1. Allgemeines.
Rn 6
II 2 ermöglicht in bestimmten Grenzen die Berücksichtigung von Veränderungen, die sich zwischen dem Ehezeitende und der Entscheidung über den VA ergeben haben. In Betracht kommen sowohl rechtliche als auch tatsächliche Veränderungen, aber nur solche, die ›auf den Ehezeitanteil zurückwirken‹, dh die – rückwirkend aus der Sicht im Zeitpunkt der Entscheidung betrachtet – zu einer anderen Bewertung des Ehezeitanteils führen (BGH FamRZ 88, 1148; 19, 1052 Rz 19; vgl auch BTDrs 16/10144, 49). Dabei geht es nur um solche Veränderungen, die auch in einem späteren Abänderungsverfahren nach den §§ 51, 52 oder nach den §§ 225, 226 FamFG von Bedeutung sind, und zwar ohne Beschränkung auf die in § 32 genannten Anrechte. Tatsächliche Veränderungen können auch dann noch berücksichtigt werden, wenn sie erst während des Rechtsbeschwerdeverfahrens eingetreten sind, sofern die neuen Tatsachen als feststehend angesehen werden können, ohne dass eine weitere tatrichterliche Beurteilung erforderlich ist, und keine schützenswerten Belange eines Ehegatten entgegenstehen (BGH FamRZ 13, 1362 Rz 12). Soweit nach Ehezeitende berücksichtigungsfähige Änderungen eingetreten sind, müssen diese von dem Ehegatten, der dadurch begünstigt wird, bereits im Scheidungsverfahren – notfalls auch mit einer Beschwerde – geltend gemacht werden. In einem späteren Abänderungsverfahren können sie nur dann berücksichtigt werden, wenn ein solches nach Erlass der Ausgangsentscheidung durch weitere wesentliche Änderungen eröffnet ist (s § 51 Rn 13). Die Form des Ausgleichs richtet sich – auch in Abänderungsverfahren nach den §§ 51, 52 VersAusglG oder den §§ 225, 226 FamFG – stets nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung (BGH FamRZ 81, 856, 861; 03, 29, 30).
2. Rechtliche Veränderungen.
Rn 7
Veränderungen im Wert eines Versorgungsanrechts, die aufgrund von Gesetzesänderungen nach Ende der Ehezeit eintreten, sind im VA stets zu berücksichtigen, wenn dies dem zeitlichen Geltungswillen des Gesetzes entspricht (BGH FamRZ 12, 941 Rz 5; 16, 1649 Rz 19), Das Gleiche gilt bzgl Wertveränderungen, die durch die Änderung nichtgesetzlicher Versorgungsregelungen (zB Verordnung, Satzung, Tarifvertrag, Versorgungsordnung, Betriebsvereinbarung, Versicherungsbedingungen) eintreten (BGH FamRZ 86, 447, 448; 89, 951, 953; 06, 321, 322). Rechtsänderungen, die zwar schon verkündet, aber noch nicht in Kraft getreten sind, sind allerdings außer Betracht zu lassen (BGH FamRZ 93, 414, 415). In der Praxis von Bedeutung sind insb die Mütterrenten I und II in der GRV, die Minderung des Ruhegehaltssatzes in der Beamtenversorgung und strukturelle Reformen in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes und in betrieblichen Versorgungssystemen. Ist eine bereits laufende Rente auszugleichen, können die rechtlichen Veränderungen ungeachtet der Rückwirkung auf das Ehezeitende nur mit Wirkung für die Zukunft berücksichtigt werden (BGH FamRZ 16, 791 Rz 32).
3. Tatsächliche Veränderungen.
Rn 8
Die Höhe eines in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechts bestimmt sich grds nach den persönlichen Verhältnissen am letzten Tag der Ehezeit als dem maßgeblichen Bewertungsstichtag. Daher bleiben nachehezeitliche Veränderungen, die auf einem späteren beruflichen Aufstieg des Versorgungsempfängers oder seinem zusätzlichen persönlichen Einsatz beruhen und sich auf die Höhe der Versorgung auswirken, im VA außer Betracht (BGH FamRZ 12, 694 Rz 24; 18, 894 Rz 18), auch wenn schon in der Ehezeit Vorbereitungen für derartige Veränderungen (Bewerbungen, Zusagen, Verträge oÄ) getroffen worden sind (BGH FamRZ 08, 1512 Rz 14; 09, 1738 Rz 28). Dagegen können solche Veränderungen tatsächlicher Art, die rückwirkend betrachtet einen anderen Ehezeitanteil des Versorgungsanrechts ergeben, bei der Entscheidung über den VA auch dann berücksichtigt werden, wenn sie nach Ehezeitende eingetreten sind (BGH FamRZ 09, 1309 Rz 18; 18, 894 Rz 19). Dazu gehört zB die Änderung des individuellen Status, durch die sich das erworbene Anrecht seiner Art nach verändert. Verliert zB ein Beamter oder Soldat nach Ehezeitende durch Ausscheiden aus seinem Dienstverhältnis seine beamten- oder soldatenrechtliche Versorgungsanwartschaft und erlangt er stattdessen im Wege der Nachversicherung eine gesetzliche Rentenanwartschaft, so ist die Letztere dem VA zugrunde zu legen (BGH FamRZ 81, 856, 861; 88, 1148, 1150; Frankf FamRZ 23, 1367, 1369; München FamRZ 24, 352, 353). Dabei ist unerheblich, ob der Beamte aufgrund eigenen Antrags oder aufgrund Beendigung eines Widerrufsbeamten- oder Zeitsoldatenverhältnisses ausgeschieden (BGH FamRZ 89, 43, 44; 96, 215, 216) oder wegen eines Dienstvergehens aus dem Beamtenverhältnis entlassen worden ist (BGH FamRZ 89, 42, 43; 89, 1058, 1059). Zu berücksichtigen ist es auch, wenn ein Beamter, Richter oder Soldat aus dem Bundesdienst ausscheidet und – anstelle einer Nachversicherung – ein Anrecht auf Altersgeld nach dem AltGG erwirbt (vgl dazu § 44 Rn 2). Weitere individuelle Veränderungen, die bereits im Erstverfahren über den VA berück...