Rn 8

Weil die insoweit lückenhaften Regelungen des gesetzlichen Werkvertragsrechts den Bedürfnissen insbes der Baurechtspraxis nicht gerecht werden, haben eigens für diesen Geschäftsbereich geschaffenen Vergabe-, Vertrags- und Verdingungsordnungen große praktische Bedeutung. Sie finden sich für Bauleistungen in der VOB, für freiberufliche Leistungen (Architekten und Ingenieure) in der VOF und für andere Leistungen in der VOL. Die vom Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) erlassene und regelmäßig fortgeschriebene VOB (letzte Fassung 09) besteht aus 3 Teilen: Teil A enthält Vorschriften für die Vergabe von Bauaufträgen durch die öffentlichen Hand (dazu Rn 26), Teil B Vertragsbedingungen für die Abwicklung von Bauaufträgen (Rn 27 f) und Teil C Allg Technische Vertragsbedingungen (ATV – Rn 30 f). Obwohl sie im Bundesanzeiger veröffentlicht werden, stellen die Teile B und C keine Rechtsnormen dar (zur Rechtsnatur: Rn 27 ff). Demggü soll die VOB/A aufgrund der Verweisung der gem §§ 97 VI, 127 GWB erlassenen Vergabeverordnung (in §§ 46 VgV) Rechtsnormqualität zumindest oberhalb der EU-Schwellenwerte haben (Quack BauR 04, 1492 – für die VOB/A; nach BGHZ 139, 259, 266: Rechtssatzqualität). Unterhalb der Schwellenwerte kommt ihr hingegen lediglich der Rang einer Verwaltungsvorschrift zu, allerdings mit zivilrechtlicher Außenwirkung (vgl BGH BauR 97, 126).

1. VOB/A.

 

Rn 9

Teil A der VOB enthält Regelungen für die Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand. Sie geben vor, wie und mit welchem Inhalt ein Vertrag geschlossen werden kann (Vergabeverfahren und Vergabebedingungen), nicht aber die Vertragsbedingungen (die VOB/A enthält kein Bauvertragsrecht, so Quack BauR 04, 1492). Im Zuge der Umsetzung verschiedener EG-Richtlinien gelten für diese Aufträge besondere Vorschriften, insbes die §§ 97 ff GWB (Vergabe- und Nachprüfungsverfahren) und die Vergabeverordnung; nach § 97 VII GWB besteht ein gerichtlich nachprüfbarer Anspruch des einzelnen Bewerbers (Bieters) auf Einhaltung der Vergabevorschriften (zu den Anforderungen bzgl der Antragsbefugnis im Nachprüfungsverfahren: BVerfG VergabeR 04, 597. Danach genügt ein durch die Teilnahme an der Vergabe indiziertes Interesse am Auftrag und die Rüge der Nichtbeachtung von Vergabeverfahrensvorschriften). Unterhalb der Schwellenwerte gilt dieser Primärrechtsschutz nicht (BVerfG BauR 07, 98 = NJW 06, 3701; vgl ausf zu den Auswirkungen dieser Entscheidung: Franke FS Ganten, 273 ff) und auch der Weg zu den Verwaltungsgerichten zwecks Überprüfung des Vergabeverfahrens ist nach der Rspr des BVerwG (VergabeR 07, 337 = NJW 07, 2275) in diesem Fällen nicht eröffnet (anders noch die Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen VergabeR 07, 196). Im Ergebnis bleibt dem Bieter dann idR nur die (nachträgliche) Geltendmachung von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen, die insbes bei Verletzung des durch das Vergabeverfahren entstehenden Vertrauensverhältnisses gegeben sein können (BGHZ 49, 79; 60, 223; zum zivilrechtlichen Charakter der Vergabeentscheidung: LG Cottbus IBR 07, 695 f; s.a. § 126 GWB). Diese umfassen den Vertrauensschaden (negatives Interesse), ausnahmsweise auch den entgangenen Gewinn (positives Interesse), falls dem übergangenen Bieter der ausgeschriebene Vertrag hätte erteilt werden müssen (zB aufgrund Ausschlusses der anderen Bieter) und dieser tatsächlich an einen anderen Bieter erteilt wurde (so BGH VergabeR 04, 480 für den Fall der zu Unrecht erfolgten Aufhebung einer Vergabe; Naumbg ZfBR 05, 210). Die VOB/A 09 idF ihrer amtlichen Bekanntmachung (BAnz Nr 155 v 15.10.09, 3549) bestand aus 2 Abschn (zuvor 4); Abschn 1 enthielt die Basisparagraphen für die öffentliche Vergabe von Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte, Abschn 2 in den sog ›a-Paragraphen‹ zusätzliche Bestimmungen nach der VergabekoordinierungsRL vom 31.3.04 (2004/18/EG) für Aufträge oberhalb der Schwellenwerte (EU-Vergaben) nach Maßgabe des GWB und der VergabeVO (sog Kaskadenprinzip). Mit der Neufassung der VOB 2012 sind die vom DVA neu erarbeiteten Abschn 2 und 3 in die VOB/A eingefügt worden (BAnz Nr 182, Beilage Nr 182a; Korrektur BAnz AT v 7.5.12). In Kraft getreten ist die VOB/A 2012 mit der Änderung der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV) und der Einführung der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit (Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit – VSVgV) am 19.7.12. Schwerpunkt der Überarbeitung der VOB/A Abschn 2 war die Zusammenführung der Basis- und der a-Paragraphen. Für Vergaben ab Erreichen der EU-Schwellenwerte gelten nun die Basisparagraphen nicht mehr zusätzlich, sondern ein durchnummerierter Regelungskanon. Damit wurde die Struktur der VOB/A an die Struktur der VOL/A angeglichen. Darüber hinaus wurde ein neuer Abschn 3 der VOB/A geschaffen. Anlass hierfür war die notwendige Umsetzung der Richtlinie 2009/81/EG über Beschaffungen im Bereich Verteidigung und Sicherheit in nationales Recht....

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge