Leitsatz
Mit einer Zweckbestimmung einer Nutzung zu Wohnzwecken steht der Betrieb einer psychologischen Einzel-Praxis in den Räumen der vermieteten Eigentumswohnung zu den üblichen Tageszeiten in Einklang.
Sachverhalt
Einer der Wohnungseigentümer einer Wohneigentumsanlage vermietete sein Sondereigentum an seine Ehefrau zum Betrieb einer psychologischen Praxis. Die Praxis wurde von Montag bis Freitag bis 21 Uhr betrieben.
Die übrigen Wohnungseigentümer sind nun der Auffassung, durch den Betrieb der Praxis werde das Wohnungseigentum entgegen der Bestimmung in der Teilungserklärung genutzt. Weiter seien die Hausbewohner wegen der Art der Patienten, die schließlich psychische Probleme hätten, größeren ängsten ausgesetzt.
Entscheidung
Ist in der Teilungserklärung das Sondereigentum zu Wohnzwecken zugewiesen, ist damit grundsätzlich eine Zweckbestimmung dahingehend getroffen, daß die im Sondereigentum stehenden Räume in erster Linie auch nur zu Wohnzwecken genutzt werden dürfen. Das heißt jedoch noch lange nicht, daß damit jede Nutzung zu einem anderen Zweck ausgeschlossen ist.
Wie bereits mehrfach an dieser Stelle in den Urteilsbesprechungen erwähnt, ist auch bei einer Zweckbestimmung zu Wohnzwecken eine andere Nutzung möglich, soweit diese nicht mehr stört, als die dem ursprünglichen Zweck dienende Nutzung. Das bedeutet gleichzeitig, daß die übrigen Wohnungseigentümer eine über das Wohnen hinausgehende Nutzung des Sondereigentums dann dulden müssen, wenn die entsprechende Nutzung als zumutbar anzusehen ist. Das Gericht kam vorliegend jedenfalls zu dem Ergebnis, daß sich der Betrieb einer psychologischen Praxis grundsätzlich noch im Rahmen einer zumutbaren Nutzung hält.
Die Richter konnten auch nicht die Sorgen der Wohnungseigentümer hinsichtlich der Patienten teilen und entschieden, daß diese keine größeren Störungen verursachten oder gar eine größere Gefahr darstellten, als andere Besucher auch. Die Psychologin gab in diesem Zusammenhang auch zu bedenken, daß die von ihr behandelten Patienten unter Trennungsängsten, Eßproblemen oder allgemein unter Depressionen und ängsten litten. Diese - in einer modernen Gesellschaft weit verbreiteten Erkrankungen - seien nicht mit psychiatrischen Erkrankungen gleichzustellen, die von Fachärzten für Psychiatrie behandelt werden müßten. Weiter seien sie erst recht nicht als gefährlich einzustufen. Die Patienten stellten daher generell keine größere Gefahr dar als andere Besucher des Hauses.
Einen kleinen Teilerfolg konnten die Wohnungseigentümer jedoch verbuchen. Der Praxisbetrieb konnte wochentags jedenfalls nicht weiter bis 21 Uhr abends fortgeführt werden. Denn nach der maßgeblichen Verkehrsanschauung und der sozialen Adäquanz bräuchten die übrigen Wohnungseigentümer einen freiberuflichen Praxisbetrieb über die üblichen Arbeitszeiten hinaus nicht zu dulden. Die Praxis mußte fortan um 18.30 Uhr schließen. Nach Meinung des Gerichts könne eine Wohnungseigentümergemeinschaft nämlich redlicherweise erwarten, daß abends nicht regelmäßig fremde Personen als Patienten oder Klienten einer freiberuflichen Praxis noch in das Haus kommen und dieses erst nach 21 Uhr wieder verlassen.
In dieser Entscheidung ist auch kein Eingriff in Grundrechte verbunden. Die Psychologin führte zwar an, Kollegen würden ihren Praxisbetrieb durchaus täglich auch bis mindestens 20 Uhr aufrechterhalten. Da jedoch nicht jeder Freiberufler seine Tätigkeit in einer Eigentumswohnung ausführt, möge ihm dies auch unbenommen bleiben. Letztlich müssen sich jedoch diejenigen Kollegen, die ihre Tätigkeit ebenfalls in Eigentumswohnungen ausführen, auch an die dort geltenden Beschränkungen halten.
Link zur Entscheidung
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.01.1998, 3 Wx 500/97
Fazit:
Die Grundsätze dieser Entscheidung werden wohl allgemein auf den Betrieb von Freiberufler-Praxen angewendet werden können. Auch die Richter in diesem Verfahren zogen zumeist Parallelen zu den Entscheidungen anderer Gerichte im Zusammenhang mit der Einrichtung eines Ingenieurbüros oder einer Steuerberaterkanzlei (wir berichteten). Solche Art der Nutzung ist kann also unbedenklich als noch im Rahmen erlaubter Nutzung angesehen werden, wobei natürlich zu berücksichtigen sein dürfte, inwieweit mit der einzelnen Tätigkeit Publikumsverkehr verbunden ist. Bei Einzelpraxen dürfte dieser jedoch nicht über das noch zumutbare Maß hinausgehen, so daß derartige Einrichtungen unbedenklich sein dürften.