Rn 2
Ein Anspruch auf Ausgleich von Kapitalzahlungen nach § 22 S 1 setzt voraus, dass der Ausgleichspflichtige aus einem noch nicht ausgeglichenen Anrecht (keine Rente, sondern) Kapitalzahlungen erhält oder erhalten hat. In diesem Fall kann auch der Ausgleichsberechtigte keine Ausgleichsrente, sondern – iHd Ausgleichswerts – Kapitalzahlung(en) verlangen. Noch nicht ausgeglichen sind Anrechte, die zwar gem §§ 1 und 2 dem VA unterliegen, aber nicht iRd Wertausgleichs bei der Scheidung oder in einem vorangegangenen (ein anderes Anrecht betreffenden) Verfahren über den schuldrechtlichen VA ausgeglichen worden sind (s § 20 Rn 3 ff). § 22 ist im Hinblick auf Anrechte der betrieblichen oder zertifizierten privaten Altersvorsorge geschaffen worden, die nach § 2 II Nr 3 Hs 2 unabhängig von der Form der zugesagten Leistungen in den VA fallen. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass auch in Fällen, in denen der Ausgleichspflichtige aus einem solchen Anrecht keine Rente, sondern eine Kapitalzahlung erhält, ein schuldrechtlicher VA möglich ist (BTDrs 16/10144, 65). Sie erweitert dagegen nicht den Gegenstand des VA. Deshalb kann ein Anspruch aus § 22 nicht in Bezug auf Kapitalleistungen aus Anrechten geltend gemacht werden, die gar nicht dem VA unterliegen. Die Vorschrift ermöglicht auch nicht die Einbeziehung von Kapitalleistungen, die aus bei Ehezeitende vorhanden gewesenen Anrechten aus nicht zertifizierten Rentenversicherungen gezahlt werden, nachdem der Ausgleichspflichtige vor der Entscheidung über den VA ein Kapitalwahlrecht ausgeübt oder einen Anspruch auf Abfindung oder auf Beitragserstattung geltend gemacht hat (BGH FamRZ 19, 103 Rz 12). Mit der Ausübung des Kapitalwahlrechts hat ein nicht dem BetrAVG oder dem AltZertG unterliegendes Anrecht seinen Charakter als Versorgungsanrecht iSd § 2 verloren und ist nicht mehr dem VA zuzuordnen. Ein schuldrechtlicher Ausgleich von Kapitalzahlungen scheidet auch aus, wenn ein öffentlich-rechtlicher VA nach früherem Recht durchzuführen war und das auf eine Kapitalzahlung gerichtete Anrecht dabei – mangels einer § 2 II Nr 3 Hs 2 entspr Vorschrift – überhaupt noch nicht dem VA unterlag (Stuttg FamRZ 15, 511, 513).
Rn 3
Von § 22 erfasst werden dagegen Versorgungsanrechte, die aufgrund fehlender Ausgleichsreife nicht dem Wertausgleich bei der Scheidung unterlagen, aber dem schuldrechtlichen VA vorbehalten geblieben sind. Daran ändert es auch nichts, wenn ein solches Anrecht zunächst auf eine Rente gerichtet war und erst nach der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung in ein Kapitalanrecht umgewandelt worden ist (BGH FamRZ 19, 103 Rz 13; Hambg FamRZ 20, 1087, 1090). Der Ausgleichspflichtige muss die Kapitalzahlung tatsächlich erhalten (haben). Es reicht nicht aus, dass er eine Kapitalleistung in Anspruch nehmen könnte. Der Anspruch nach § 22 S 1 muss andererseits nicht vor der Auszahlung an den Ausgleichspflichtigen geltend gemacht werden, sondern besteht rückwirkend auch dann, wenn die Kapitalzahlung an ihn bereits erfolgt ist. Der Ausgleichsberechtigte muss den Verpflichteten auch nicht in Verzug setzen. Anders als laufende Rentenleistungen dienen Kapitalleistungen meist nicht dazu, den aktuellen Lebensbedarf zu decken. Der Ausgleichspflichtige weiß zudem, dass dem Ausgleichsberechtigten der Ausgleichswert zusteht, dieser den Auszahlungszeitpunkt aber nicht zwangsläufig kennt. Vor diesem Hintergrund muss das Vertrauen des Ausgleichspflichtigen, den gesamten Ausgleichswert behalten zu dürfen, hinter dem Interesse des Berechtigten an dem Ausgleich der Kapitalzahlung zurücktreten (BTDrs 16/10144, 65). Nicht erforderlich ist, dass der Kapitalfluss direkt an den Ausgleichspflichtigen erfolgt ist. Er ist auch dann ausgleichspflichtig, wenn das Vorsorgekapital aufgrund einer Pfändung oder Abtretung an einen Dritten ausgezahlt worden ist (Erman/Norpoth/Sasse § 22 Rz 4). Wird das Kapital in mehreren Raten ausgezahlt, kann auch der Ausgleichsberechtigte nur Teilzahlungen entspr den tatsächlich an den Ausgleichspflichtigen geflossenen Beträgen verlangen (BTDrs 16/10144, 65).