Rn 3
Der Wertausgleich findet (bei deutschem Scheidungsstatut) grds in allen Fällen statt, in denen die Eheleute in der Ehezeit Versorgungsanrechte iSd § 2 erworben haben. Er scheidet jedoch gem § 9 I ausnw aus,
- soweit die Ehegatten den VA wirksam durch Vereinbarung ausgeschlossen haben (§§ 6–8 VersAusglG) oder
- soweit die ehezeitlich erworbenen Anrechte (iSv § 19) noch nicht ausgleichsreif sind.
Wenn sich eine Vereinbarung nur auf einzelne in den VA fallende Anrechte oder auf Teile auszugleichender Anrechte erstreckt, ist hinsichtlich der weiteren Anrechte oder Teil-Anrechte der Wertausgleich durchzuführen. Fehlt nur einzelnen Anrechten die erforderliche Ausgleichsreife, sind die sonstigen (ausgleichsreifen) Anrechte grds in den Wertausgleich bei der Scheidung einzubeziehen. Handelt es sich bei den nicht ausgleichsreifen Anrechten aber um Anrechte, die bei einem ausländischen, zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Versorgungsträger erworben worden sind (§ 19 II Nr 4), können gem § 19 III auch an sich ausgleichsreife (inländische) Anrechte vom Wertausgleich bei der Scheidung ausgeschlossen werden, soweit der isolierte Ausgleich der ausgleichsreifen Anrechte für den anderen Ehegatten unbillig wäre (sog Ausgleichssperre, vgl § 19 Rn 18). Über die in I geregelten Fälle hinaus findet auch in Bezug auf Anrechte aus privater Invaliditätsvorsorge kein Wertausgleich bei der Scheidung statt; sie sind gem § 28 III VersAusglG stets schuldrechtlich auszugleichen. Schließlich kann das Gericht einzelne Anrechte nach § 18 VersAusglG vom VA ausnehmen. Darauf weist IV ausdrücklich hin (s Rn 8). Überhaupt kein VA und damit auch nicht in der Form des Wertausgleichs bei der Scheidung findet statt, wenn die Ehe von kurzer Dauer war und kein Antrag nach § 3 III gestellt worden ist oder soweit das Gericht Anrechte in Anwendung der Härteklausel des § 27 von einem Ausgleich ausschließt.
Rn 4
Wird ein Wertausgleich bei der Scheidung durchgeführt, so erstreckt sich dieser nach der Rspr des BGH zwingend auf sämtliche ausgleichsreifen Anrechte beider Ehegatten mit Ausn derjenigen, die sie durch eine Vereinbarung (ausdr) ausgenommen haben. Die ausgleichsreifen Anrechte bilden einen einheitlichen Verfahrensgegenstand, der auch solche ausgleichsreifen Anrechte einschließt, die das Gericht – aus welchen Gründen auch immer – bei seiner Entscheidung übersehen hat (BGH FamRZ 14, 1614 Rz 11). Demgemäß erwächst eine unvollständige und damit fehlerhafte Entscheidung nicht nur insoweit in formelle und materielle Rechtskraft, als Versorgungsanrechte ausgeglichen wurden, sondern auch mit dem Inhalt, dass keine weiteren (ausgleichsreifen) Anrechte im Wertausgleich bei der Scheidung auszugleichen sind (BGH FamRZ 13, 1548 Rz 28). Nur soweit das Gericht ein bestimmtes Anrecht bewusst nach § 140 FamFG vom Verbund abgetrennt hat, ist ein nachträglicher Ausgleich möglich (BGH FamRZ 14, 1614 Rz 12). Auch eine nachträgliche Ergänzung des Ausgangsbeschlusses kommt nicht in Betracht, denn Voraussetzung dafür wäre eine versehentliche Teilentscheidung des Gerichts. Ebenso wenig kann ein im öffentlich-rechtlichen Wertausgleich übersehenes Anrecht später schuldrechtlich ausgeglichen werden (BGH FamRZ 13, 1548 Rz 21 ff). Ein Ausgleich ›vergessener‹ Anrechte ist nur – unter Durchbrechung der Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich – über ein Wiederaufnahmeverfahren gemäß § 48 II FamFG iVm den §§ 579, 580 ZPO möglich (BGH FamRZ 13, 1119 Rz 15; Köln FamRZ 14, 764).