A. Auf Testamente anwendbare Vorschriften.

 

Rn 1

Das Testament ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das aus einer nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung besteht. Soweit sich nicht im fünften Buch des BGB Spezialregelungen finden, sind deshalb die Normen aus dem Allgemeinen Teil des BGB anwendbar.

I. §§ 104–113: Testierwille, Testierfähigkeit.

 

Rn 2

Der Testierwille stellt die erbrechtliche Form des rechtsgeschäftlichen Erklärungsbewusstseins oder Erklärungswillens dar. Er zielt, anders als der konkrete Geschäftswille, nur auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen durch Verfügung von Todes wegen überhaupt ab. Ob ein derartiger Wille des Erblassers bei Abfassung eines Schriftstücks vorliegt oder ob es sich bei einem aufgefundenen Schriftstück nur um eine Ankündigung oder einen Entwurf handelt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (§ 133). Dabei spricht keine Vermutung für das Vorliegen des Testierwillens.

 

Rn 3

Die Vorschriften zur Geschäftsfähigkeit werden durch § 2229, der die Testierfähigkeit regelt, verdrängt. Bei der Auffassung des Begriffs ›Testierfähigkeit‹ kann das Vorhandensein einzelner rudimentär vorhandener intellektueller Fähigkeiten zurücktreten ggü der als vorrangig anzusehenden Befähigung des Erblassers, sich über die für und gegen die sittliche Berechtigung einer letztwilligen Verfügung sprechenden Gründe ein klares Urt zu bilden und frei von Einflüssen interessierter Dritter danach zu handeln (BayObLG NJW-RR 05, 1025 [BayObLG 09.03.2005 - 1 Z BR 112/04]).

II. §§ 116–124; 142–144: Willensmängel.

 

Rn 4

§§ 116–118 sind auf Testamente nur beschränkt anwendbar. § 116 (RGZ 104, 320, 322; BayObLG FamRZ 77, 347; Frankf FamRZ 93, 858, 860; aA Lange/Kuchinke § 35 I 1b) und § 118 können angewendet werden. Eine Schadensersatzpflicht des Erblassers aus § 122 wird jedoch nicht ausgelöst. Einen Erklärungsempfänger, auf dessen Einverständnis es iSd § 117 ankommen könnte, gibt es nicht.

 

Rn 5

§§ 2078 ff enthalten Sonderregelungen zur Anfechtung von Testamenten. §§ 2078, 2079 regeln anstelle der §§ 119, 120, 123 besondere Anfechtungsgründe, § 2082 verdrängt die Regelungen der §§ 121, 124 zur Anfechtungsfrist. § 122 ist nicht anwendbar (§ 2078 III).

 

Rn 6

Die Wirkung der Anfechtung ergibt sich aus § 142. Bezüglich des Anfechtungsadressaten verdrängt § 2081 in seinem Anwendungsbereich § 143. Der Erblasser kann die anfechtbare Verfügung bestätigen (§ 144 I), mit der Folge, dass den nach § 2080 Anfechtungsberechtigten kein Anfechtungsrecht zusteht.

III. §§ 125–129: Form.

 

Rn 7

Besondere, die §§ 126 ff verdrängende Formvorschriften, finden sich in §§ 2231 ff. Für die Folgen des Formverstoßes gilt § 125 1.

IV. §§ 130–132: Wirksamwerden; Bindung.

 

Rn 8

Als nicht empfangsbedürftige Willenserklärung wird das Testament bereits mit Errichtung wirksam und ist frei widerruflich (§ 2253). Die §§ 130–132 gelten insoweit nicht. Das Vertrauen der Bedachten auf den Fortbestand des Testaments wird also nicht geschützt. Wird eine Bindung des Erblassers angestrebt, so ist ein Erbvertrag zu schließen oder – soweit der Anwendungsbereich eröffnet ist – ein gemeinschaftliches Testament mit wechselbezüglichen Verfügungen zu errichten.

V. §§ 133–141.

 

Rn 9

§ 133 gilt auch für die Auslegung von Testamenten (dazu § 2084 Rn 5 ff). Mängel der vom Erblasser getroffenen Anordnungen werden durch besondere Vorschriften beseitigt, die Auswirkungen von Unklarheiten oder Lücken im Testament beschränken (§§ 2066–2073, 2084–2086).

 

Rn 10

Eine letztwillige Verfügung kann nach §§ 134, 138 nichtig sein. Die praktisch wichtigsten Verbote enthalten die Heimgesetze der Länder (Überblick bei Grziwotz FamRB 20, 417). Sie untersagen es dem Träger eines Alten- oder Pflegeheims, sich von Bewohnern zusätzliche Leistungen über das geschuldete Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen, und erfassen auch letztwillige Verfügungen zugunsten des Heimträgers, die diesem zu Lebzeiten bekannt werden (BGH NJW 12, 155; BayObLG NJW-RR 99, 1454; KG ZEV 98, 1542; AG Frankenthal FamRZ 19, 742). Dasselbe gilt für Leiter, Beschäftigte und sonstige Mitarbeiter des Heims (vgl iE Staud/Otte Vor § 2064 Rz 132 ff). Zur Sittenwidrigkeit unten Rn 13.

 

Rn 11

Mangels Vorliegens einer Verfügung iSd §§ 135–137 können diese Normen nicht angewendet werden. § 139 wird durch § 2085 verdrängt. Letztwillige Verfügungen können umgedeutet werden (§ 140). Eine Bestätigung iSd § 141 ist möglich.

VI. §§ 145–185: Sonstige Vorschriften über Rechtsgeschäfte.

 

Rn 12

Auf das Testament als einseitiges Rechtsgeschäft können die Bestimmungen über Verträge (§§ 145 ff) nicht angewendet werden. Aus §§ 2074, 2075 ergibt sich die Möglichkeit bedingter oder befristeter letztwilliger Verfügungen, so dass §§ 158 ff grds angewendet werden können. Wegen der Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung (§§ 2064, 2065) sind die Stellvertretungsregeln (§§ 164–181) nicht anwendbar, und es bedarf keiner Zustimmung (§§ 182–185) Dritter.

B. Nichtigkeit letztwilliger Verfügungen wegen Verstoß gegen die guten Sitten.

I. Allgemeines.

 

Rn 13

Erbrechtliche Verfügungen können gegen die guten Sitten verstoßen. Folge ist die Nichtigkeit der Verfügung, § 138 I (insb zur Sittenwidrigkeit von Bedingungen vgl §§ 2074, 2075 Rn 6 ff), soweit die Sittenwidrigkeit reicht. Angesichts der in Art 14 GG geschützten Testierfreiheit ist bei der Bejahung der Sittenwidrigkeit Zurückhaltung geboten. Voraussetzung ist ...

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