Gesetzestext
(1) Die Vereinbarung über den Versorgungsausgleich muss einer Inhalts- und Ausübungskontrolle standhalten.
(2) Durch die Vereinbarung können Anrechte nur übertragen oder begründet werden, wenn die maßgeblichen Regelungen dies zulassen und die betroffenen Versorgungsträger zustimmen.
A. Gerichtliche Inhalts- und Ausübungskontrolle (Abs 1).
I. Allgemeines.
Rn 1
§ 8 I bestimmt, dass Vereinbarungen über den VA einer (richterlichen) Inhalts- und Ausübungskontrolle standhalten müssen. Das FamG hat solche Vereinbarungen daher stets (vAw) daraufhin zu überprüfen, ob sie nach den allg gesetzlichen Vorschriften wirksam sind und ihnen auch keine Durchsetzungshindernisse entgegenstehen. Die richterliche Kontrolle verfolgt den Zweck, Vereinbarungen der Ehegatten zu verhindern, die sich zu Lasten der Sozialsysteme auswirken oder die eine einseitige und unangemessene Lastenverteilung zum Nachteil eines Ehegatten zur Folge haben. Eine detaillierte Inhalts- und Ausübungskontrolle kann allerdings – insb bei scheidungsnahen Vereinbarungen – auf solche Fälle beschränkt werden, in denen sich konkrete Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit oder Anpassungsbedürftigkeit ergeben. Solche Anhaltspunkte im Einzelfall vorzutragen, obliegt dem Ehegatten, der sich durch eine Vereinbarung benachteiligt fühlt (BGH FamRZ 13, 770 Rz 16).
Rn 2
Die gerichtliche Kontrolle ist in zwei Schritten durchzuführen: Zunächst ist iR einer Inhaltskontrolle zu prüfen, ob die Vereinbarung im Zeitpunkt ihres Zustandekommens gesetz- oder sittenwidrig war. Hält der Vertrag dieser (Wirksamkeits-)Kontrolle stand, ist ggf iR einer Ausübungskontrolle (Rechtsmissbrauchskontrolle) zu prüfen, ob und inwieweit der durch den Vertrag begünstigte Ehegatte gem § 242 BGB nach Treu und Glauben gehindert ist, sich im Scheidungsfall gegenüber dem anderen Ehegatten auf vertragliche Bestimmungen zu berufen oder inwieweit der benachteiligte Ehegatte gem § 313 BGB eine Anpassung der Vereinbarung wegen Störung der Geschäftsgrundlage verlangen kann (BGH FamRZ 04, 601; 15, 1415).
II. Inhaltskontrolle.
Rn 3
IRd Inhalts-(Wirksamkeits-)Kontrolle ist der Vertrag auf Gesetz- oder Sittenwidrigkeit zu prüfen. Gesetzwidrig sind Vereinbarungen, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen (§ 134 BGB) oder die den verbindlichen und zulässigen Bestimmungen einer für den Ausgleich maßgebenden Satzung oder sonstigen Versorgungsregelung widersprechen. In diesem Zusammenhang ist insb § 8 II von Bedeutung, der Vereinbarungen zu Lasten der Versorgungsträger untersagt (vgl Rn 7). Das Verdikt der Sittenwidrigkeit (§ 138 I BGB) kommt idR nur in Betracht, wenn Regelungen aus dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts ganz oder zu erheblichen Teilen abbedungen werden. Zu diesem Kernbereich gehört auch der VA, der als vorweggenommener Altersunterhalt auf derselben Stufe wie der Unterhaltsanspruch nach § 1571 BGB steht und nur in begrenztem Umfang vertraglich abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen gestaltet werden darf (BGH FamRZ 04, 601, 605; 20, 1347 Rz 18). Die Prüfung auf Sittenwidrigkeit erfordert eine Gesamtwürdigung, die in objektiver Hinsicht die Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt der Vereinbarung sowie den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe und in subjektiver Hinsicht die von den Ehegatten mit der Vereinbarung verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe berücksichtigt, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der von den gesetzlichen Bestimmungen abweichenden vertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen (BGH FamRZ 05, 26, 27; 20, 1347 Rz 28). Der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen darf nicht durch vertragliche Vereinbarungen unterlaufen werden, die eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung zur Folge hätten. Ein unausgewogener Vertragsinhalt begründet allerdings für sich genommen noch keine tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit. Vielmehr müssen zusätzlich außerhalb der Vertragsurkunde Umstände zu erkennen sein, die für eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz des begünstigten Ehegatten sprechen und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegeln, zB die Ausnutzung einer Zwangslage, eine soziale oder wirtschaftliche Abhängigkeit oder intellektuelle Unterlegenheit des benachteiligten Ehegatten (BGH FamRZ 18, 577 Rz 19; 20, 1347 Rz 29). Andererseits müssen selbst im Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts nicht alle Anrechte strikt hälftig geteilt werden. Deshalb ist es grds hinzunehmen, wenn die Ehegatten keinen VA nach den gesetzlichen Vorschriften wünschen und dies unter den gegebenen Verhältnissen mit dem Grundgedanken des VA vereinbar ist. Vereinbarungen sind nicht als sittenwidrig anzusehen, wenn bei Vertragsschluss beide Ehegatten davon ausgehen konnten, für den Fall des Alters oder der Invalidität nicht auf die Durchführung eines VA in der gesetzlich vorgesehenen Form angewiesen zu s...