Rn 2
Die zeitratierliche Methode ist (subsidiär) anzuwenden, wenn eine Bewertung nach der unmittelbaren Methode nicht möglich oder nicht sachgerecht ist. Das ist nach der Gesetzesbegründung (BTDrs 16/10144, 79) der Fall, wenn kein direkter Zusammenhang zwischen einer Bezugsgröße aus der Ehezeit und der Höhe der Versorgung besteht, sondern das Anrecht im Laufe der Zeit gleichmäßig aufgebaut wird, ohne dass eine unmittelbare Zuordnung von Wertbestandteilen zur Ehezeit möglich ist. Diese Beschreibung ist jedoch ungenau; entscheidend ist vielmehr, dass das Anrecht während der Anwartschaftsphase nicht gleichmäßig im Wert steigt oder dass ein Grund- und/oder ein Höchstbetrag vorgesehen ist, sodass die künftige Versorgung nicht bestimmt werden kann, ohne die vor Ehebeginn zurückgelegte und die nach Ehezeitende bis zum Eintritt des (voraussichtlichen) Versorgungsfalles noch zurückzulegende Dienst- oder Beschäftigungszeit in die Betrachtung einzubeziehen. Im Allgemeinen steigt der Wert der Anwartschaft in Abhängigkeit von einem Entgeltfaktor (idR dem letzten Einkommen) und einem Zeitfaktor (der im Dienst- oder Arbeitsverhältnis zurückgelegten Zeit). Der Entgeltfaktor kann problemlos auf das Ehezeitende als den nach § 5 II 1 maßgeblichen Bemessungszeitpunkt bezogen werden. Die Bestimmung des Zeitfaktors setzt jedoch eine Prognose der weiteren Entwicklung nach Ende der Ehezeit voraus. Daraus folgt, dass die zeitratierliche Methode unsicherer und im Zweifel auch ungenauer ist als die unmittelbare Bewertung. Außerdem kann die tatsächliche spätere Entwicklung von der Prognose abweichen, wodurch häufig Abänderungsverfahren erforderlich werden.
Rn 3
Die zeitratierliche Methode ist insb bei der Beamten- und Soldatenversorgung anzuwenden, wie § 44 I ausdrücklich bestimmt. In der betrAV hat sie nur noch für endgehaltsabhängige Systeme und für Gesamtversorgungssysteme Bedeutung. Die zeitratierliche Methode kann sich ferner für die Bewertung der Anrechte von Personen mit Unternehmereigenschaft (zB bestimmende Gesellschafter-Geschäftsführer) eignen (vgl zB BGH FamRZ 07, 891 Rz 11; 19, 1993 Rz 26). Zeitratierlich sind auch die – beamtenähnlich ausgestalteten – Versorgungen von Richterinnen und Richtern sowie von Regierungsmitgliedern, parlamentarischen Staatssekretären und Bundesbeauftragten zu bewerten (vgl Kobl FamRZ 19, 959, 960). Eine berufsständische Versorgung ist zeitratierlich zu bewerten, wenn die Höhe der Versorgungsleistungen (auch) von der Dauer der Zugehörigkeit zu dem Versorgungswerk abhängt und Zurechnungszeiten berücksichtigt werden, die keinem konkreten Zeitraum zugeordnet werden können (BGH FamRZ 11, 547 Rz 19: Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen; BGH FamRZ 11, 1214 Rz 10: Rechtsanwaltsversorgung Rheinland-Pfalz). Kann die berufsständische Versorgung an sich unmittelbar bewertet werden und führt die pauschale Zurechnungszeit nicht zu einer Verlängerung der Gesamtzeit der Mitgliedschaft im Versorgungswerk, sondern stellt sie nur einen werterhöhenden Faktor dar, aus dem ein Zuschlag zur Versorgung berechnet wird, so ist dessen Ehezeitanteil separat nach der zeitratierlichen Methode zu ermitteln (Frankf FamRZ 20, 1552, 1554; Siede NZFam 20, 445). Bei der Abgeordnetenversorgung des Bundes ist dagegen die unmittelbare Bewertungsmethode anzuwenden (s § 39 Rn 12).