Rn 21
Nach § 27 können auch schuldrechtliche Ausgleichsansprüche gekürzt oder ganz ausgeschlossen werden. Dabei ist ebenso wie im Wertausgleich bei der Scheidung ein strenger Maßstab anzulegen. Härtegründe, die bereits bei der Scheidung bekannt waren, dort aber zu keiner Kürzung geführt haben, können iRd schuldrechtlichen VA nicht (erneut) geltend gemacht werden (Celle FamRZ 03, 1292). Soweit über Härtegründe im Wertausgleich bei der Scheidung nicht entschieden worden ist, können sie jedoch im Verfahren über schuldrechtliche Ausgleichsansprüche eingewandt werden, denn das Gericht kann ihre Relevanz dann erst beurteilen, wenn der geschuldete Anspruch entstanden ist. Wie im Wertausgleich bei der Scheidung ist auch im schuldrechtlichen VA insb die (aktuelle) wirtschaftliche Situation der Ehegatten zu berücksichtigen. Schuldrechtliche Ausgleichsansprüche nach der Scheidung haben jedoch nicht zum Ziel, dass beide Ehegatten – wie etwa beim nachehelichen Unterhalt – über ungefähr gleich hohe Einkünfte verfügen. Auch sie dienen vielmehr ausschließlich der Teilung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte. Deshalb ist es grds unerheblich, wie der ausgleichsberechtigte Ehegatte zum Zeitpunkt der Entscheidung sein Leben gestaltet und ob er etwa mit einem wirtschaftlich gut gestellten neuen Lebenspartner zusammenlebt. Der Ausgleich hängt auch nicht davon ab, dass der Ausgleichspflichtige leistungsfähig und der Ausgleichsberechtigte bedürftig ist. Als grob unbillig erweist sich der schuldrechtliche Ausgleich nur dann, wenn dem Ausgleichspflichtigen bei ungekürzter Durchführung des Ausgleichs nicht einmal der eigene angemessene Unterhalt (sowie ggf ein zur Erfüllung vor- oder gleichrangiger Unterhaltspflichten erforderlicher Betrag) verbliebe und wenn außerdem der Ausgleichsberechtigte in auskömmlichen wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Abzustellen ist bei beiden Ehegatten auf die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs, allerdings unter Einbeziehung der Einkommensverschiebung, die gerade infolge der Zahlung der Ausgleichsrente eintreten wird (BGH FamRZ 11, 706, Rz 67). Die Wiederverheiratung des Ausgleichspflichtigen begründet jedenfalls dann keine unbillige Härte, wenn dessen neuer Ehegatte über eigene Einkünfte verfügt oder gegenüber dem ausgleichsberechtigten geschiedenen Ehegatten unterhaltsrechtlich nachrangig ist (BGH FamRZ 11, 706 Rz 70). Für die Vergangenheit kann die Zuerkennung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente grob unbillig sein, soweit der Ausgleichsberechtigte bis zur Höhe der Ausgleichsrente nachehelichen Unterhalt bezogen hatte, den der Ausgleichspflichtige nicht zurückerhalten kann (Frankf FamRZ 04, 28, 30; Hamm FamRZ 08, 898, 900). Entstehen Härtegründe erst nach Durchführung des schuldrechtlichen VA, so kann dem nur in einem Abänderungsverfahren Rechnung getragen werden. Allerdings kann die Abänderung nicht allein auf Härtegründe gestützt werden.
Rn 22
Da im schuldrechtlichen VA nach neuem Recht das Nettoprinzip gilt, wonach die auf den Ausgleichswert entfallenden Sozialversicherungsbeiträge abzuziehen sind (§ 20 I 2), ist gewährleistet, dass im Ergebnis jeder Ehegatte die Beiträge zu tragen hat, die auf die ihm zufließende Hälfte der ehezeitlichen Versorgung entfallen. Daraus können daher keine Härtegründe hergeleitet werden. Auch die steuerlichen Auswirkungen des schuldrechtlichen Ausgleichs begründen regelmäßig keine grobe Unbilligkeit, denn der Ausgleichspflichtige kann die zu zahlende Ausgleichsrente als Sonderausgabe nach § 10 Ia Nr 4 EStG von seinem zu versteuernden Einkommen absetzen, während der Ausgleichsberechtigte die Leistungen nach § 22 Nr 1a EStG zu versteuern hat. Ist der Ausgleichspflichtige jedoch im Ausland steuerpflichtig und kann er die Ausgleichsrente nicht steuermindernd geltend machen, kann eine Kürzung der Ausgleichsrente aus Billigkeitsgründen gerechtfertigt sein (vgl § 20 Rn 17).
Rn 23
§ 27 findet auch im Verfahren über die Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung nach den §§ 25, 26 Anwendung. Da die Höhe des Teilhabeanspruchs nach § 25 III 1 auf den Betrag begrenzt ist, den der Ausgleichsberechtigte (fiktiv) als schuldrechtliche Ausgleichsrente verlangen könnte, wenn der Ausgleichspflichtige noch leben würde, sind sämtliche Härtegründe, die zur Kürzung der Ausgleichsrente führen würden, auch in Bezug auf den Teilhabeanspruch zu berücksichtigen (BGH FamRZ 96, 1465; Stuttg FamRZ 16, 554, 556). Die fiktive Billigkeitserwägung nach § 27 ist unter der Annahme, dass der Ausgleichspflichtige noch lebte, zu treffen (Karlsr FamRZ 18, 1068, 1071).