anrecht bezog, ist idR weggefallen. Diese vom Gesetzgeber bewusst herbeigeführte Änderung begründet jedoch für den Ausgleichspflichtigen ebenfalls keine grobe Unbilligkeit (BGH FamRZ 13, 690 Rz 20; 18, 904 Rz 16).
Rn 14
Bezieht der Ausgleichspflichtige aufgrund eingetretener Invalidität bereits Pension oder Rente, so ist im VA grds der Ehezeitanteil der tatsächlichen Versorgung zugrunde zu legen. Dieser Ehezeitanteil kann – insb bei Versorgungen, deren Ehezeitanteil gem § 40 zeitratierlich zu berechnen ist – deutlich höher sein als der Ehezeitanteil der Anwartschaft auf fiktive Altersrente. Es ist daher möglich, dass ein erwerbsunfähiger Ehegatte in besonders hohem Maße ausgleichspflichtig, aber nicht mehr in der Lage ist, seine Altersversorgung noch durch weitere Erwerbstätigkeit aufzustocken. Würde in einem solchen Fall der ausgleichsberechtigte Ehegatte voraussichtlich eine im Verhältnis zum Ausgleichspflichtigen unverhältnismäßig hohe Versorgung erreichen und ist Letzterer auf sein Anrecht dringend angewiesen, so kann der VA gem § 27 (höchstens) bis auf den Betrag herabgesetzt werden, der sich als Ausgleichsanspruch ergäbe, wenn der Ausgleichspflichtige bei Ehezeitende noch erwerbstätig gewesen wäre (BGH FamRZ 15, 1001 Rz 27).
Rn 15
Bei betrieblichen Anrechten mit Invaliditätsversorgung kann der Kapitalwert infolge des Eintritts der Invalidität des Ausgleichspflichtigen während der Ehezeit signifikant gestiegen sein. Würde der ungekürzte Ausgleich dem ausgleichsberechtigten (nicht invaliden) Ehegatten eine unverhältnismäßig hohe Altersversorgung aus dem Anrecht verschaffen, kann es ebenfalls geboten sein, den Ausgleich gem § 27 zu beschränken und statt auf den Kapitalwert der laufenden Invaliditätsrente auf den fiktiven Wert der Anwartschaft auf Altersrente abzustellen (BGH FamRZ 17, 1749 Rz 25). § 28 ist auf betriebliche Invaliditätsrenten nicht anzuwenden; der Vorschrift ist jedoch ein allgemeiner Rechtsgedanke zu entnehmen, der iRd Billigkeitsabwägung nach § 27 besonders zu berücksichtigen ist (s § 28 Rn 3). In den Fällen, in denen eine laufende betriebliche Invaliditätsrente zugunsten eines erwerbsfähigen Ehegatten ausgeglichen werden soll, ist die Durchführung des ungekürzten VA auch dann nicht ohne Weiteres gerechtfertigt, wenn der Ausgleichspflichtige auf seine (ungekürzte) Invaliditätsrente nicht dringend angewiesen ist und/oder die Altersversorgung des Ausgleichsberechtigten noch nicht gesichert erscheint (BGH FamRZ 17, 1749 Rz 30). Bezieht der Ausgleichspflichtige Erwerbsminderungsrente aus der GRV, dürfen Zurechnungszeiten nicht ausgeklammert werden. Denn ihre Einbeziehung führt nicht zu einem höheren VA, als ihn der Ausgleichsberechtigte bei Fortdauer der Erwerbstätigkeit des Ausgleichspflichtigen Person zu beanspruchen hätte. Vielmehr wird die rentenversicherte Person durch die Zurechnungszeiten nur so gestellt, als sei sie erst zu einem späteren Zeitpunkt erwerbsunfähig geworden (BGH FamRZ 86, 337; 88, 489, 491). Die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente und die damit verbundene Kürzung der Rente rechtfertigt für sich genommen nicht die Anwendung der Härteklausel (BGH FamRZ 16, 35 Rz 25).